Für viele Mädchen und Jungen im Erzbistum bricht in diesen Wochen und Monaten eine spannende Phase an – der Schulanfang steht bevor. Am 10. September 2024 werden die Erstklässler in Bayern mit ihren bunten Schultüten und neuen Schulranzen feierlich in ihren Schulen in Empfang genommen und lassen die Kindergartenzeit hinter sich. Ein neuer Abschnitt beginnt.
Schulanfang! Für viele Jungen und Mädchen ein bedeutender Lebensabschnitt
Neubeginne sind spannende Zeiten – für Kinder und für Eltern. Es fängt mit der Geburt der Kinder an, zieht sich über jedes Erste-Mal, das sie von dort an erleben wie Sprechen- und Laufen-Lernen. Es geht weiter, wenn sie in die Krippe oder Kita kommen und setzt sich mit dem Schulanfang fort. Kinder erleben beim Übergang in die Schule zum ersten Mal bewusst einen ganz persönlichen Neubeginn, dem sie meist voll Vorfreude begegnen.
„Schon bevor die Schule wirklich beginnt, gibt es vieles, was aufregend ist“, weiß Andrea Schirnjack, Leiterin des Schulpastoralen Zentrums Erding. „Die Schuleingangsuntersuchung muss erfolgen, es wird beim Screening in der Schule getestet, ob die Kinder schulreif sind und welche Schulart die richtige für sie ist. Die Anmeldung in der Schule ist dann der letzte Schritt.“ Dass das natürlich besonders für die Kinder eine außergewöhnliche Zeit ist, versteht sich von selbst. Aber auch die Eltern machen in dieser Zeit einiges durch. „Eltern wählen heute ganz bewusst die für sie und ihr Kind infrage kommende Schule aus“, sagt Barbara Reif, Schulleiterin der Erzbischöflichen Pater-Rupert-Mayer-Volksschule Pullach. „Das bedeutet enorme Anstrengung – im Aufwand und auch in der Auswahl –, denn jeder will verständlicherweise das Beste für sein Kind.“
Feinmotorik trainieren die Kinder nicht nur beim Malen, sondern auch bei alltäglichen Dingen wie dem Anziehen oder Butterbrotschmieren.
Dieses Abwägen und Auswählen gab es bis vor 10, 20 Jahren nicht. Zudem haben Leistungs- und Anschlussfähigkeit an Bedeutung gewonnen, was auch an Eltern und ihren Kindern nicht spurlos vorübergeht. Denn für viele Mütter und Väter bedeutet der Übergang ihrer Kinder von der Kita in die Grundschule vor allem einen Wechsel in ein neues Leistungssystem.
„Da erleben wir oft den Anspruch der Eltern, dass in der Kita planmäßig schulvorbereitende Übungen angeboten werden“, berichtet Maria Magdalena Hellfritsch, Geschäftsführerin beim Verband katholischer Kindertageseinrichtungen Bayern e.V., aus ihrer Erfahrung. „Manchmal ist es schwer für die Eltern zu verstehen, dass es im ganz normalen Alltag der Kita reichlich Übungsmöglichkeiten gibt, bei denen schulrelevante Fähigkeiten erworben werden. Beispiel Schreiben lernen: Gebraucht wird dafür eine gute Feinmotorik. Geübt wird sie z. B. beim Obst- oder Gemüseschneiden, beim selbstständigen Anziehen und Brote bestreichen.“ Doch oft bleibt die Angst, das eigene Kind könnte nicht genügen, könnte Probleme in der Schule bekommen oder in der Altersstufe nicht mithalten. Alles Zeichen dafür, dass „Versagensängste in der heutigen Gesellschaft weit verbreitet sind“, stellt Barbara Reif fest.
Der Verband katholischer Kindertageseinrichtungen Bayern e. V. hat das Problem fest im Blick und unterstützt sowohl Träger und Fachpersonal als auch Eltern und Kinder mit unterschiedlichen Maßnahmen. „Eine Fachreferentin im Verband kümmert sich eigens um die professionelle Gestaltung des Übergangs von der Kita in die Schule. Auch Fortbildungen für pädagogisches Personal werden angeboten, die den Blick konkret auf werdende Schulkinder richten“, sagt Hellfritsch. „Wir legen großen Wert darauf, dass Lernen auf ganzheitlichen Sinneserfahrungen aufbaut. Unser Blick ist dabei immer auf das individuelle Kind und dessen Bedürfnisse gerichtet.“ Ebenso wichtig sei es, die Eltern beim Übergang ihrer Kinder in die Schule einzubeziehen und ihnen Beteiligungsmöglichkeiten zu eröffnen.
Motivieren, unterstützen, miteinander reden - so können Eltern ihre Kinder beim Übertritt begleiten.
Während die Kita-Kinder meistens erwartungsvoll, neugierig und aufgeregt dem Schulanfang entgegenfiebern, „erleben sie vielleicht auch erstmals, dass sich ihre Eltern viele Gedanken, Sorgen und Hoffnungen über ihre berufliche und gesellschaftliche Zukunft machen“, sagt Robert Bögle, bis zu seinem Ruhestand katholischer Leiter der PiB (Pädagogisch-psychologische Informations- und Beratungsstelle für Schüler, Eltern u. Lehrer). Barbara Reif geht noch weiter: Beim Übergang in die Schule ergeben sich für die Kinder Brüche – es verändern sich Räumlichkeiten, Bezugspersonen, selbst die eigene, gereifte Wahrnehmung.
