Menschen mit Autismus haben oft besondere Bedürfnisse, die es zu berücksichtigen gilt. Hier berichtet die Mutter eines autistischen Sohnes, wie das Heilpädagogische Zentrum Ruhpolding sie im Alltag unterstützt – und wo sie zusätzlich Hilfe gefunden hat.
Andrea Zeitel, Erzieherin und heilpädagogische Förderlehrerin im Heilpädagogischen Zentrum in Ruhpolding
„Wir versuchen immer, unser Leben und unsere Welt um unseren Sohn herumzubauen“, sagt Christina Blantz. Das ist notwendig, denn der sechsjährige Simon hat Autismus. Vor drei Jahren hat die Familie aus dem Landkreis Traunstein die Diagnose bekommen, die mittlerweile ihren gesamten Alltag beeinflusst: „Es ist eine wahnsinnige Herausforderung für das Umfeld. Zum Beispiel fuchtelt Simon immer mit Stiften rum. Und er ist sehr selektiv und isst zum Beispiel nur gewisse Lebensmittel – nur die Wurst vom Kaufland, nichts anderes. Man muss im Alltag immer auf alle kleinen Nuancen achten, weil er sonst ausflippt“, sagt Christina Blantz.
Struktur und Routine: Wie autistische Kinder davon profitieren
Unterstützung bekommen Christina Blantz und ihr Mann im Heilpädagogischen Zentrum in Ruhpolding, das zur Katholischen Jugendfürsorge (KJF) im Erzbistum München und Freising gehört. Erzieherin Andrea Zeitel und ihre Kollegen betreuen dort Kinder mit kognitivem Förderbedarf. Vormittags besuchen die Kinder die zum Zentrum gehörige Schule beziehungsweise die schulvorbereitende Einrichtung, nachmittags werden sie in der Tagesstätte in kleinen Gruppen pädagogisch und therapeutisch betreut.
Andrea Zeitel leitet die Rabe-Socke-Gruppe und begleitet dort immer wieder auch Kinder mit Autismus. „Autistische Kinder brauchen einen ganz klaren, strukturierten Alltag, wo sich vieles immer wieder wiederholt“, erklärt sie. Hilfreich sei zum Beispiel, wenn der normale Tagesablauf mit Bildkarten und Symbolen strukturiert ist. „Da wissen sie, hier fühle ich mich geborgen, hier ist der Ablauf gleich, hier brauche ich keine Ängste haben.“
Dass Betroffene Routinen brauchen und sich mit sozialer Interaktion und Kommunikation schwer tun, ist charakteristisch für Autismus-Spektrum-Störungen. Die Ursache dafür sind Störungen der Informations- und Wahrnehmungsverarbeitung in Nervenzellen – die genauen Gründe konnte die Forschung aber noch nicht herausfinden.
Heilpädagogisches Zentrum entlastet Eltern
Für Christina Blantz ist das Angebot des Heilpädagogischen Zentrums eine große Entlastung. „Simon ist aktuell vier Tage in der Woche ganztags in der Einrichtung. Die Betreuer machen einfach wahnsinnig viel mit den Kindern. Das kann man zu Hause gar nicht leisten“, sagt sie. Trotz der großen Entlastung hat die 42-Jährige eines nicht losgelassen: „Wir hatten die letzten Jahre nicht wirklich starken Kontakt zu jemandem mit Autismus oder dessen Eltern. Bei mir ist der Wunsch entstanden, sich gegenseitig zu unterstützen.“
Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass eines von 160 Kindern von einer Autismus-Spektrum-Störung betroffen ist. Das vergrößert den Bedarf nach Austausch, auch im Landkreis Traunstein. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Einrichtungen hat Erzieherin Andrea Zeitel im Frühjahr deshalb eine Selbsthilfegruppe für Angehörige von Menschen mit Autismus initiiert.
Austausch und Unterstützung
Zum Auftakttreffen waren neben Christina Blantz viele Eltern gekommen, die ihren Wunsch nach Austausch und Unterstützung teilten. Mittlerweile haben sie sich in zwei Selbsthilfegruppen zusammen gefunden, aufgeteilt je nach Alter ihrer Kinder, und treffen sich einmal im Monat. Dort können sie sich austauschen und unterstützen, aber auch schöne Momente teilen und Energie für den kräftezehrenden Alltag sammeln. Nicht nur Christina Blantz hilft die gemeinsame Zeit mit den anderen Eltern – sie denkt auch an ihren Sohn Simon und hofft, dass er in diesem geschützten Rahmen neue Freundschaften knüpfen kann.
Text: Hannah Wastlhuber, St. Michaelsbund, September 2024
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