Da war einmal ein König. Er regierte ein großes, weites Land. Viele Menschen hörten auf seinen Befehl und dienten ihm. Der König war reich an Schätzen, an Gold, Silber und Edelsteinen, doch glücklich war er nicht. Es fehlte ihm das, was das Herz der Menschen wirklich zufriedenstellt, die Freude. In seinem Herzen wohnte eine große Traurigkeit. Auf seinem Gesicht zeigte sich kein Lachen.
Eines Tages war es so weit gekommen, dass der König niemanden mehr hören und sehen wollte. Er wollte auch mit niemandem mehr sprechen. Er schloss sich in sein Zimmer ein und stand nicht mehr vom Bett auf. Die Diener wussten keinen Rat, wie dem König zu helfen sei. Niemand im weiten Land wusste Rat, wie man den König von seinen trüben Gedanken befreien, ihn wieder froh machen könne.
Die Menschen im Schloss versuchten vieles, um ihren König froh zu stimmen und zum Lachen zu bringen. Der Spaßmacher zeigte seine Künste. Der Hofmusikant spielte auf seiner Geige. Der Koch bereitete die leckersten Speisen. Aber alles nützte nichts. Der König war und blieb traurig und seine Traurigkeit fraß sich immer tiefer in sein Herz hinein. Je mehr der König über sich nachdachte, umso unglücklicher wurde er.
Ein Fremder hatte von dem Unglück des Königs vernommen. Er dachte, vielleicht kann ich helfen. Nach langem Bitten wurde der Fremde ins Schloss gelassen. Er setzte sich ans Bett des Königs, zog eine silberne Glocke hervor und ließ sie erklingen.
Glöckchen erklingen lassen
Zunächst schien der König sie nicht zu hören. Dann aber lauschte er doch ihrem Ton. Der Fremde aber sprach: „Ich schenke sie dir, König. Ihr Klang soll dein Herz trösten. Er möchte dir aber auch sagen, dass es eine Glocke gibt, die noch viel heller und reiner erklingt. Sie kann dir Kummer und Traurigkeit fortläuten. Suche sie, diese Glocke des Glücks.“
Der König richtete sich nach langer Zeit wieder auf, ja, er stand auf. Er ließ die Glocke, die ihm der Fremde geschenkt hatte, erklingen. Wahrhaft, ihr Ton war hell und rein und rührte etwas in seinem Herzen an. Sogleich ließ der König die Diener rufen. Sie sollten gehen und die Glocke suchen, von der der Fremde gesprochen hatte, die Glocke des Glücks.
So suchten die Diener all überall, im ganzen Land, auf den Glockentürmen, in den Glockenstuben, an den Haustüren, auf den Weihnachtsmärkten, wo immer es Glocken gab. Sie fanden Glocken aller Art und brachten sie vor den König. Im Schloss entstand selbst ein Glockenzimmer. Die Glocken füllten Regale und Tische, große und kleine Glocken, Glocken mit hellem und dunklem Klang, Glocken aus Ton, aus Glas, aus Porzellan, aus Erz, Silber und Gold.
Kinder ziehen Glocken aus dem Korb, lassen sie erklingen und stellen sie auf das weiße Tuch.
Die Glocke des Glücks, die das Herz des Königs bis ins Innerste rühren und ganz froh machen sollte, war aber nicht dabei.
Eines Tages kam dem König der Gedanke: So viele Menschen mühen sich, für mich die richtige Glocke zu finden. Was tu ich aber selbst dafür? Vielleicht muss ich sie selber suchen gehen.
Und wie gedacht, so auch getan. Der König verließ das Schloss. Er ging übers weite Land und fühlte sich so frei. Der Frühling lag in der Luft. Die Vögel sangen. Die Knospen an den Sträuchern und Bäumen warteten darauf, von den ersten warmen Sonnenstrahlen wachgekitzelt zu werden.
Sonnenstrahlen um das Tuch legen.
Und dann fand der König – mitten im Schnee – zarte, feine Glöckchen. Sie hingen an grünen Stängeln.
Dunkles Tuch abnehmen, die Kinder die Schneeglöckchen anschauen und "anhören" lassen.
Leise bewegten sie sich im Wind hin und her. Der König musste sich weit herab beugen, ja, er musste sich auf den Boden knien, um ihren Ton zu vernehmen. Es war wohl der feinste und zarteste Ton auf der Welt. Still saß der König da. Er horchte tief in sich hinein. Er spürte, wie eine große Freude sein Herz erfüllte. Er wusste, nun hatte er die Glocke des Glücks gefunden.
Niemand kann sie einem schenken. Jeder muss selbst gehen, um sie zu suchen und zu finden.