Nahezu einzigartig in Deutschland: Ein Bistum - zwei Kathedralen Nur drei andere deutsche Bistümer können mit zwei Kathedralen aufwarten. Warum das Erzbistum über einen "alten" und einen "neuen" Dom verfügt

In diesem Jahr feiert die Erzdiözese München und Freising ihr 200. Jubiläum. Ein Anlass, sich nicht nur mit der reichen Geschichte dieses Erzbistums zu beschäftigen, sondern auch mit einigen Besonderheiten: zum Beispiel, dass es zwei Bischofskirchen gibt.
Auf dem Bild ist eine historische Ansicht des Freisinger Dombergs zu sehen.
Der Freisinger Domberg. Kupferstich von Franz Xaver Jungwierth nach einem Gemälde von Johann Baptist Deyrer, um 1772
 
Zwei Dome, auch „Kathedralen“ genannt, in einem Bistum, das bedarf der Erklärung: Von ihrer Bedeutung her ist die Kathedrale (von lateinisch cathedra, etwa „der Bischofssitz“) die Bischofskirche, in der das Oberhaupt eines Bistums residiert. Fast ein Jahrtausend lang war das im Bistum Freising die Kirche auf dem Freisinger Domberg. Dann wanderte der Titel nach München und erst in jüngerer Zeit bekam Freising zumindest den Titel einer „Konkathedrale“. Ähnliche Konstrukte gibt es in Deutschland nur noch im Bistum Dresden-Meißen (Kathedrale Ss. Trinitatis in Dresden, Konkathedrale St. Petri in Bautzen) und im Bistum Rottenburg-Stuttgart, (Kathedrale St. Martin in Rottenburg am Neckar, Konkathedrale St. Eberhard in Stuttgart). Die einzige weitere Konkathedrale in Bayern – neben Freising – ist St. Peter in Dillingen an der Donau, die als Konkathedrale für den Augsburger Dom zum heiligsten Herzen Jesu dient.
 
Auf dem Foto sieht man den Dom zu Freising.
Die heutige Konkathedrale in Freising kann eine beeindruckende Geschichte als Bischofssitz vorweisen.
Herabstufung vom Bischofsdom zur Pfarrkirche

Die heutige Konkathedrale in Freising kann eine beeindruckende Geschichte als Bischofssitz vorweisen: Im Jahr 739 beauftragte der Papst den Heiligen Bonifatius die vier bayerischen Bistümer zu errichten. Damit wurde die Marienkirche oben auf dem Freisinger Burgberg (erbaut von Herzog Theodo um 715) zur Bistumskirche. Etwa um das Jahr 860 baute Bischof Anno die Kirche als Dom aus. Knapp 1.000 Jahre später setzte die Säkularisation der altehrwürdigen Geschichte des Freisinger Doms ein mehr oder weniger abruptes Ende.

Nach der Aufhebung des Bistums 1803 stand die Kirche längere Zeit leer. Erst mit dem Konkordat von 1817 zwischen Staat und Kirche und der Neugründung des Erzbistums München und Freising 1821 rückte die Domkirche wieder in den Fokus der Öffentlichkeit. Aus Sicht der Bevölkerung und des Klerus in Freising allerdings in negativer Hinsicht: denn der Kathedralen-Titel wanderte nach München zum Liebfrauendom, der Freisinger Dom wurde vom päpstlichen Nuntius offiziell zur einfachen Pfarrkirche herabgestuft.

Schon seit längerem hatte die bayerische Staatsregierung das Ziel verfolgt, den Bischofssitz in die Hauptstadt des Königreichs zu holen. Alle Petitionen und Eingaben der Freisinger an den König und sogar den Papst halfen nichts: zu guter Letzt schloss sich auch Papst Pius VII. der Argumentation der bayerischen Staatsregierung an, es gehöre sich, dass die Hauptstadt auch Bischofssitz sei.
 
Auf dem Foto ist der Turm des Doms zu Freising zu sehen. Daneben sieht man die Statue des heiligen Korbinian
Auch das Fest des Bistumpatrons Korbinian feiern die Gläubigen noch heute im Dom am Berg.
Späte Genugtuung
 
Als kleiner Ausgleich wurde die Priesterausbildung auf den Freisinger Domberg verlegt und seit 1846 wurden auch die Priesteramtskandidaten in Freising geweiht. Auch das Fest des Bistumspatrons Korbinian feiern die Gläubigen noch heute im Dom auf dem Berg. Ein neuerlicher Rückschlag traf die Freisinger allerdings Ende der 60er Jahre, als Kardinal Julius Döpfner beschloss, die Priesterausbildung nach München zu verlegen. Ein neues Konzept für den Domberg sah in der Folge vor, dass hier die Bildungseinrichtungen des Erzbistums untergebracht werden sollten: das Diözesanmuseum, das zentrale Bildungshaus, die theologische Fortbildung.
 
In den 70er Jahren nahm sich dann der damalige Erzbischof, Kardinal Joseph Ratzinger des alten Schmerzes der Freisinger an. Er war mit Freising auf vielerlei Weise verbunden: hier, an der Philosophisch-theologischen Hochschule hatte er angefangen zu studieren, hier hatte er seine erste Professorenstelle. Schon bei seiner Begrüßung 1977 würdigte der neue Erzbischof „den ungebrochenen Rang der alten Bischofsstadt“. Ratzinger stellte fest: „Freising ist nach wie vor Bischofsstadt, der Dom neben der Liebfrauenkirche in München die Kathedrale der Erzdiözese.“ Folgerichtig reichte der Erzbischof einen Antrag beim Heiligen Stuhl ein, den Freisinger Dom zur Konkathedrale erheben zu dürfen.
 
Status einer Konkathedrale
 
Der Antrag bei der Römischen Bischofskongregation hatte von Anfang an gute Chancen: Die diözesanen Bildungseinrichtungen auf dem Domberg, die jährliche Priesterweihe und das Korbiniansfest im Dom und schließlich die fast 1.000-jährige Geschichte des Gotteshauses führten dazu, dass dem Antrag stattgegeben wurde.
 
Unter Ratzingers Nachfolger Kardinal Wetter bekam die Kirche auf dem Domberg am 20. Februar 1983 den Status einer „Konkathedrale“ und führt ihn immer noch. Wegen seiner Bildungsangebote und der Wallfahrten ist die Konkathedrale im Volksmund immer noch der Freisinger Dom – während der Dom in München noch oft als „Liebfrauenkirche“ bezeichnet wird.
 
Willi Witte, Redakteur beim Sankt Michaelsbund, Juli 2021
 
200 Jahre Erzbistum München und Freising
In einem Video stellt Dr. Roland Götz, stellvertretender Direktor Archiv und Bibliothek, das Erzbistum vor: