Seit 14 Jahren leitet Lehrer Christian Martino am St.-Ursula-Gymnasium in Lenggries das Projekt „Mädchen für Migranten“, bei dem Schülerinnen Grundschulkindern mit Migrationshintergrund bei den Hausaufgaben helfen. Kürzlich wurde das Projekt mit dem Katholischen Preis gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus ausgezeichnet.
Leiter Christian Martino mit Schülerinnen, die sich bei „Mädchen für Migranten“ engagieren
Schon lange engagiert sich Christian Martino für Menschen mit Migrationsgeschichte. Vielleicht weil sein Vater aus Italien kommt, war er lange in München in der Integrationsarbeit tätig. Seit 2008 ist er am St.-Ursula-Gymnasium für Mädchen in Lenggries als Lehrer für Geschichte, Deutsch und Sozialkunde tätig. Die Gründerin des Ordens der Ursulinen, die heilige Angela Merici, war ebenfalls Italienerin. Irgendwann fragte er sich gemeinsam mit den Schülerinnen, wie sie sich wohl als Italienerin in Deutschland zurechtfände, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. So entstand bei Martino der Wunsch, Kindern mit Migrationshintergrund zu helfen.
Freundschaften entstehen
Also nahm er mit Partnerschulen Kontakt auf, informierte sich beim Landratsamt und holte die Erlaubnis der Schulleitung ein, um das Projekt „Mädchen für Migranten“ gründen zu können. Seitdem helfen Schülerinnen Kindern mit Migrationshintergrund und Fluchtbiographie. Sie gehen in die Grundschule oder Mittagsbetreuung und helfen den Schülerinnen und Schülern bei den Hausaufgaben.
(v.l.) Kalida Schick, Projektleiter Christian Martino, Felizitas Zens und Sophie Eß
Auch darüber hinaus kümmern sich die Schülerinnen um ihre Schützlinge: So gingen sie mit geflüchteten Kindern aus Syrien und Afghanistan zu einem Basketballspiel des FC Bayern München oder starteten in Kooperation mit dem örtlichen Helferkreis für Geflüchtete ein Filmprojekt zum Thema „Demokratie in der Region“. Besonders freut sich der Projektleiter darüber, dass inzwischen Freundschaften zwischen migrantischen Jugendlichen und den Schülerinnen entstanden sind. Eine Schülerin, die von der sechsten bis zur zwölften Klasse beim Projekt „Mädchen für Migranten“ mitgemacht hat, studiert inzwischen aufgrund ihrer Erfahrungen mit den geflüchteten Kindern Soziale Arbeit.
Im vergangenen Jahr nahm Yukina am Projekt teil. Einmal in der Woche ging die 16-Jährige in ihre alte Grundschule in Bad Tölz und half den Kindern bei den Hausaufgaben. Eine Lehrerin unterstützte sie. „Manchmal hatte ich das Gefühl, dass die Kinder mich nicht so ganz ernst nehmen, wenn ich ihnen etwas gesagt habe“, räumt die Jugendliche ein. Aber insgesamt habe ihr die Hausaufgabenbetreuung Spaß gemacht.
Die 14-jährige Lisa macht in der Grundschule Wackersberg ähnliche Erfahrungen. Sie betreut seit diesem Jahr zwei Kinder, eines davon kommt aus der Ukraine. Weil ihre Mutter aus Russland kommt, fällt es Lisa leicht, auch sprachlich einen Zugang zu dem Grundschüler zu finden. „Vor allem an langen Tagen sind die Kinder hyperaktiv und die Konzentration lässt nach, weil sie müde sind“, erzählt Lisa. Dem wirkt sie entgegen, indem sie ihren Unterricht spielerisch gestaltet: So legt sie Zettel mit den Namen der Artikel - der, die, das - auf den Boden, sagt ein Wort und die Kinder müssen sich zum richtigen Artikel stellen. „Ich finde es schön, Menschen zu helfen“, sagt Lisa. „Gerade Kinder können noch viel lernen, und gleichzeitig ist es für sie besonders schwer, sich hier einzufinden. Deshalb möchte ich ihnen Unterstützung bieten.“
Multiplikatorinnen der Nächstenliebe
„Migration ist eine Tatsache, man kann sie nicht mehr leugnen“, stellt Lehrer Martino klar. Mit ihren Möglichkeiten täten die Mädchen alles dafür, den Grundschülern ein friedliches Miteinander zu ermöglichen. Er sieht sie als „Multiplikatorinnen für Werte wie Nächstenliebe“, denn sie zeigen, wie wichtig es ist, „aufeinander zuzugehen“.
Erzbischof Dr. Stefan Heße und Dr. Irme Stetter-Karp mit den Preisträgern des Katholischen Preises gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in Dresden
Kürzlich erreichte das Projekt „Mädchen für Migranten“ den dritten Platz des Katholischen Preises gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Im Herbst letzten Jahres reichte Martino Unterlagen ein, die die Arbeit der letzten 14 Jahre belegen. Kurz vor Ostern erhielt er einen Anruf von der Deutschen Bischofskonferenz: „Da wurde mir mitgeteilt, dass wir den dritten Platz gewonnen haben. Wir waren alle sehr überrascht und haben uns riesig gefreut.“ Bei der Preisverleihung in Dresden wurden der Lehrer und seine Schülerinnen sehr wertschätzend empfangen. „Wir sehen die Auszeichnung als große gesellschaftliche und innerkirchliche Anerkennung. Sie motiviert uns, weiterzumachen.“
Text: Maximilian Lemli, Redakteur beim Sankt Michaelsbund, Juli 2023