Freiwillig weg Caroline Auer über ihre Erfahrungen beim Internationalen Freiwilligendienst

Ein Jahr lang in einem südamerikanischen Land leben und sich für ein soziales Projekt engagieren: Das ermöglicht der Internationale Freiwilligendienst der Erzdiözese München und Freising. Seit 1. Februar 2020 kümmert sich Caroline Auer um neue und ehemalige Freiwillige. Sie selbst war von August 2014 bis August 2015 in Ecuador – und würde es jederzeit wieder machen. Hier erzählt die 27-Jährige von ihren Erfahrungen.
Jugendarbeit in Ecuador
Vertrauen und Geschwisterlichkeit - prägende Erfahrungen, die Caroline Auer in Ecuador machen durfte.
Was war das einschneidendste Erlebnis auf ihrem Auslandaufenthalt?
Das war, als ich in den Regenwald gefahren bin, um dort ein Wochenende bei Jugendlichen zu verbringen, um sie auf die nationale Jugendwallfahrt vorzubereiten. Sie nahmen mich auf, als sei ich schon immer ihre beste Freundin gewesen. Ohne mich zu kennen. Dieses Vertrauen zueinander, diese Festigkeit im Glauben und diese Geschwisterlichkeit haben mich sehr beeindruckt. Das war immer wieder in Ecuador ein Erlebnis, aber im Regenwald waren Gastfreundschaft und das Willkommen besonders groß. Ein Geschenk.

Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie über den Internationalen Freiwilligendienst ins Ausland gegangen sind?
Ich war sehr aktiv in der Jugendarbeit meiner Heimatpfarrei. Dazu habe ich eine Ausbildung zur Erzieherin gemacht. Schon währenddessen hatte mich das Fernweh gepackt. Ich wollte immer gerne nach Südamerika. Dabei war mir ein kirchlicher Rahmen wichtig. Hier ist das Angebot der Erzdiözese perfekt. Außerdem wollte ich mich gerne einbringen, um zu unterstützen – wobei mir schon bewusst war, dass ich viel mehr lernen würde, als ich überhaupt gebe kann.

Was haben Sie gelernt – und mitgenommen?

Vor allem die Gemeinschaft. Es gibt nicht das ständige Denken an die Arbeit, ich muss noch das und das erledigen; es geht ums Miteinander. Dann die Aufmerksamkeit und Offenheit gegenüber anderen Kulturen. Und natürlich die herzliche Gastfreundschaft. Wir sind hierzulande ja eher distanziert. Auch wenn es um den Glauben geht. In Ecuador reden die Menschen offen darüber, Jugendliche haben daran viel Freude. Die Erfahrungen haben mich in der Entscheidung bestätigt, zu studieren und einen pastoralen Beruf zu ergreifen.
Jugendtreffen in Ecuador 2014
Jugendtreffen 2014
Konnten Sie schon Spanisch, als Sie das Jahr antraten?
Ich habe zwar einen Kurs belegt, aber im Grund konnte ich nur zwei Sätze: „Ich heiße Carolin.“ Und: „Ich habe Hunger.“ Die ersten drei Wochen lebte ich in der Hauptstadt Quito bei einer Gastfamilie und belegte einen Spanischkurs an Universität mit anderen Freiwilligen. Der Kurs war gut, aber besonders viel habe ich im Umgang mit der Gastfamilie gelernt.

Müssen sich Jugendliche auf einen Kulturschock gefasst machen?
Die Ankunft in Quito war für mich ein Aha-Erlebnis. Ich dachte nämlich, Ecuador sei in der Entwicklung nicht so weit wie wir. Die Stadt ist aber modern und sehr westlich geprägt. Dann gab es aber doch noch einen kleinen Kulturschock, als ich bei Gemeinschaften auf dem Land Naturreligionen kennen lernte.

Inwiefern?
Die Gemeinschaften vor allem im Regenwald haben ihre eigenen Rituale und leben diese auch. Diese sind in die katholische Kirche integriert, aber für uns doch fremd. Bei der Ankunft wurden einem zum Beispiel als erstes Geister ausgetrieben.

