Oktoberfestgottesdienst mit Weihbischof zu Stolberg Drei Schaustellerkinder werden getauft

Es gibt viele Möglichkeiten, Zeit auf dem Münchner Oktoberfest zu verbringen: ein Familientag inklusive Achterbahnfahrt, ein romantischer Spaziergang mit Lebkuchenherz und Riesenrad oder ein feucht-fröhlicher Zeltbesuch in geselliger Runde. Um zu beten, kommt hingegen wohl kaum jemand auf das größte Volksfest der Welt – normalerweise. Anders sieht es jährlich am Vormittag des ersten Wiesn-Donnerstags aus, an welchem traditionell der sogenannte „Wiesn-Gottesdienst“ gefeiert wird.
Wiesngottesdienst 2019
Weihbischof Rupert Graf zu Stolberg feiert den Oktoberfestgottesdienst im festlich geschmückten Marstall (Foto: Jürgen Sauer)
9 Uhr auf der Festwiese: Es ist beinahe noch menschenleer. Fahrgeschäfte, Zelte und Imbissbuden sind noch geschlossen. Doch vor dem Marstall-Zelt hat sich bereits eine lange Schlange gebildet. Hier findet der Wiesn-Gottesdienst, der schon seit 1956 Tradition hat, nun zum fünften Mal statt. Das Angebot richtet sich vor allem an Mitarbeiter des Oktoberfests, aber auch alle anderen sind eingeladen. „Es ist einfach immer wieder beeindruckend hier“, schwärmt beispielsweise Besucher Dietmar Schmidbauer. „Ich komme jedes Jahr hierher, denn ich habe einfach ein Faible für die Arbeit der Schausteller. Und für die Wiesn sowieso!“
Sascha Ellinghaus, Leiter der katholischen Circus- und Schaustellerseelsorge, hat im Voraus einen Großteil der Organisation des Gottesdienstes übernommen. „Wir versuchen, einen schönen, feierlichen Gottesdienst in der Atmosphäre des Festzeltes zu schaffen. Das bedeutet natürlich auch viel Aufwand und Mühe“, berichtet er. Der 47-Jährige ist kein gewöhnlicher Priester: „Ich habe keine Kirche vor Ort, in die ich einladen kann, sondern ich komme zu den Leuten. Ich feiere dort, wo sie leben und arbeiten, in ihrer Mitte, Gottesdienste und spende Sakramente.“ Ellinghaus weiß, wie anstrengend die zwei Oktoberfestwochen für die Schausteller sind. „Der Gottesdienst soll ihnen die Möglichkeit geben, eine Stunde Ruhe für sich zu finden, er soll durch das gemeinsame Singen, Beten und Feiern wieder Kraft geben, neu in den Trubel einzusteigen.“
Schließlich öffnen sich die Tore des Zeltes, und die Menschen strömen hinein. Die Bühne, auf der normalerweise die Festmusikanten ihren Stammplatz haben, fungiert heute als Altarraum. Bevor der Gottesdienst beginnt, steht allerdings noch etwas ganz Besonderes auf dem Programm: Drei Schausteller-Kindern wird die Taufe gespendet. Leo Kratzsch empfängt das Sakrament im evangelischen, Karl Heino Kinzler und Ella Hochreiter im katholischen Bekenntnis.

Segen für die "Pirateninsel"

Mit einem festlichen „Lobe den Herren“ eröffnet die Stadtkapelle Warendorf aus dem Münsterland im Anschluss den Gottesdienst. Hauptzelebrant ist der Münchner Weihbischof Rupert Graf zu Stolberg, der für diesen Anlass sogar die parallel stattfindende Deutsche Bischofskonferenz einen Tag früher verlassen hat. Gemeinsam mit ihm zelebrieren unter anderem Sascha Ellinghaus, der Leiter der katholischen Circus- und Schaustellerseelsorge, sowie die Regionalseelsorger Pater Paul Schäfersküpper und Pfarrer Manfred Simon. Für die evangelische Circus- und Schaustellerseelsorge ist Pfarrer Christian Edelmann vertreten. Das Festzelt ist gut gefüllt, unter den Gästen sind Münchner Stadträte, Festwirte und Vertreter der Schaustellerverbände.
„Es ist mir ein besonderes Anliegen, persönlich hier dabei zu sein und ein Zeichen zu setzen, dass das Oktoberfest nichts ist, was bei den Vertretern der Kirche Nasenrümpfen auslöst“, betont der Weihbischof zu Beginn. Christsein und Feiern sei kein Widerspruch, sondern gehöre zusammen. In seiner Predigt erinnert er die Festgemeinschaft an den Ursprung des Oktoberfestes, die Hochzeit von Prinzessin Therese. Die Beständigkeit der Hochzeit stehe auch heute noch in Verbindung mit dem auf den ersten Blick schnelllebigen, „unbeständigen“ Volksfest. „Dass einer Gesellschaft zum Feiern zu Mute ist, ist immer auch ein Ausweis dafür, dass sie stabil ist“, führt zu Stolberg aus. Zudem sei gerade die Unbeständigkeit des Schaustellerlebens ein Grund für die Sehnsucht nach echten, stabilen Beziehungen und Freundschaften. Sicherheit gebe stets der „Lebensanker in Gott“.
Der Gottesdienst wird mit der Bayernhymne feierlich abgeschlossen. Aber einen letzten Programmpunkt gibt es noch: Angeführt von der Warendorfer Stadtkapelle bilden die Geistlichen, begleitet von Gottesdienstbesuchern und Schaulustigen, einen festlichen Umzug über die Theresienwiese. Ziel ist die in diesem Jahr neu eröffnete Familienachterbahn „Kinzlers Pirateninsel“, die der Weihbischof segnet. Geschäftsbetreiber Willy Kinzel zeigt sich sichtlich bewegt: „Das ist für uns eine äußerst große Ehre!“ Zum Dank hat er sich etwas Besonderes ausgedacht: Er spendiert allen anwesenden Geistlichen eine Gratisfahrt. Gesagt, getan: In ihren Messgewändern testen sie von zünftiger Blasmusik untermalt die „Pirateninsel“ aus. Ein Anblick, der nicht wenigen Passanten ein Schmunzeln ins Gesicht zeichnet.
Eines wurde an diesem ereignisreichen Tag deutlich: Feiern und Fröhlichsein sind für die Kirche keine Fremdwörter. Oder, wie Sascha Ellinghaus es ausdrückt: „Das verbindet sich mit der fröhlichen und lebensbejahenden Botschaft des christlichen Glaubens ganz hervorragend.“

Text: Katharina Zöpfl
Wiesngottesdienst 2019
Freifahrt für die Geistlichen mit der frisch gesegneten "Pirateninsel" (Foto: Jürgen Sauer)
(Fotos: Jürgen Sauer)

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