Tradition und Moderne: Der Blick vom Garten des ehemaligen Kapuzinerklosters St. Sebastian zeigt den historischen Alt- und den modernen Neubau des Studierenden-Wohnheims
Nach dem Abschied der Neustart: 2015 verließen die Kapuzinerinnen und Kapuziner das Kloster St. Sebastian und zogen aus Altersgründen in ihre Mutterhäuser. Lange wurde über eine weitere Nutzung nachgedacht, dann begann die umfangreiche Sanierung. Seit Anfang Oktober 2022 ist nun neues Leben in das über 400 Jahre alte Kloster eingekehrt.
Studentinnen und Studenten aus der ganzen Welt sollen hier zukünftig ein Zuhause finden, zehn Gehminuten von der Hochschule entfernt. Dabei gibt es strenge Aufnahmekriterien, wie Heimleiterin Lisa Maria Bierwirth erläutert: „Vor allem junge Menschen, die es aufgrund fehlender monetärer Mittel nicht zum Studium schaffen würden, sollen hier aufgenommen werden“. Die Höchstmiete liegt bei 214,50 Euro kalt pro Wohnheimzimmer. Gefragt werden die Bewerberinnen und Bewerber zum Beispiel nach möglichen Ehrenämtern und ihrem gesellschaftlichen Engagement. Wichtig ist dem Erzbistum München und Freising als Träger des neuen Heimes auch: Die Konfession der Bewerber spielt bei der Vergabe keine Rolle.
Gemütliche Atmosphäre: Im neuen Anbau
des Wohnheims sind moderne Zimmer
mit großen Fensterflächen und sichtbaren
Holzdecken entstanden.
Erste Studierende sind ins sanierte Kloster gezogen
Etwa die Hälfte der insgesamt 60 Zimmer ist inzwischen belegt, und Erstsemester Marius Spitzley aus Siegburg, der vor kurzem sein Studium Innenausbau begann, fühlt sich schon heimisch: „Jeden Tag sind jetzt neue Studenten eingezogen, und so haben wir uns hier gemeinsam eingerichtet und waren nicht „die Neuen“, die irgendwo reinkommen!“ Im sanierten Kloster sind die Studierenden die erste Bewohnerschaft, eine neue Ära beginnt.
Auf die ist das Studierenden-Wohnheim bestens vorbereitet: Das alte Hauptgebäude wurde kernsaniert, ein angrenzender Anbautrakt wurde abgerissen und durch einen Neubau in Holzbauweise ersetzt. Für manch Studierenden ist gerade der Gedanke, in einem ehemaligen Kloster zu wohnen, reizvoll: „Studentenwohnheime können auch andere Träger anbieten, aber wer hat schon ein Kloster zur Verfügung – top, würde ich sagen!“, meint Holz- und Ausbaustudentin Alwine Fey.
Nachhaltiger Bau schafft warme Atmosphäre
„Top“ auch deswegen, weil der Neubau den Kriterien des KfW-40-Standards entspricht, also besonders energiesparend und nachhaltig gebaut ist. Durch weniger Dämmungsbedarf verkürzte sich die Ausbauphase und auch das Gewicht. Mit großen Fensterflächen und sichtbaren Holzdecken sind so warme, freundliche Zimmer entstanden, die auf den Betrachter sehr anheimelnd wirken. Im Neubautrakt des Wohnheims Sankt Sebastian haben die Zimmer eine Größe zwischen 21 und 24 Quadratmetern, sind - wie im Hauptgebäude auch -, mit Bett, Kleiderschrank, Regalen und Schreibtisch ausgestattet. Außerdem hat jedes Zimmer sein kleines Bad. Im Erdgeschoss gibt es auch ein großes barrierefreies Zimmer, das im Augenblick noch unbewohnt ist.
Der Hauptbau des alten Klosters wurde kernsaniert und dabei die Gebäudestruktur, wo möglich, beibehalten. Nach Ertüchtigung des Brandschutzes bei den bestehenden Holzbalkendecken, einer Dachsanierung und der Umstellung auf Fernwärme, sind jetzt nahezu alle Zimmer fertig. Auch hier wurde auf Nachhaltigkeit geachtet. So konnten etwa fast alle Zimmertüren wiederverwendet werden. Im historischen Kloster sind die Zimmer zwischen 13 und 21 Quadratmetern groß, nicht alle haben ein eigenes Bad. Bis zum Ende des Wintersemesters sollen die Modernisierungsarbeiten abgeschlossen und die letzten Zimmer bezugsfertig sein. Auch die Gartenlagen und die Kapelle können die Studenten zukünftig nutzen.
Für Kernsanierung und Neubau erhält das Erzbistum München und Freising neben der KfW-Förderung auch Mittel des bayerischen Innenministeriums zu Schaffung studentischen Wohnraums. Knapp zwei Millionen Euro kommen vom Freistaat. Die Gesamtkosten liegen bei rund acht Millionen Euro.
Gelebte Gemeinschaft: Beim gemeinsamen Essen und lernen in der Stockwerksküche ist das Eis bei den neuen Bewohnerinnen und Bewohnern schnell gebrochen
Statt Einsamkeit Gemeinschaft im Alltag erleben
Nicht nur das altehrwürdige Kloster-Ambiente macht das Studierendenwohnheim so besonders, sondern auch die Philosophie, die dahintersteckt: Anders als in anderen Studentenwohnanlagen, wo sich die Bewohnerinnen und Bewohner nur flüchtig kennen, soll hier auf den Stockwerken eine Gemeinschaft entstehen. Für einander da sein, solidarisch handeln, sich gegenseitig unterstützen - das soll im Wohnheim Sankt Sebastian zum ganz normalen Alltag gehören.
Heimleiterin Lisa Maria Bierwirth hat Soziale Arbeit studiert und will helfen, diese Idee zu verwirklichen: „Keiner soll durchs System fallen oder an Einsamkeit leiden. Die Gemeinschaft soll ein Auffangbecken sein, zum Beispiel bei Problemen wie Prüfungsstress oder den ständig steigenden Lebenshaltungskosten!“ Bemerkenswert ist dabei, wie kleine Dinge diese Idee befördern. Denn in den Zimmern gibt es keine Kochnischen, sondern jedes Stockwerk verfügt über eine Gemeinschaftsküche. Erstsemester-Student Johannes Wagner findet das prima: „Bei uns auf der Etage hat es bisher noch keinen Abend gegeben, an dem man allein in der Küche gesessen ist und gegessen hat. Drei oder vier Leute waren immer da und haben sich unterhalten.“ Regelmäßige Stockwerkgespräche sollen es den Studierenden ermöglichen, sich in vielen Bereichen selbst zu verwalten.
Zuhause auf Zeit
Wenn in Kürze die letzten Arbeiten beendet sind, kann das Studierendenwohnheim Sankt Sebastian mit den Standards anderer moderner Anlagen mithalten. Und es hat ein besonderes Fluidum: Mit der neuen Nutzung des Klosterareals beginnt auch für die Bewohnerinnen und Bewohner etwas Neues: Sie finden alle zusammen ein Zuhause auf Zeit. Und haben die Chance, sich zu einer echten Gemeinschaft zu entwickeln.
Text: Willi Witte, Radioredakteur beim Sankt Michaelsbund, November 2022
Hochschulpastoral
Schrammerstraße 3
80333 München
Fachbereichsleiter:
Martin Obermeyer