Das im Jahr 2010 vorgelegte externe Gutachten über Fälle sexuellen Missbrauchs im Erzbistum München und Freising hatte als Mechanismen, die Missbrauch ermöglichten und begünstigten, Vertuschung, Versetzung von Beschuldigten auf andere Stellen und ein Versagen des Verwaltungshandelns dokumentiert. Zudem wurde eine lückenhafte Aktenführung moniert.
Aus diesem Gutachten hat die Erzdiözese Konsequenzen gezogen und kontinuierlich in den Bereichen Aufarbeitung, Intervention und Prävention gehandelt bzw. diese weiterentwickelt. Es gilt eine Null-Toleranz-Politik gegenüber den Tätern, eine konsequente Unterstützung der von Missbrauch Betroffenen und eine hohe Gewichtung von Prävention. Alle Verdachtsfälle von Grenzverletzungen, sexuellen Übergriffen und sexuellem Missbrauch werden zur Anzeige gebracht. Die dienst- sowie kirchenrechtlichen Konsequenzen werden gezogen. In den Bereichen Aufarbeitung, Intervention und Prävention wurden unter anderem die folgenden konkreten Maßnahmen etabliert:
Aufarbeitung:
In der Erzdiözese wurde eine
Aufarbeitungskommission gegründet, wie sie durch die im April 2020 verabschiedete
„Gemeinsame Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz und des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs“ vorgesehen ist. Neben zwei Betroffenen arbeiten eine Expertin und drei Experten aus Wissenschaft, Fachpraxis, Justiz und öffentlicher Verwaltung sowie eine Vertreterin des Diözesanrats und ein Vertreter der Erzdiözese mit. Die Expertin und die Experten wurden entsprechend den Vorgaben der Gemeinsamen Erklärung von der Bayerischen Staatsregierung vorgeschlagen. Die Kommission soll bereits begonnene Prozesse der Aufarbeitung fortführen und weiterentwickeln.
In der Erzdiözese gibt es einen unabhängigen
Betroffenenbeirat, der der kontinuierlichen und institutionalisierten Beteiligung von Betroffenen dient. Aufgabe ist die kritische Begleitung der Weiterentwicklung des Umgangs mit Fragen der sexualisierten Gewalt sowohl hinsichtlich der diözesanen Aufarbeitung, der Maßnahmen der Prävention als auch bezogen auf den Bereich der Intervention. Der Betroffenenbeirat hat die beiden Vertreter der Betroffenen in der unabhängigen Aufarbeitungskommission benannt.
Intervention:
Es gibt in der Erzdiözese zwei unabhängige Beauftragte, die als zentrale Erstansprechpartner für Verdachtsfälle auf Grenzverletzungen, sexuelle Übergriffe und sexuellen Missbrauch fungieren. Sie sind auch zuständig für die Entgegennahme von Anträgen auf Leistungen in Anerkennung des Leids. Die regelmäßigen
Berichte der unabhängigen Ansprechpersonen werden öffentlich dokumentiert. Sie enthalten unter anderem Informationen zu aktuellen Verdachtsfällen auf Grenzverletzungen, sexuelle Übergriffe und sexuellen Missbrauch sowie dem Umgang damit. Außerdem informieren sie über Anträge auf finanzielle Leistungen in Anerkennung des Leids, das Betroffenen sexuellen Missbrauchs zugefügt wurde.
Seit 2021 gibt es ein weiterentwickeltes Verfahren für finanzielle Leistungen in Anerkennung des Leids, das Betroffenen sexuellen Missbrauchs zugefügt wurde. Nicht mehr die (Erz-)Diözesen entscheiden über die Höhe der Leistungen, sondern die bundesweite tätige Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA). Anträge werden über die unabhängigen Ansprechpersonen der Diözesen und Erzdiözesen angenommen und an die
Unabhängige Kommission weitergegeben.
Zur Hilfe für die Betroffenen sexueller Gewalt gehören neben materiellen Leistungen auch therapeutische und seelsorgliche Angebote. Die unabhängigen Ansprechpersonen der Erzdiözese vermitteln an Fachstellen weiter oder auf Wunsch der Betroffenen auch an pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Betroffenen von sexuellem Missbrauch und körperlicher Gewalt seelsorglich zur Seite stehen. Möglich ist auch die Übernahme von Therapiekosten durch die Erzdiözese.
Prävention:
Im Erzbischöflichen Ordinariat München gibt es eine
Stelle zur Prävention von sexuellem Missbrauch, die im Jahr 2020 strukturell aufgewertet wurde und jetzt als Stabsstelle direkt beim Generalvikar angesiedelt ist. Aufgabe der fünf Mitarbeitenden ist es, die Aktivitäten zur Prävention sexualisierter Gewalt und Grenzüberschreitungen an Kindern, Jugendlichen und schutz- sowie hilfebedürftigen Erwachsenen im ganzen Erzbistum zu unterstützen und weiterzuentwickeln. Dazu gehören unter anderem Schulungen und Informationsangebote sowie die Etablierung verbindlicher Qualitätsstandards.
Alle pastoralen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, also Priester, Diakone, Pastoralreferenten und -referentinnen sowie Gemeindereferenten und -referentinnen, müssen im Rahmen ihrer Ausbildung an einem umfangreichen E-Learning zur Prävention von Grenzverletzungen, sexuellen Übergriffen und sexuellem Missbrauch teilnehmen, bei dem sie durch Lernbegleiter unterstützt werden. Es wurde in Kooperation mit der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie des Universitätsklinikum Ulm und dem Centre for Child Protection der Päpstlichen Universität Gregoriana mit maßgeblicher finanzieller Unterstützung der Erzdiözese entwickelt und anschließend für die Erzdiözese weiterentwickelt und angepasst. Das E-Learning-Curriculum wurde von einem externen Unternehmen evaluiert.
Die Befragung zur Akzeptanz und Wirksamkeit unter zahlreichen Nutzerinnen und Nutzern des Lernangebots ergab, dass digitale Lernformate, sofern diese begleitet werden, geeignet sind, auch in sensibleren Themenbereichen wie der Prävention sexualisierter Gewalt, die Teilnehmenden emotional zu erreichen und praxisnahes Wissen zu vermitteln.
Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Schulungen und Informationsveranstaltungen, die das Thema vertiefen oder weitere Aspekte in den Blick nehmen.
Die Stelle zur Prävention von sexuellem Missbrauch hat verschiedene Handreichungen,
Checklisten und Empfehlungen herausgegeben. Sie richten sich an hauptamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie an Ehrenamtliche und nehmen besonders die Arbeit in der Pfarrei sowie in Kindertageseinrichtungen in den Blick. Die Handreichungen unterstützen bei der Vorbeugung sexualisierter Gewalt und geben Hilfestellung beim Umgang mit Verdachtsfällen oder Grenzüberschreitungen.