Für die ukrainischen Geflüchteten wird es kein normales Ostern geben. Pfarrer Vladimir Viitovich von der Münchner Pfarrei Maria Schutz und St. Andreas erklärt: „Es wird nicht gefragt, wer katholisch ist, wer orthodox ist, wir stehen für alle zur Verfügung als ukrainische Gemeinde, und dieses Ukrainische verbindet alle jetzt in diesen Zeiten“. Eine Stütze ist dabei auch altes Volksbrauchtum wie die Psyanky, die kunstvoll beschriebenen Ostereier.
Pfarrer Vladimir Viitovich
Christus ist auferstanden: darüber freuen sich alle Christen an Ostern. Bei den griechisch-katholischen Ukrainern in München dürfte diese Stimmung dieses Jahr nur schwer aufkommen. Die mit Rom unierten Katholiken praktizieren den Ritus der Ostkirche und feiern deshalb das Osterfest genau eine Woche später als die römisch-katholischen Christen.
Pfarrer Vladimir Viitovich lebt bereits seit 1995 in München. Der aktuelle Flüchtlingszustrom aus der Ukraine ist eine doppelte Herausforderung für den Geistlichen. Auf der einen Seite leidet er mit den Menschen, die in den Kriegsgebieten geblieben sind. Auf der anderen Seite engagiert er sich mit seiner Pfarrei Maria Schutz und St. Andreas für die Geflüchteten in der Landeshauptstadt. Deshalb werde es dieses Jahr auch kein normales Ostern geben, erklärt Pfarrer Viitovich. Wegen der Flüchtlinge wird es zum Beispiel mehr Ostergottesdienste als sonst geben. Und man werde bei den Gottesdienstbesuchern keinen Unterschied machen: „Es wird nicht gefragt, wer katholisch ist, wer orthodox ist, wir stehen für alle zur Verfügung als ukrainische Gemeinde, und dieses Ukrainische verbindet alle jetzt in diesen Zeiten“.
Pysanki - eine der ältesten Traditionen der ukrainischen Volkskunst
Normalerweise feiern die ukrainischen Katholiken nach der Osternacht in den Familien weiter. Das soll, so Viitovich, heuer anders ablaufen. Man plane, dass nach der Feier in der Kirche die Gläubigen zusammenbleiben und die mitgebrachten Speisen aus dem Osterkorb wie gekochtes Fleisch oder das Osterbrot mit den Geflüchteten teilen.
Auch wenn der Krieg zurzeit alles überschatte, bemühe man sich trotzdem, das Osterfest ganz in der Tradition der griechisch-katholischen Kirche vorzubereiten, betont Viitovich. Dazu gehört auch, dass in der Karwoche in den Familien die Erwachsenen den Osterbrauch der Pysanky an die Kinder weitergeben. Pysanky sind ausgeblasene Eier, die kunstvoll mit einer speziellen Technik verziert werden. Diese besonderen Ostereier haben eine lange Tradition in der Ukraine, erklärt Nadia Halabuada. „Es ist einer der ältesten Traditionen in der ukrainischen Volkskunst“, betont die Brauchtumsexpertin aus der ukrainischen Gemeinde.
Das Wort Pysanky leite sich ab von dem Verb „pysaty“, was auf Deutsch "schreiben" bedeutet. Ein Ei werde also nicht bemalt, sondern beschrieben, erklärt Halabuada. Und zwar mit einer speziellen Symbolik, die den Zusammenhang zwischen Natur und christlichem Glauben herstellt. Die verschiedenen Symbole werden immer an die nächste Generation weitergegeben, verrät die Pysanky-Expertin. Dazu gehörten pflanzliche, tierische oder kosmografische Symbole aus der vorchristlichen Zeit.
Nach der Christianisierung des Landes habe man die Eier neben den Symbolen aus der Natur auch mit christlichen Motiven verziert. In jüngster Zeit werden auf den Pysanky auch ukrainische Osterbräuche dargestellt, erklärt Pfarrer Viitovich. „Auf den modernen Pysanky sieht man oft das Osterbrot, die Osterkerze oder die Palmkätzchen, also die Zeichen, die auf die Kar- und Ostertage verweisen“.
Gemeinsam mit ihren drei Geschwistern hat Nadia Halabuada mittlerweile gut 1.000 Pysanky gestaltet. Drei bis vier Stunden brauche man für ein Ei. Das liege vor allem an der aufwendigen Wachstechnik, erklärt Halabuada. Mit der Kistka, einem Schreibstift für Wachs, werden die Eier beschrieben. Die Spitze des Stiftes wird dazu an einer Kerze erhitzt, so dass das Wachs schmilzt. Dann könne man die Linien schön auf das Ei auftragen.
Anschließend werden die noch wachsfreien, weißen Stellen bunt gemacht, in dem man das Ei in ein Farbbad tunkt. Wenn das Ei wieder trocken ist, wird weiter geschrieben mit dem Wachsstift, dann kommt wieder ein neues Bad mit einer anderen Farbe. Nach dem letzten Farbbad wird das Ei mit einem Tuch trocken getupft und vorsichtig an eine Kerze gehalten. „Dadurch wird das Wachs erhitzt, und man kann es mit einem Tuch gut abwischen, und dann sieht man die Ornamente“.
Schutz des Hauses und Hoffnung auf reiche Ernte
Die fertigen Pysanky werden dann nicht wie die bunt gefärbten Eier in der westlichen Tradition an einen Osterbaum gehängt, sondern an einen bestimmten Ort gelegt. „Zum Beispiel werden Pysanky zum Schutz eines Hauses und seiner Bewohner an die Dachbalken gelegt, oder sie werden in der Hoffnung auf eine gute Ernte in den Acker eingegraben“.
Dieser Brauch soll nun auch dabei helfen, die Ukraine nach dem Krieg wiederaufzubauen. Dafür sammle man zurzeit weltweit Pysanky, erzählt Halabuada. „In den USA läuft zurzeit ein Sammel-Projekt, und meine Schwester und ich haben auch schon Eier dorthin geschickt“. Nach dem Krieg sollen die Eier in die Ukraine gebracht werden, wo sie nach alter Tradition auf den Feldern vergraben oder in Bienenstöcke und Häuser gelegt werden. Denn Pysanky seien Zeichen der Wiederbelebung, sie sollen dem Land helfen, wieder auf die Beine zu kommen.
Für Nadia Halabuada ist die Pysanky-Tradition eine wichtige Stütze in diesen schwierigen Kriegszeiten. Auch weil sie fest an eine alte Weisheit aus ihrer ukrainischen Heimat glaubt: „Solange Pysanky geschrieben werden, solange wird die Welt weiterbestehen.“
Text: Paul Hasel, Radioredakteur beim Sankt Michaelsbund