Während der Übergang bei den einen also Entdeckungslust und Freude weckt, gibt es auch Kinder, die auf die Veränderung eher ängstlich und klammernd reagieren, je nach Charakter und dem jeweiligen Entwicklungsstand in sozial-emotionaler, geistiger und körperlicher Richtung. „Eltern können ihre Kinder in diesen drei Dimensionen schon weit vor dem Übergang stärken“, weiß Reif. „Sie können ihr Selbstbewusstsein fördern, indem sie ihnen Aufgaben in der Familie übertragen, sie können auf Erfolge hinweisen, loben, viel mit den Kindern sprechen, erklären, vorlesen – und sie nicht vor allen Rückschlägen und Fehlern zu bewahren versuchen.“ Darüber hinaus ginge es um Aufmerksamkeit gegenüber der körperlichen Entwicklung: So sollten eine gute Körperhaltung gefördert werden sowie richtiges Gehen und Körperspannung. Vor allem mit spielerischen Übungen kann man hier viel bewirken – auch was die die Feinmotorik der Hände und Finger betrifft.
Bei allen möglichen Übungen und Vorbereitungen auf den Übergang dürfen aber auch Zutrauen, Ermutigung und Gelassenheit nicht fehlen. „Der erste Schultag ist ein schöner Tag – für Kinder und Eltern“, sagt Andrea Schirnjack. „Das gemeinsame Basteln der Schultüte, das Aussuchen der Schultasche und allem anderen, was zum Schulanfang benötigt wird, kann die Vorfreude auf diesen Tag stärken“.
Gelassenheit spielt eine große Rolle beim entspannten Übertritt von der Kita in die Schule.
Viele Kindertageseinrichtungen bieten im Vorfeld der Verabschiedung ihrer Schulanfänger ein buntes Programm. So berichtet Andrea Schirnjack beispielsweise von Gottesdiensten, bei denen die Vorschulkinder gesegnet werden, manchmal auch ein kleines Kreuz, einen Christophorus-Anhänger, einen Schutzengel oder ähnliches bekommen.
An der Pater-Rupert-Mayer-Volksschule in Pullach erhalten die zukünftigen Erstklässler im Juli einen kleinen Brief der neuen Lehrerinnen / Lehrer mit einer Karte, auf der ein Schutzengelbild und ein Engel-Anhänger kleben. Außerdem sind Felder in der Anzahl der noch verbleibenden Tage bis zum Schulanfang aufgezeichnet, die die Kinder in der Zeit des Wartens ausmalen können. All das macht Freude und weckt die Neugier der Kinder.
Und es gibt noch mehr, was man als Kita machen kann, um Abschied zu nehmen und auf den Schulanfang vorzubereiten: So wären zum Beispiel Schnuppertage der Kitakinder in der Schule oder Besuche der Lehrer in der Kita, bei denen sie vom Schulleben berichten, sehr gut geeignet. „Schön sind auch Lesenächte in der Kita, gemeinsame Schulwegserkundungen oder besondere Abschiedsfeste“, empfiehlt Maria Magdalena Hellfritsch.
Wenn es um besondere Schulanfangsrituale, Feste oder Aktionen geht, lassen sich auch die Grundschulen vielerorts einiges einfallen. Dazu gehört vor allen Dingen die Begrüßung der Schulanfänger. Meist findet diese in der Aula der jeweiligen Schule statt. Kinder sind mit ihren Eltern und ihren Schultüten eingeladen und werden von Schulleitern und Lehrkräften begrüßt. Oft haben bei diesen Anlässen Kinder aus älteren Klassen ein Lied vorbereitet, das sie für die Erstklässler singen.
In Pullach gehen die Begrüßungs- und Eingewöhnungsaktivitäten sogar noch ein bisschen weiter: „Nach den ersten sechs Schulwochen, also vor den ersten Ferien der Schulanfänger, erhalten diese von ihren Mitschülern der zweiten Klassen ein Schul-T-Shirt als Zeichen der Zugehörigkeit“, erzählt Schulleiterin Barbara Reif. „Die Erstklässler lernen mit ihnen gemeinsam auf einer Etage und finden in den ‚Großen‘ Vorbilder, Ansprech- sowie Spiel- und Lernpartner in vielerlei Hinsicht.“
Die Erfahrungen zeigen – wenn Eltern, pädagogisches Fachpersonal und Lehrkräfte gemeinsam an einem Strang ziehen, um eine Brücke zwischen Kindertagesstätte und Grundschule zu bauen, erleichtern sie den Kindern den Einstieg in ihr Schulleben. Der individuelle Entwicklungsstand und Charakter eines jeden Kindes sollte dabei stets eine wesentliche Rolle spielen, so dass die Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes beachtet und befriedigt werden. Dann kann der Übergang gelingen.