Für den 19-jährigen Luca Lepore ist der Gesang ein wichtiger Teil des Glaubens. Dabei geht es ihm nicht nur um eine persönliche Beziehung zu Gott, sondern vor allem um das Gemeinschaftserlebnis.
Chorsänger Luca Lepore beim Konzert
„Barabbas aber war ein Mörder …“, schallt es durch die Stadtkirche St. Georg in Freising. Hier probt Luca Lepore für die Aufführung der Johannespassion. Begleitet wird er von zwei Sängern in den Rollen Jesus und Pilatus, einem Organisten und einer Cellistin. Alle anderen Mitwirkenden stoßen erst zur Generalprobe dazu. Der 19-jährige Schulmusikstudent stellt den Evangelisten Johannes dar und führt als Erzähler durch das Stück. Dirigent Max Nockmann gibt ihm den Rat, sich stimmlich etwas zurückzunehmen: „Vorhin war es zu zart, jetzt etwas übertrieben gesungen“, meint er und singt ihm genau vor, wie er das Wort „Mörder“ nicht zu sehr überbetont.
In der Johannespassion von Johann Sebastian Bach werden Gefangennahme und Kreuzigung Jesu aus der Sicht des Evangelisten Johannes dargestellt. Der Erzähler singt Rezitative, in denen die Handlung beschrieben wird. Zwar ist der Grundrhythmus vorgegeben, aber die Texte sind frei von Metrik. So kann Lepore selbst entscheiden, wie schnell er singen will. Auch die Musiker, hauptsächlich der Generalbass, der bei dieser Aufführung aus Orgel, Cembalo und Bass besteht, spielen nur Akkorde. Die anderen Hauptrollen, Jesus und Pilatus, aber auch Nebencharaktere wie Petrus, ein Diener oder eine Magd, lassen in Arien Geschehenes aufleben, veranschaulichen also eine Emotion musikalisch.
Die 70 Chorsänger werden in verschiedene Ensembles aufgeteilt, zum Beispiel wie die Menge der Juden, die Pilatus anschreien: „Kreuzige ihn!“ Das Orchester besteht hauptsächlich aus Streichern, Holzbläsern, Flöten und Oboen. Blechbläser werden nicht eingesetzt, schließlich soll die Musik keine Triumph-Gefühle vermitteln.
Besonders wichtig in diesem Stück sind Orgel und Cello, deshalb sind sie bei der Probe im kleinen Kreis schon dabei. Sie bilden das sogenannte Basso continuo, den Generalbass.
Lepore singt seit der vierten Grundschulklasse im Kirchenchor von St. Georg. Der Tenor betrachtet es als „große Chance, den Leuten so ein großes und schönes Werk darzubringen“. Nicht nur der Text, auch die musikalische Sprache bewegt ihn. Die anderen Solisten singen ebenfalls seit dem Grundschulalter im Freisinger Kirchenchor.
Wenn der 19-Jährige erzählt, erweckt er den Eindruck, als sei er schon lange nichts anderes gewöhnt, als zu singen. Souverän reflektiert er die Bedeutung, die Musik für ihn hat: „Der Gesang ist für mich eine ganz spezielle, andere Art, mit Gott zu reden, und ein wichtiger Teil meines Glaubens“, sagt er. Dabei sei es nicht entscheidend, ob er eine Passion oder einfache Kirchenlieder singe. „Musikalische Erlebnisse berühren Menschen viel mehr, als wenn etwas vorgelesen wird, weil man nicht nur Worte hört, sondern auch eine Emotion vermittelt wird.“ So komme man dem Glauben viel näher.
Auf seinen Glauben kommt er immer wieder zu sprechen. Aufgewachsen in einem christlichen Elternhaus, leitet er bis heute eine Ministrantengruppe. „Im Glaube findet man Halt und Erdung, wenn man auf der Suche ist“, meint er. Ihm ist nicht nur seine eigene Beziehung zu Gott wichtig, sondern insbesondere die Gemeinschaft mit anderen Gläubigen: „Wir sind vor Gott alle gleich und glauben an das Gleiche.“ Es sei beruhigend, „zu wissen, dass da noch jemand ist, der uns liebt. Als Schulmusikstudent freut er sich natürlich, wenn in der Kirche viel Musik angeboten wird. Aber er erhofft sich von der Kirche, dass sie den Gläubigen viele verschiedene Angebote macht. „Die Kirche sollte sich auch ein bisschen an die moderne Zeit anpassen, ohne auf Krampf zu versuchen, mit der Jugend mitzugehen.“
Ihn persönlich beeindrucken vor allem Menschen, die konsequent an ihrem Glauben festhalten. Vielleicht ist ihm deshalb die Gemeinschaft so wichtig, die er seit Kindertagen verspürt: „Hier finden sich Menschen zusammen, die an das Gleiche glauben und am selben Strang ziehen. Ich glaube, wenn das fehlt, dann fehlt auch ein wichtiger Halt in unserer Welt.“ Menschen, die zum Glauben an Gott finden wollen, sollte man nichts aufzwingen, sondern offen auf sie zugehen, meint er.
Aus der Kirche auszutreten, käme für ihn nicht in Frage: „Ich finde, der Glaube hat so viel für uns getan, uns vor allem in der Jugend den Weg geebnet. Ich habe der Kirche so viel zu verdanken, dass ich ihr auch etwas zurückgeben will.“ Natürlich sei er nicht immer mit jeder Entscheidung der Kirchenoberen einverstanden, aber letztlich sei doch der Glaube „das, worum es eigentlich geht“. Ihm würde vieles fehlen, wenn er seinen Glauben nicht mehr gemeinsam mit anderen Menschen erleben könnte. Deshalb erhofft er sich für sein ehrenamtliches Engagement auch keinen Lohn: „Es ist schön, wenn Jugendliche etwas für andere tun, ohne eine Gegenleistung dafür zu bekommen.“
Die Probe im kleinen Kreis neigt sich dem Ende zu. Bei der Aufführung am nächsten Tag werden mit Chor- und Orchestermitgliedern knapp hundert Mitwirkende beteiligt sein – und Lepore wird als Evangelist Johannes vom zentralen Teil seines Glaubens singen: der Hoffnung auf das ewige Leben.
Text: Maximilian Lemli, Redakteur Sankt Michaelsbund, März 2024