Einer der bedeutendsten Volksheiligen ist Bischof Ulrich von Augsburg (923-973). Die wichtigste Quelle für die Darstellung seiner Biographie ist die wenige Jahre nach seinem Tod vom Augsburger Dompropst Gerhard verfasste »Vita sancti Oudalrici«, die aufgrund der zeitlichen und persönlichen Nähe des Verfassers zu Ulrich trotz einiger legendärer Versatzstücke ein glaubwürdiges Bild des Bischofs zeichnet.
Sein Vater Hupald stammte aus einer in Wittislingen beheimateten alamannischen Adelsfamilie, über seine Mutter Dietpirch war er mit den Burchardingern verwandt, die seit 917 Herzöge von Schwaben waren. Seine Erziehung und Ausbildung erhielt er von 900 bis 908 im Kloster St. Gallen, dessen Klosterschule im alamannischen Raum besonders angesehen war und von Notker Balbulus, einem der großen Gelehrten dieser Zeit, geleitet wurde. Es folgten zwei weitere Lehrjahre in Diensten des Augsburger Bischofs Adalpero (887-909), die ihm Gelegenheit gaben, bischöfliches Wirken und bischöfliche Pflichten aus erster Hand kennen zu lernen. Nach dem Tod Adalperos zog er sich aus dem bischöflichen Dienst zurück und lebte bei seiner inzwischen verwitweten Mutter Dietpirch. 923 wurde Ulrich nach dem Tod von Bischof Hiltine zum Bischof von Augsburg gewählt und von König Heinrich l. bestätigt. Am 28. Dezember 923 empfing Ulrich im Alter von 33 Jahren die Bischofsweihe.
Ulrichs Tatkraft war von Anfang an gefordert, da die Ungarn seit Beginn des 10. Jahrhunderts immer wieder von Südosten her nach Bayern vordrangen und auch das Gebiet des Bistums Augsburg, sogar die Stadt Augsburg selbst verwüsteten. Ulrich ließ den von den Ungarn zerstörten Dom wieder aufbauen und schützte seine Bischofsstadt durch einen Mauerring. Während der Regierungszeit des ersten sächsischen Königs engagierte er sich in der Reichspolitik noch nicht in besonderem Maße; lediglich seine Teilnahme an der Synode von Erfurt (932) ist nachweisbar. Intensiv dagegen widmete er sich von Anfang an der pastoralen Reform seiner Zeit. Er förderte die Domschule und sorgte sich um eine würdige Feier der Liturgie. Seelsorge und kirchliche Disziplin in seinem Bistum überwachte er durch Diözesansynoden, zu denen er zweimal jährlich seinen Diözesanklerus in Augsburg versammelte und vor allem durch regelmäßige Visitationsreisen in seinem Bistum. Sein persönliches Leben sollte als Vorbild für Volk und Klerus wirken.
In der Regierungszeit Ottos I. nahm seine Teilnahme an Reichsangelegenheiten zu. Er nahm an wichtigen Hoftagen und Synoden teil, so in Ingelheim 948, Augsburg 952, Rom 972 und nochmals Ingelheim 972. Während der Auseinandersetzung zwischen dem Sohn Ottos I., Liudolf, und dem König (953-955) finden wir Ulrich treu auf königlicher Seite. In ebendiese Zeit fällt eine der politisch bedeutsamsten Taten des Heiligen. Bei einem erneuten Vorstoß in das Reich im Jahr 955 belagerten die Ungarn wiederum die Stadt Augsburg. Ulrich gelang es, Augsburg zu verteidigen und das ungarische Heer so lange aufzuhalten, bis die Streitmacht Ottos I. eingetroffen war. In der Schlacht auf dem Lechfeld am 10. August dieses Jahres besiegte Otto die Ungarn vernichtend und beendete damit deren Angriffe.
