Antworten auf Lebensfragen suchen, Freunde finden, den Glauben leben – gerade für junge Menschen können kirchliche Angebote in vielerlei Hinsicht bedeutsam sein. Seit rund zehn Jahren richtet sich die Pastoral für Junge Erwachsene im Erzbistum an „Newcomer“, junge Menschen, die aus beruflichen Gründen nach München gezogen sind, den Austausch mit Gleichaltrigen suchen und – unabhängig von ihrer Konfession – auf der Suche nach Spiritualität sind.
Das Netzwerk Junge Erwachsene bietet vielseitige Angebote, um Gemeinschaft zu erleben - wie Kochabende, Stadtführungen oder einen Stammtisch
Die Auswahl ist groß: In der Kirche gibt es traditionell zahlreiche Angebote für Kinder und Jugendliche und auch für die Gruppe der Familien und Senioren gibt es vielseitige Möglichkeiten, Gemeinschaft und Glauben zu pflegen. Junge Menschen jedoch scheinen nicht immer die passenden Angebote für sich zu finden. Stefan Hubl, Leiter der Jugendpastoral im Dekanat München-Innenstadt glaubt, die Gründe zu kennen: „In den vergangenen Jahren sind junge Erwachsene und ihre Themen aus dem Sichtfeld der Seelsorger gerückt“, so Hubl. „Kirche muss aber die unterschiedlichen Lebensphasen im Blick haben. Wenn Kirche bei jungen Erwachsenen nicht mit Angeboten präsent ist, dann verliert sie deutlich an Relevanz“, argumentiert er. Die Gefahr ist, dass mit einem Mal die Kirche kein Ort mehr ist, an dem sich junge Erwachsene angenommen fühlen und ihren Glauben leben können.
Als Stefan Hubel als Jugendseelsorger vor zehn Jahren ins Erzbistum München und Freising kam, brachte er die Idee der Pastoral für Junge Erwachsene mit. „Die Idee stieß zunächst auf wenig Gegenliebe“, erinnert sich Hubl. Davon ließ er sich aber nicht irritieren. Gemeinsam mit fünf weiteren Münchner Jugendseelsorgerinnen und Seelsorgern und Referenten in der Jugendarbeit gründete er in München das „Netzwerk Junge Erwachsene“.
Stefan Hubl hat das Netzwerk Junge Erwachsene in München zu einer festen Größe gemacht.
Das Netzwerk, anfangs eher „guerillamäßig“ organisiert, entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einer festen Größe im Erzbischöflichen Jugendamt. Endgültig in der offenen Wahrnehmung angekommen war die Initiative, als sie vor drei Jahren mit einer eigenen Homepage online ging (
junge-erwachsene-muenchen.de)
. Als wichtige Zielgruppe der unterschiedlichen Angebote des Netzwerks schälten sich die „Newcomer“ heraus, also junge Erwachsene, die meist aus beruflichen Gründen neu nach München kommen und keinen Anschluss im kirchlichen Leben finden. Die meisten Newcomer seien auf der Suche nach Spiritualität und Zukunftsperspektiven. „Nicht alle sind katholisch“, sagt Hubl und ergänzt: „In der Regel findte sich eine bunte Truppe zusammen, zu der Ungetaufte genauso gehören wie junge Menschen, die konfessionell ungebunden einfach nur eine Antwort auf Lebensfragen suchen.“
Jugendreferentin Hedwig Behl war selbst einmal "Neu-Münchnerin" und engagiert sich heute gerne im Netzwerk.
Hedwig Behl engagiert sich gerne für die jungen Neu-Münchener. Die Jugendreferentin aus der Jugendstelle Pasing machte selbst die Erfahrung, dass es schwierig war, einen neuen Anknüpfungspunkt in der Kirche zu finden, als sie vor Jahren beruflich nach München kam. Als sie von der Netzwerk-Initiative erfuhr, war sie sofort begeistert und schloss sich an. Heute organisiert sie niederschwellige Koch- oder Grillabende und bewirbt diese auf den Social Media-Kanälen des Netzwerks. „Zwischen 20 und 30 Teilnehmer kommen zu einem Kochtreffen, einer Stadtführung oder zum Christkindlmarkt-Hopping“, so Behl.
Einer, der die Angebote schätzt, weil sie zwanglos, abwechslungsreich und oft auch lustig sind: Michael Lofing
Auch Michael Lofing schätzt diese Angebote. Der 32-jährige ist über Facebook auf das Netzwerk Junge Erwachsene aufmerksam geworden. Er kommt zum Stammtisch ins Hofbräuhaus genauso wie zur Feier der Osternacht. Lofing war von Anfang an beeindruckt von der herzlichen und lockeren Aufnahme bei den Netzwerk-Aktionen. „Für mich war das extrem wichtig, dass man mich nicht zwingt oder mir etwas aufschwatzen will, da ich kein Kirchen-Fan bin. Ich würde das Angebot des Netzwerks definitiv weiterempfehlen, weil es abwechslungsreich, zwanglos und immer wieder lustig ist“. Außerdem habe er über das Netzwerk neue Freunde gefunden, mit denen er sich dann auch separat verabrede. Wenn so etwas passiere, so Stefan Hubl, habe man das selbst gesteckte Ziel erreicht, „nämlich, dass sie sich untereinander kennenlernen und sich auch ohne uns austauschen und ihr In-München-Sein gestalten“.
Es kommt vor, dass junge Leute häufig die Angebote des Netzwerks nutzen. Dann könnten auch Beziehungen entstehen, in denen die Netzwerker als Lebensberater gefragt sind. Stefan Hubl erzählt von einer jungen Frau, deren Vater gestorben ist, die im Job unter Druck steht und von den Kollegen nicht wahrgenommen wird. In dieser Situation sei er als Seelsorger gefragt, führe Gespräche und unterstütze sie. Junge Erwachsene, die regelmäßig kommen, stellten zudem oft die Frage, ob man den Stammtisch nicht auch für die Auseinandersetzung mit Inhalten nutzen könnte, zum Beispiel zu der Frage: „Wie gehst Du mit Deinem Glauben um“? „Junge Leute wollen auch inhaltlich arbeiten und nicht nur eine schöne Zeit verbringen. Auch das haben wir aufgegriffen“.
Ob Kochabend, gemeinsame Ausflüge oder Eventbesuche - beim Netzwerk Junge Erwachsene ist eigentlich für jeden Geschmack etwas dabei.
Trotzdem bleibt es für Hedwig Behl und Stefan Hubl weiterhin wichtig, die jungen Erwachsenen mit attraktiven Freizeitangeboten zu erreichen. Beide freuen sich, dass nach den Corona-Einschränkungen jetzt wieder vieles möglich ist. Auf der Netzwerk-Agenda für die Sommerzeit stehen bewährte Aktionen wie der Newcomer-Kochabend oder ein gemeinsamer Besuch beim Sommer-Tollwood. Das Team hat aber auch neue Ideen: „Wir planen zum Beispiel eine Festival-Seelsorge aufzubauen, um junge Menschen auf Konzert-Events zu erreichen“, sagt Hubl. Auch das Standup-Paddel Retreat-Wochenende am Schliersee, „angereichert mit einem Coaching für Lebens- und Zukunftsfragen, Ruhe und Einkehr“, ist ein fixer Programmpunkt, auf den sich interessierte junge Erwachsene freuen dürfen.
Text: Paul Hasel, Redakteur beim Sankt Michaelsbund, Juni 2022