Cybermobbing – eine wachsende Herausforderung Welche Formen es annimmt und wo Betroffene Hilfe bekommen

Immer mehr Jugendliche und Erwachsene werden Opfer von Cybermobbing – ein Problem, das durch die ständige Verfügbarkeit digitaler Medien weiter zunimmt. Doch was genau ist Cybermobbing, welche Folgen kann es haben und wie kann man sich schützen?
 
Vorne sitzend: Chantal (links) und Theresa; hinten stehend: Lisa (von links), Marie, Verena, Lehrerin Daniela Wolf
Vorne sitzend: Chantal (links) und Theresa; hinten stehend: Lisa (von links), Marie, Verena und Lehrerin Daniela Wolf von der erzbischöflichen Mädchenrealschule Heilig Blut
Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass immer mehr Jugendliche und Erwachsene Opfer von Cybermobbing werden. „Jedes sechste Schulkind in Europa ist davon betroffen“, sagt Josef Strauß, kommissarischer Leiter der Fachstelle Medien und Digitalität im Ordinariat  der Erzdiözese Freising und München, und bezieht sich damit auf eine Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 2024. In einem medienpädagogischen Online-Format für Mitarbeiter des Ordinariats griff er das Thema deshalb auf und informierte umfassend darüber. „Das Thema ist nicht neu, Mobbing gab es auch bisher“, sagt er. Mit den Techniken der Neuen Medien gebe es aber noch viel mehr Möglichkeiten, so ein Verhalten an den Tag zu legen.
 

Was versteht man überhaupt unter Cybermobbing?

„Es ist ein absichtliches, systematisches und meist längerfristiges aggressives Handeln gegenüber anderen mittels digitalen Kommunikationsmedien“, sagt Strauß. Also auf Kanälen wie Whatsapp, Instagram, Tiktok, Snapchat, Youtube und Co. Es könne viele Formen annehmen – von Beleidigung, Belästigung bis hin zu Verleugnung und Androhung von Gewalt. Dabei kann der Anlass ganz unterschiedlich und auch unerwartbar sein. „Es kann Jugendliche treffen, weil sie anders aussehen oder eine Eigenschaft haben, mit der sie anecken“, sagt Strauß. Das werde dann in Foren, etwa im Klassenchat aufgegriffen und schlecht gemacht.

„Es können auch Kleinigkeiten sein – man postet ein Foto und jemand schreibt darunter ,Du hast voll den hässlichen Pickel‘, den man selbst gar nicht bemerkt hat“, sagt Lisa aus der 9a an der erzbischöflichen Mädchenrealschule Heilig Blut in Erding. Sie ist eine der fünf Medientutorinnen aus ihrer Klasse, die dieses Schuljahr mit Informatiklehrerin Daniela Wolf in je einer Doppelstunde Medientalk die Fünft- und Sechstklässlerinnen zum Thema Cybermobbing schulen. Auch an der Schule ist man sich dessen bewusst, wie wichtig es ist, die Schüler über das Thema zu informieren.
 

Ein Fallbeispiel, das sensibilisiert

Wolf und die Tutorinnen zeigen etwa den Jüngeren in dem besonderen Medienunterricht als Fallbeispiel ein Video eines Mädchens, das eine Modelkarriere starten wollte und das Opfer von Cybermobbing wurde. Sie bekam über Instagram und Youtube „böse Kommentare, sie sei hässlich, bis hin zu Morddrohungen“, wie Theresa, eine weitere Medientutorin erzählt. Die Neuntklässlerinnen fragen die jungen Schülerinnen auch nach der eigenen Handynutzung und klären sie auf, wie sie sich schützen können. „Wir sagen ihnen, dass es oft nicht bei bösen Kommentaren bleibt, sondern viel weitergehen kann wie bei dem Mädchen“, sagt Theresa. Sie wollen sie einerseits sensibilisieren, vorsichtig zu sein, was sie selbst posten, aber auch dafür, dass man gewisse Dinge nicht schreiben sollte, weil sie eine unberechenbare Verbreitung finden können.

Die Neuntklässlerinnen lassen die Jüngeren auch von eigenen Erfahrungen erzählen, wenn sie das möchten. Eine der fünf Tutorinnen selbst ist auch schon Opfer geworden. Ein ehemaliger Klassenkamerad aus der alten Schule postete gemeine Kommentare über ihre Figur und verbreitete Gerüchte über sie, die nicht stimmten.
 
Josef Strauss, kommissarischer Leiter der Fachstelle Medien und Digitalität im Ordinariat der Erzdiözese Freising und München
Josef Strauß von der Fachstelle Medien und Digitalität
im Ordinariat der Erzdiözese Freising und München
Vor zehn Jahren wäre ihr das vielleicht noch nicht passiert, denn die Fälle von Cybermobbing nehmen zu. Während 2018 noch 12 Prozent der befragten Jungen und 13 Prozent der befragten Mädchen angaben, schon Cybermobbing erlebt zu haben, waren es 2024 schon 15 und 16 Prozent, wie es in der von Strauß angeführten WHO-Studie und der Vergleichsstudie von 2018 heißt. Dabei sind keineswegs nur Kinder und Jugendliche betroffen. Laut Zahlen des Vereins Bündnis gegen Cybermobbing lag die Quote der befragten Erwachsenen in Deutschland mit Cybermobbing-Erfahrung 2021 bei 11,5 Prozent. Besonders in den Bereichen Ausbildung und Schule hatten die Befragten schon Erfahrung gemacht (19 Prozent) und in Serviceberufen (16 Prozent).

