Ajab Zadran ist 22 Jahre alt. Er stammt aus Afghanistan und kam im September 2012 als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach München. Damals wurde Jürg Zieger zu seinem Vormund bestellt. Der Sozialpädagoge, der für die Abteilung Vormundschaften / Pflegschaften des
Katholischen Jugendsozialwerks München (KJSW) arbeitet, traf sich in den folgenden Jahren regelmäßig mit seinem Mündel. Neben Fragen der Schule und der Berufsausbildung ging es dabei vor allem um das Asylverfahren des Jugendlichen, der als Flüchtling anerkannt wurde.
Als Ajab volljährig wurde, durfte er seine rechtlichen Angelegenheiten alleine regeln. Die beiden haben sich länger nicht gesehen. Nun ist Ajab wieder bei Jürg Zieger, denn er hat einen Brief vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erhalten. Darin heißt es, dass geprüft werden solle, ob die Erteilungsvoraussetzungen noch Bestand hätten. „Ich verstehe nicht, was das heißt“, erklärt der junge Mann. „Deshalb habe ich mit Herrn Zieger einen Termin ausgemacht.“
Das KJSW unterstützt unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, auch noch im Erwachsenenalter. (Foto: pixabay / fsHH)
Jürg Zieger freut sich, dass Ajab auch heute noch Vertrauen zu ihm hat. Beide haben die Zeit, als Zierer Ajabs Vormund war, als spannende Jahre in Erinnerung. „Ich war nicht gut in der Schule und konnte auch keine Ausbildung machen“, gesteht der junge Mann. Doch heute hat er eine solide Basis für sein Leben gefunden. Ajab arbeitet seit einigen Jahren als Küchenhelfer in einem Münchner Restaurant. Dort hat er einen netten Chef und arbeitet in einem internationalen Team.
Mittlerweile lebt er auch in einer eigenen kleinen Wohnung. Ajab hat Freunde und seinen Lebensmittelpunkt in München. Doch der junge Mann mit dem schüchternen Lächeln ist vom Brief des BAMF verunsichert. „Heißt das, dass ich nicht mehr arbeiten darf?“ Jürg Zieger weiß, dass die Behörden solche Überprüfungen routinemäßig vornehmen. Er empfiehlt Ajab einen Rechtsanwalt, der auf Asylverfahren spezialisiert ist und er stellt den Kontakt zwischen beiden her. Der Anwalt übernimmt den Fall.
Jürg Zieger und Ajab bei einer Beratung im Katholischen Jugendsozialwerk München. (Foto: Riffert)
Beim Katholischen Jugendsozialwerk München gibt es seit kurzem eine „Beratungsstelle für unbegleitete heranwachsende Ausländer“, die voll von der Erzdiözese München und Freising finanziert wird. Hier werden mittlerweile 30 junge Leute über 18 Jahre betreut. Ihre Zahl steigt laufend.
Die Heranwachsenden, die meist Männer sind, kommen mit ganz unterschiedlichen Themen: Einige haben wie Ajab Fragen zu Behördenschreiben. Andere brauchen Unterstützung bei der Regelung ihrer Finanzen. Auch der Rat von erwachsenen Vertrauenspersonen zu vielen Fragen rund um den Ausbildungs- oder Arbeitsplatz ist gefragt. Das Beratungsangebot fängt da an, wo die Führung von Vormundschaften bei Minderjährigen endet und oft auch sonst kein Angebot für die jungen Erwachsenen greift.
„Man muss sich nur einmal kurz daran erinnern, wie es einem selbst ergangen ist, als man gerade volljährig war“, gibt Carina Reb zu bedenken, die die Abteilung Vormundschaften / Pflegschaften des KJSW leitet. „Man musste sich plötzlich um alles selbst kümmern: von der Krankenversicherung über das Bankkonto bis hin zum Ausbildungsvertrag. Wir hatten aber Eltern, die uns auch nach Erreichen der Volljährigkeit zur Seite standen. Und wir waren Muttersprachler.
Junge Geflüchtete haben aber oft auf einen Schlag niemanden mehr, der ihnen hilft, sobald sie 18 sind. Und sie verstehen Behördenbriefe meist nicht gut, auch wenn sie sonst passabel Deutsch sprechen. Deshalb ist es von der Erzdiözese München und Freising sehr vorausschauend, gerade für diese Altersgruppe ab 18 Jahren ein Beratungsangebot zu ermöglichen.“
Mittlerweile neigt sich das Gespräch zwischen Ajab und Jürg Zieger dem Ende zu. „Bitte informiere mich, wie das Gespräch beim Rechtsanwalt gelaufen ist“, sagt Jürg Zieger zu Ajab. Der nickt, spürbar erleichtert, dass er nicht allein gelassen wurde. Beim Hinausgehen hat er schon wieder ein etwas zuversichtlicheres Lächeln im Gesicht.
Text: Gabriele Riffert