5. Das Ja der Treue als Antwort auf das Ja Gottes zum Menschen
Für getaufte Christen bekommt das Ja der Treue dadurch sein besonderes Gewicht, dass sie es sich vor Gott und im Raum der kirchlichen Glaubensgemeinschaft versprechen. Ihre Liebe wird zum Sakrament der Nähe Gottes, das ihre gemeinsame Lebensgeschichte unter ein bleibendes Vorzeichen stellt. Ihr menschliches Ja-Wort, das sie einander geben, ist von dem endgültigen Ja, das Gott in Jesus Christus zu uns gesprochen hat, getragen und umfangen. Ihre Liebe ist im Sakrament der Ehe geheilt und geheiligt. Die Propheten des Alten Testamentes und der Apostel Paulus haben den Zusammenhang zwischen der Liebe Gottes zu den Menschen und der Liebe zwischen Mann und Frau deshalb im Bild eines unwiderruflichen “Bundes” dargestellt. Erst im Vertrauen darauf, dass ihre begrenzte Liebe von der größeren Liebe Gottes getragen und gehalten ist, können die Ehepartner es wagen, einander trotz ihrer Fehler und Schwächen vorbehaltlos anzunehmen. Wenn sie einander das Sakrament der Ehe spenden und dadurch den Bund ihrer Ehe stiften, vertrauen und hoffen sie darauf, dass Gott die Treue, die er seinem Volk immer wieder erwiesen hat, auch ihnen Tag für Tag erweisen wird. Der große Segen über die Brautleute, der im Anschluss an das feierliche Eheversprechen vom Priester gesprochen wird, bekräftigt, dass die Ehe als sakramentales Zeichen den Bund Gottes mit den Menschen darstellt und ein Abbild der Liebe Christi ist (vgl. Eph 5,21-33).
In ihrem Eheversprechen bauen die Eheleute deshalb nicht nur auf ihre eigene Kraft. Sie bringen ihr Vertrauen zum Ausdruck, einander für das Wachstum ihrer Liebe Zeit zu lassen, ohne diese Zuwendung an irgendwelche Bedingungen zu knüpfen. Sie sind bereit, ihr ganzes eigenes Wollen in das gemeinsame Leben einzubringen, auch wenn dies unter Umständen die Zurückstellung eigener Interessen und Erwartungen erfordern kann. Da das Eheversprechen aber im Angesicht Gottes gegeben wird, bekunden die Ehepartner zugleich, dass sie nicht nur auf ihre eigene Kraft hoffen. Sie verstehen ihr Versprechen vielmehr als eine ständige Bitte an Gott, ihnen die Kraft zu geben, ihre Liebe im täglichen Leben zu bewahren.
Wenn die Ehe der Weg ist, auf dem die Eheleute zusammen mit ihren Kindern immer tiefer in Gottes Liebe hineinwachsen sollen, dann schließt dieser Weg auch Umkehr und das Ringen um Versöhnung ein. Das Leiden an menschlicher Unvollkommenheit, der eigenen wie der des Partners, und die Verarbeitung von Schuld sind notwendige Reifeschritte, die in keiner Ehe ausbleiben. Wenn solche Krisen in der Bereitschaft zur Versöhnung angenommen werden, tragen sie zu den unvermeidlichen Wandlungen des Lebens und zum Gelingen der Liebe bei.
Der Schutzraum der Ehe, in dem Frau und Mann sich einander schenken, um aus Gottes Verheißung miteinander zu leben, bedeutet von sich aus allerdings keine Garantie für das Gelingen der Ehe. Auch Ehepaare stehen vor der Aufgabe, eine je eigene Form von gelebter Partnerschaft zu finden und ein Leben lang weiter zu entwickeln - im Aufbau und in der Pflege einer Gesprächskultur, in der Entfaltung von Zärtlichkeit und sexueller Gemeinschaft, in der Entscheidung zu Kindern und in der Kindererziehung, in der einvernehmlichen Zuordnung von Erwerbsarbeit und Familienarbeit, in der Kultivierung von Bedürfnissen und gegenseitiger Rücksichtnahme sowie in der Suche nach einem gemeinsamen Lebensstil. Aber weil sie den Spielraum dafür nicht je von neuem ausmessen und füreinander bereitstellen müssen, bedeutet die Ehe auch eine Entlastung von der Überforderung, die Grundlagen des gemeinsamen Lebens täglich neu aushandeln zu müssen. Ehe ist so immer beides: vorgegebene Lebensform und verantwortlich gestaltete Beziehung. Sie wird um so besser gelingen, je bewusster den Partnern vor Augen steht, dass auch ihr gemeinsames Leben im Miteinander von göttlicher Gabe und menschlicher Aufgabe gründet. So erfüllen sie durch ihr gemeinsames Leben in besonders dichter und unverwechselbarer Weise das, was uns allen als Gemeinde Jesu Christi aufgetragen ist: “Nehmt einander an, wie auch Christus uns angenommen hat” (Röm 15,7).
Auf diesem Weg begleite sie, liebe Schwestern und Brüder, der Segen des dreieinigen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.