In den vergangenen Jahren hatte ich den Eindruck, dass der Abendmahlsgottesdienst am Gründonnerstag am wenigsten besucht war von den „großen“ Gottesdiensten an Ostern. Verständlich – ist es doch für die meisten ein normaler Werktag, viele müssen arbeiten und oft wird die Uhrzeit auch zu früh am Abend gewählt, so dass zum Beispiel Beschäftigte im Einzelhandel nicht teilnehmen können. Vom Inhalt her ist es ein großartiger Einstieg in das Ostergeheimnis, in die drei österlichen Tage, wie sie genannt werden, so meine ich. Heuer können wir uns leider gar nicht treffen, um miteinander Ostern zu feiern. Es bleibt die Aufgabe jeder Einzelnen / jedes Einzelnen, mit der eigenen Kreativität und dem von Gott in uns gelegten Vertrauen die „Feier vom Leiden, Tod und Auferstehung Jesu“ zu Hause zu begehen.
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Gerade in der aktuellen, völlig außergewöhnlichen Situation trifft die Botschaft des Gründonnerstags besonders gut, so meine ich. „Liebt einander, wie ich euch geliebt“, so die knappe, auf den Punkt gebrachte Botschaft Jesu, mit der er sein ganzes Wirken zusammenfasst und mit der Fußwaschung seiner Jünger ein eindrückliches Zeichen setzt. Liebt einander – das kann in dieser Gesundheitskrise ganz unterschiedliche Formen haben – wir bekommen es im Radio und in den Medien immer wieder zu hören: Zu Hause bleiben, damit die Verbreitung des Virus verlangsamt wird und ich andere schütze; nur die notwendigen Besorgungen erledigen und spazieren gehen oder Sport treiben, sich eben keine Tricks und Schlupflöcher überlegen; als Pfleger, Ärztin o.ä. arbeiten; im Lebensmittelladen Regale auffüllen oder kassieren; als Journalist*in uns mit Informationen versorgen. Die Rangfolge der „wichtigen“ oder wie jetzt oft gesagt wird, der „systemrelevanten“ Tätigkeiten ist neu sortiert oder zeigt sich jetzt besser?
Es kommt jetzt darauf an, als Gesellschaft zusammenzuhalten. „Das ist nicht mein Job“, wie wir gerne einmal sagen, ist da fehl am Platz. Plötzlich helfen Menschen, die noch nie in der Landwirtschaft tätig waren, beim Spargel stechen, Seelsorger*innen verteilen Postwurfsendungen, ich kaufe für ein älteres Ehepaar in der Nachbarschaft ein oder eine Friseurin sagt „Ich schätze jetzt jede Tomate, wenn ich im Supermarkt bin“, nachdem sie in einer Gärtnerei bei der Ernte geholfen hat. „Wer bei euch groß sein will, der soll euer aller Diener sein“, sagt Jesus. Da ist kein Platz für Machtstrukturen und Hierarchie.
Bei all den Zumutungen, die uns die augenblickliche Situation mit „social distancing“ auferlegt und dem heftigen Schmerz, den jedes Opfer dieser Pandemie bei den Menschen reißt, die jemanden verloren haben, den sie geliebt haben, sehen wir heute auch die große Kreativität, die vielfach anzutreffende Vernunft, die große Bereitschaft, sich gegenseitig zu helfen und die nicht erloschene Hoffnung dieser Tage. Gott hat Liebe in uns gesetzt, das gilt auch in dieser Zeit, selbst, wenn wir es oft nicht spüren und erleben können. Diese Liebe können und dürfen wir anderen Menschen zeigen – nicht zuletzt denen, die uns ganz nahe stehen – denen, mit denen wir zusammen wohnen.
Text: Christian Vidović
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