Respekt will gelernt sein An Schulen im Erzbistum arbeiten "Respekt Coaches" daran, Vorurteile abzubauen und Toleranz zu fördern

Seit rund vier Jahren arbeiten Respekt Coaches an Schulen in ganz Deutschland. Das ursprünglich gegen islamistischen Extremismus gerichtete Programm deckt inzwischen weit mehr Themenfelder ab und übernimmt wichtige Aufgaben im Bereich der politischen Bildung. Im Erzbistum München und Freising wird das Programm vom Jugendmigrationsdienst (JMD) von INVIA getragen. Respekt Coaches wie Friederike Alexander sind dafür in 23 Klassen an sechs Schulen in München, Freising und Erding aktiv.
 
Auf dem Foto ist ein junger Mann von hinten zu sehen, der einen Pullover trägt, auf dem der Schriftzug "Lass uns reden. Reden bringt Respekt" steht.
Unter dem Motto „Lass uns reden – Reden bringt Respekt“ arbeiten Pädagogen an Schulen daran, junge Menschen für Extremismus und Radikalisierung zu sensibilisieren, Vorurteile abzubauen und Toleranz zu fördern
Die Jugend von heute hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität und hat keinen Respekt mehr vor älteren Leuten. Klingt provokant? Ist aber ein alter Hut. Obwohl dieser Spruch aus dem Mund jeder zweiten Großmutter kommen könnte, ist er schon wesentlich älter und wird dem griechischen Philosophen Sokrates zugeschrieben (469-399 v. Chr.). Berichte über den vermeintlich mangelnden Respekt der Jugend finden sich sogar schon auf rund 5.000 Jahre alten sumerischen Tontafeln – und halten sich bis heute. Zu Unrecht, findet Friederike Alexander. „Vielmehr ist mangelnder Respekt Erwachsener gegenüber Kindern und Jugendlichen ein großes Thema unter Schülern“, so die Erfahrung der politischen Bildnerin vom Projekt "Respekt Coaches".

Vorurteile abbauen und Toleranz fördern

2018 wurde das Programm vom Bundesfamilienministerium gestartet. Inzwischen sind Respekt Coaches an rund 275 Standorten in ganz Deutschland aktiv. Unter dem Motto „Lass uns reden – Reden bringt Respekt“ arbeiten die Pädagogen an Schulen präventiv daran, junge Menschen für Extremismus und Radikalisierung zu sensibilisieren, Vorurteile abzubauen sowie Respekt und Toleranz zu fördern.
Im Erzbistum München und Freising wird das Programm vom Jugendmigrationsdienst (JMD) des katholischen Verbandes für Mädchen- und Frauensozialarbeit IN VIA getragen. Respekt Coaches wie Friederike Alexander sind dafür in 23 Klassen an sechs Schulen in München, Freising und Erding aktiv.
 
Auf dem Foto sind Schüler in der Aula zu sehen. Die Stimmung ist gut, alle lachen.
Das Programm soll - insbesondere an Mittelschulen - Gemeinschaft, demokratisches Verständnis und Identität von Jugendlichen stärken
Dabei geht es explizit nicht darum, sich um „Problemklassen“ zu kümmern, betont JMD-Leiterin Neda Nayeri-Maslo. Das Programm soll vielmehr politische Bildung dahin bringen, wo sie zu wenig verankert ist. Die Respekt Coaches arbeiten deshalb mit festen Kooperationspartnern zusammen und sind vor allem an Mittelschulen aktiv. Hier verbringen die Schüler vier Jahre weniger Zeit an der Schule als am Gymnasium. Außerdem liegt der Schwerpunkt vor allem darauf, die Jugendlichen auf das Berufsleben vorzubereiten. „Gerade Mittelschülern wird daher häufig gar nicht erst zugetraut, sich politisch zu beteiligen“, sagt Coach Friederike Alexander. Ihrer Erfahrung nach ist das aber ein Vorurteil, das den Interessen der Schüler nicht gerecht wird.