Wie sah das aus?
Wir Freiwilligen wurden vor den Altar gestellt. Der Häuptling kam, sprach Gebete und vertrieb damit und mit einem Palmwedel mögliche unheilsame Geister. Es ging darum, gereinigt in die Gemeinschaft einzutreten, um die Kultur aufnehmen zu können. Erst sind die Rituale befremdlich. Aber wenn man mit den Leuten darüber spricht, werden sie verständlich.
Jugendwochenende in Ecuador
Jugendwochenende (Foto: privat)
Welche Aufgaben hatten Sie als Freiwillige?
Ich war vor allem für die Jugendarbeit zuständig, im Büro in der Bischofskonferenz, die die Jugendstellen in den verschiedenen Diözesen vernetzt. Mit dem Koordinator, meinem Chef, reiste ich viel in die Pfarreien, zum Beispiel um die nationalen und diözesanen Treffen mit den Verantwortlichen in der Jugendarbeit im Land vorzubereiten. Dann kümmerte ich mich um die nationale Wallfahrt, die im Juli einen Monat vor meinem Heimflug mit 15.000 Jugendlichen anstand. Wir trafen uns monatlich, unter anderem setzten wir uns mit verschiedenen Bibelstellen auseinander. Es ging aber auch viel um Organisation. Dabei war es kein Problem, für die vielen Jugendlichen Gastfamilien zu finden.

Für alle 15.000 Jugendlichen?
Ja, in Manta, einer Hafenstadt der Küstenregion. Das weitete mir nochmal den Blick: Ich bin nicht sicher, ob in Deutschland eine Stadt mit gut 200.000 Einwohnern so viele Jugendliche aufnehmen würde. Dort war es selbstverständlich. Und überall, wo wir auftauchten, konnten wir wohnen und bekamen zu essen.

Hatten Sie auch schwere Zeiten?
(überlegt länger) Als ich bei meiner Gastfamilie auszog und mit einem zweiten Freiwilligen eine WG gründete. Dass die behütete Umgebung auf einmal weg war, fiel mir anfangs schwer. Mein Spanisch war auch noch nicht so gut, bei der Arbeit an unserem Projekt habe ich nicht alles verstanden.

Fühlten Sie sich auch einsam?
Nein, nie. Es gibt dort so viele Menschen, die sich um einen kümmern. Egal wo du hinkommst, wirst du aufgenommen und findest sofort Freunde. Einsamkeit funktioniert in Ecuador nicht – höchstens wenn man sich verkriecht. Sobald man nach draußen geht, wird man angesprochen. Auch auf Busfahrten habe ich viele gute Gespräche mit Fremden geführt. Die Ecuadorianer laden einen sehr schnell ein.

Bestehen noch Freundschaften?
Ich habe regen Kontakt mit meiner Gastfamilie und auch zu Menschen aus den Pfarreien. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht eine Nachricht aus Ecuador bekomme oder selbst eine schreibe.
Jugendwallfahrt 2015
Jugendwallfahrt 2015 (Foto: privat)
Würden Sie jedem empfehlen, ein Jahr zu machen?
Jedem nicht. Man muss schon belastbar sein und offen sein. Es bedarf auch einer gewissen Flexibilität, sich auf einfache Lebensumstände im Gastland einzulassen. Man muss nicht katholisch sein, aber die Bereitschaft ist wichtig, in einem katholischen Umfeld zu leben. Und man muss engagiert sein, sich intensiv vorzubereiten, einen Solidaritätskreis zu gründen und sich im Anschluss ehrenamtlich zu betätigen.

Abschließend: Wieso sollten Jugendliche den Freiwilligendienst machen?
Er bietet eine gute Möglichkeit, um den eigenen Blick zu weiten und – wieder heimgekehrt – in der Gesellschaft in Deutschland, die immer vielfältiger wird, gut Fuß zu fassen. Man bekommt eine neue globale Sicht, die auf Freundschaft basiert. Es geht nicht einseitig darum, das andere Land zu unterstützen, sondern um den geschwisterlichen Geist des Miteinanders. Ich glaube, dass der Dienst für Jugendliche viel im Leben ändern kann durch die Begegnungen und die Möglichkeit, in eine fremde Kultur einzutauchen. Er ist vielmehr ein Geschenk für die Freiwilligen selbst als eine Gabe für andere.

Das Interview führte Sandra Tjong, freie Redakteurin.

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