Ursachen für den Zuwachs sieht Strauß mehrere. Einerseits nennt er den Anstieg der Mediennutzung allgemein. Weil man immer das Smartphone dabei habe, schnell ein Foto posten oder auf etwas antworten könne, steige auch die Gefahr des Cybermobbings. Außerdem vermutet er den „Trend zur Verrohung“ im Umgang miteinander. Es wirke sich auch der Umstand aus, dass der Täter nicht mitbekomme, wie das Opfer reagiert. Es fehle die Bremse. „Das macht es so gefährlich“, sagt er. Dabei ist auch die Reichweite ganz unterschiedlich. Während Posts oder Videos im Klassenchat noch in einem „relativ geschlossenen Bereich“ bleiben, sind sie auf Kanälen wie Instagram oder Tiktok „schnell geteilt und völlig unaufhaltsam“, warnt er.
 

Die Folgen von Cybermobbing

Dabei können die Folgen, wenn man Opfer geworden ist, ganz unterschiedlich sein. Manche ziehen sich zurück, werden sogar im Kontakt face-to-face ausgegrenzt. „Manche erleiden auch psychische oder psychosomatische Veränderungen bis hin zu Suizidgedanken“, sagt Strauß. Die Medientutorin von der Erdinger Schule, die selbst gemobbt wurde, versuchte die Attacken zu ignorieren, es sei aber immer schlimmer geworden und ihr ging es sehr schlecht damit. Sie hörte auf zu essen, wie sie erzählt. Erst nach zwei oder drei Monaten vertraute sie sich ihrer Mutter an. „Das ist oft so, dass die Betroffenen das erst einmal für sich behalten“, weiß Informatiklehrerin Wolf.

Dabei sind sich die Lehrerin, die Schülerinnen und Medienexperte Strauß einig: Es ist wichtig, sich Hilfe zu holen. Die Tutorinnen wollen den Jüngeren mitgeben, dass sie sich jemandem anvertrauen, „damit sie nicht alles mit sich selbst ausmachen müssen“, sagt Lisa aus der 9a. „Wir raten ihnen, Eltern, Lehrer und Schulpsychologen zu kontaktieren“, sagt Lehrerin Wolf. Strauß empfiehlt außer sich eine Vertrauensperson zu suchen auch, sich zu überlegen, wie man gut reagiert. Am besten sei es, zunächst nicht zu reagieren. Vielleicht genüge das, dass die Belästigung aufhört. Man sollte das Mobbing auch dokumentieren, sagt er. Also etwa Screenshots von Posts machen. Auch sollte man den Kontakt blockieren, von dem das Mobbing ausging. Oft gebe es auch die Funktion, einen Beitrag zu melden.
 

Hilfe bei Cybermobbing

Sollte all das nicht genügen, empfiehlt Strauß als Anlaufstellen verschiedene Institutionen. Man finde Hilfe beim Opfertelefon der Organisation „Weißer Ring“ unter der Nummer 116 006 oder bei der Beratung „Nummer gegen Kummer“ (www.nummergegenkummer.de). Auch rät er zu verschiedenen Stellen im Internet. Er nennt etwa Jugendschutz-Net (www.jugendschutznet.de), wo man Verstöße melden kann. Er empfiehlt auch die Seite des Vereins Cybermobbinghilfe (www.cybermobbing-hilfe.de), der von einem jungen Mann initiiert wurde, der selbst in der Schulzeit gemobbt wurde. Dort kann man sich online beraten lassen. Strauß rät zudem zur Erste-Hilfe-App für Jugendliche von Klicksafe, eine EU-Initiative zur Förderung der Online-Kompetenz (www.klicksafe.de). Diese App empfehlen auch Wolf und die Tutorinnen den Jüngeren. Wie Strauß sagt, gebe es auf vielen Seiten auch eigene Bereiche für Jugendliche und für Erwachsene, auf Klicksafe etwa.

Besser ist es freilich, dass es gar nicht so weit kommt. Strauß plädiert daher für mehr Prävention. Man sollte Kinder und Jugendliche nicht an Geräte wie Smartphone und Co. lassen, „ohne dass eine Aufklärung, Information und Einführung stattfindet“, sagt er. Er hält es wie die Gesellschaft für Informatik, die in ihrem Dagstuhl-Dreieck unter anderem fordert, dass Medienbildung in allen Schulfächern Thema sein sollte.

Daniela Bode, freie Redakteurin, März 2025

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