Politische Bildung dahin bringen, wo sie fehlt

„Umso stärker Jugendliche sich mit sich selbst auseinandersetzen und ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln, desto weniger neigen sie zu extremistischen Tendenzen“, sagt Nayeri-Maslo. Ursprünglich lag vor allem islamistischer Extremismus im Fokus des Programms, das auch als Reaktion auf den Anschlag am Berliner Breitscheidplatz ins Leben gerufen wurde. Inzwischen hat es sich thematisch weiter geöffnet und soll allgemein Gemeinschaft, demokratisches Verständnis und Identität von Jugendlichen stärken. Welche Inhalte dabei behandelt werden, entscheiden die Schülerinnen und Schüler dabei in großen Teilen selbst.
 
Zwischen drei und vier Tage dauert eine Coaching-Einheit. Zu Beginn analysiert Friederike Alexander zunächst die Interessen der Klassen. Im Zentrum steht dabei die Frage: Wer bekommt Respekt und wem mangelt es an Respekt. „In der Regel bekommt man so sehr schnell einen Überblick, was die Jugendlichen gerade beschäftigt.“ Danach entwickeln die Respekt Coaches ein- bis zweitägige Workshops, in denen die von den Schülerinnen und Schülern vorgebrachten Themen dann behandelt werden. Hinterher gibt es immer eine Nachbesprechung, „damit was hängen bleibt“. Alle zwei Monate findet in den teilnehmenden Klassen in der Regel ein Workshop statt.

Gefahrenquelle Internet

Diskussionsrunden mit Gästen rund um die Black-Lives-Matter-Bewegung, gehören dabei ebenso zum Repertoire der Coaches wie Medienkompetenzschulungen, um Fake-News zu erkennen, oder ein erlebnispädagogischer Ausflug in die Kletterhalle, um über Vertrauen zu sprechen. Auch der Themenkomplex „Verhalten im Internet“ begegnet Alexander regelmäßig in ihren Klassen. „Das fängt beim Umgang im Klassenchat an und geht bis zu Cybermobbing und Cybergrooming.“ Die Respekt Coaches versuchen, für Gefahren zu sensibilisieren und informieren die Jugendlichen darüber, wie man Beiträge bei Instagram oder Facebook melden kann oder bei welchen Beratungsstellen man sich helfen lassen kann.
 
„Jugendliche fordern sich eine wahnsinnig tolerante und diverse Welt ein“, weiß Friederike Alexander, „und ich glaube, wir schulden es Ihnen, dass wir diesen Weg mitgehen und ihnen das ermöglichen“. Ihrer Erfahrung nach erlernen junge Menschen Respekt vor allem dadurch, dass sie selbst respektiert werden. Damit hat sich zwar schon Sokrates schwergetan, aber es lohnt sich, ist sich die Coachin sicher: „Wenn wir demokratiefähige Jugendliche haben, die Lust haben, sich einzubringen, die gesehen und gehört werden und sich als Teil der Gesellschaft fühlen, dann haben wir Jugendliche, die nicht zu Tätern werden und Jugendliche, die sich nicht zu Opfern machen lassen.“

Text: Korbinian Bauer, Redakteur Sankt Michaelsbund, Mai 2022
 

Respektcoaches
In der Radiosendung "Total Sozial" des Münchner Kirchenradios werden das Projekt und die Arbeit der "Respekt Coaches" im Erzbistum näher vorgestellt.
Hier geht's zur Podcast-Folge "Respekt will gelernt sein".

IN VIA München e.V. - Kath. Verband für
Mädchen- und Frauensozialarbeit
Telefon: 089-282824
Fax: 089-288413
info(at)invia-muenchen.de
http://www.invia-muenchen.de
Vorstand: Dr. Marie Gabel 
Vorsitzende des IN VIA-Rates: Irina Augustinowski
Der Verein ist Träger von Einrichtungen und Angeboten in den Bereichen Bahnhofsmission, Migration und Jugendwohnen.