Ulrich ließ die bei den Ungarnkämpfen zerstörte Kirche St. Afra wieder aufbauen und plante für sich eine Grablege ein. 968 gründete er außerhalb der Stadtmauern das Kanonissenstift St. Stephan und ein Spital.
Aufgrund seines Alters versuchte Ulrich, die Nachfolge auf dem Augsburger Bischofsstuhl in seinem Sinne zu regeln. Als nächsten Bischof sah er seinen Neffen Adalbero vor. 972 erreichte er zwar die Designation Adalberos zu seinem Nachfolger, dieser starb jedoch im folgenden Jahr noch vor Ulrich.
Nach seinem Tod am 4. Juli 973 wurde Ulrich in St. Afra von Bischof Wolfgang von Regensburg, dem er die Priesterweihe erteilt hatte, beigesetzt. Bereits ca. zehn Jahre nach seinem Tod begann der spätere Dompropst Gerhard, ein Zeitgenosse Ulrichs, die Lebensgeschichte des verstorbenen Bischofs aufzuzeichnen. Die Verehrung Ulrichs mag damals schon eingesetzt haben. Gemeinhin galt bisher Ulrich auch als derjenige Heilige, der als erster feierlich in Rom heilig gesprochen worden ist. Neuerdings ist die Echtheit der Kanonisationsurkunde vom 3. Februar 993 angezweifelt, aber auch nachdrücklich verteidigt worden.
Brauchtum und Verehrung
Die Verehrung des hl. Ulrich ist bis heute weit verbreitet. An sie knüpft sich ein vielgestaltiges Brauchtum an wie Ulrichsbrünnlein, deren Wasser bei Augenkrankheiten wirksam sein sollen, Ulrichswein, der den Gläubigen als »Ulrichsminne« gereicht wurde, Ulrichserde, die gegen Ratten helfen sollte, und Ulrichskreuze, die als heilbringend in vielen Nöten gelten.
Darstellung, Attribute, Patronate
Der hl. Ulrich wird im Bischofsornat, manchmal zu Pferd in der Schlacht, meist mit seinem persönlichen Attribut, einem Fisch, oder auch mit Buch dargestellt. Er ist der Patron der Stadt und Diözese Augsburg sowie Mitpatron des Bistums Paderborn, der Weber, der Sterbenden, der Weinbauern, Fischer und Wandersleute; zudem wird er bei Wassersgefahren und Überschwemmungen angerufen.
Guido Treffler
Literatur
Manfred Weitlauff (Hg.), Bischof Ulrich von Augsburg 890-973. Seine Zeit - sein Leben - seine Verehrung. Festschrift aus Anlaß des tausendjährigen Jubiläums seiner Kanonisation im Jahre 993 (Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte 26/27), Weißenhorn 1993
Ulrichs-Lied
Streiter in Not, Helfer bei Gott!
Du Bischof und Held,
von Gott auserwählt,
mit Glaubenskraft beseelt!
Bitte für uns, bitte für uns,
Sankt Ulrich, Sankt Ulrich!
Drangsal und Leid schwertharter Zeit
besiegte dein Flehn.
Das Reich blieb bestehn,
das Gott uns ausersehn.
Bitte für uns ...
Armen in Not brachst du das Brot,
hast Hilfe gewährt
und Frieden beschert,
von Liebeskraft verzehrt.
Bitte für uns...
Weise im Rat, mannhaft an Tat
und mächtig im Wort,
der Heimat ein Hort
bleib es auch immerfort.
Bitte für uns ...
Vater so mild, Wehr uns und Schild
für Wahrheit und Recht,
dass rein wir und echt,
nie sind der Lüge Knecht.
Bitte für uns ...
Mitten im Sturm, bleib uns ein Turm
der Zuflucht und Kraft,
die Rettung uns schafft
aus aller Nöte Haft.
Bitte für uns ...
Ulrichslied; Text: Arthur Piechler / Sr. Germana Förster, 1955; Melodie: Arthur Piechler