Ferienzeit, entschleunigte Zeit Warum gelegentliche Langeweile für Kinder gut ist und Kreativität fördern kann

Bald beginnen die großen Ferien. Manche Eltern sorgen sich dabei um ihre Kinder: Wie können wir damit umgehen, wenn Freunde aus der Klasse weg sind und wir für unser Kind kein umfassendes Alternativprogramm organisieren können? Wenn unser Kind viel alleine ist, fühlt es sich dann auch einsam? Agnes Passsauer, Leiterin des Fachbereichs Ehe- und Familienpastoral, hilft bei der Einschätzung.
 
Auf dem Foto ist ein Junge zu sehen. Er spielt alleine Playmobil auf dem Boden.
Wenn der Tagesablauf nicht durchgetaktet ist und Hobbys, Schule und Kindergarten pausieren, spielen Kinder in den Ferien öfter alleine. Dass ihnen dabei zuweilen langweilig wird, ist gar nicht schlimm.
„Die großen Ferien waren früher echt doof für mich“, erzählt die 14-jährige Elli. Mit „früher“ meint sie die Zeit, als sie noch in der Grundschule war und ihr Vater, der in der Forschung arbeitet, mehrere Jahre hintereinander im August dringende Projekte abschließen musste. So konnte die Familie in den Sommerferien nicht verreisen.

„Meine Freundinnen aus der Klasse waren alle weg. Und mit meiner kleinen Schwester, die drei Jahre jünger ist, konnte ich damals noch nicht viel unternehmen. Da war mir öfter mal langweilig.“ Ihre Eltern hätten dann Kurse für sie beim Ferienprogramm ihrer Heimatgemeinde gebucht. Allmählich konnte Elli so neue Freundschaften außerhalb der Klasse schließen. Und sie wollte außerdem vieles von dem, was sie in den Kursen erschnuppert hatte, zu Hause ausprobieren. Darunter waren akrobatische Übungen aus dem „Kinderzirkus“ oder auch der Anbau von eigenem Gemüse nach dem Angebot des örtlichen Gartenbauvereins.

Kontrast zum eng getakteten Alltag in Schule und Kindergarten

„Es ist überhaupt nicht schlimm, wenn Kinder auch mal Langeweile verspüren“, weiß Agnes Passauer. Die Pastoralreferentin und ausgebildete Ehe-, Familien- und Lebensberaterin leitet den Fachbereich Ehe- und Familienpastoral im Erzbischöflichen Ordinariat München. „Im Wort Langeweile stecken ja die Begriffe ‚lange‘ und ‚Weile‘. Man hat also ein anderes, ausgedehnteres Zeitempfinden als das eng getaktete im Alltag. Das schafft überhaupt erst den Freiraum, damit Kinder lernen, sich selbst zu beschäftigen und ihre eigene Kreativität wahrzunehmen“, so die Fachfrau. Agnes Passauer weiß, wie der normale Alltag bereits von Grundschülern vollgepackt mit Aktivitäten sein kann. Gerade in länger dauernden Ferien können die Kinder auch andere Erfahrungen sammeln, die ihnen zeigen, dass Termine und Leistung nicht alles sind.
 
Auf dem Foto ist eine Gruppe von Kindern zu sehen. Die Kinder graben in der Erde. Der Gartenbauverein Gauting bietet Ferienprogramme für Kinder und Jugendliche.
Vielerorts gibt es Ferienangebote für Kinder und Jugendliche, wie hier vom Gartenbauverein Gauting, wo junge „Unkrautjäger“ das Pflanzenbestimmen lernen.
Auf dem Foto ist Agnes Passauer zu sehen. Agnes Passauer ist Ehe-Familien- und Lebensberaterin
Agnes Passauer, Leiterin des Fachbereichs Ehe- und Familienpastoral im Erzbischöflichen Ordinariat München: „Man sollte das unterstützen, was das Kind sich wünscht.“
„Wer etwa einfach einmal spontan mit einem Elternteil in den Wald geht und dort eine Hütte aus Zweigen baut, der erinnert sich sein ganzes Leben daran“, regt die Theologin an.
Diese „Lange-Weile-Zeit“ bietet auch die Gelegenheit, Ideen aus der „Retro-Kiste“ zu holen: Postkarten und Briefe schreiben, Kochbücher wälzen und miteinander kochen, Karten- oder Brettspiele spielen, Reisepläne schmieden mit Straßenkarten, ausgeliehenen Reiseführern und schönen Bildbänden, Musik machen mit selbstgebastelten Klanginstrumenten, sich gegenseitig Geschichten erzählen – und natürlich Bücher lesen. Die örtlichen Büchereien sind eine riesige Fundgrube dafür.

Freundschaften schließen in Ferienfreizeiten

Betreute Freizeitangebote in den Ferien hält Agnes Passauer für eine gute Ergänzung und Möglichkeit, Neues zu entdecken. Dabei könnten sie andere Kinder kennenlernen und sich mit ihnen anfreunden.
Oft ermöglichen Eltern ihren Kindern schöne Erlebnisse in den Ferien auch bei punktuellen Unternehmungen: Ein gemeinsamer Tag in einem Schwimmbad oder an einem Weiher, ein Tageausflug in einen Wildpark, der Besuch eines Technikmuseums – all das kann eine „persönliche Schatzsammlung“ werden.
 
„Man sollte das unterstützen, was das Kind sich wünscht und dabei auf das Naturell des Kindes achten. Wenn ein Kind eher extrovertiert ist, wünscht es sich, dass viel los ist. Andere Kinder brauchen nicht so viele Außentermine“, erklärt Agnes Passauer und ergänzt, dass die Kinder und die Eltern – und deren Wünsche – einander nicht immer ähnelten. „Man muss gut darauf achten, dass man nicht als Eltern die eigenen Erwartungen auf die Kinder überträgt, sondern dass man ihnen Freiraum lässt und sie wahrnimmt in dem, was sie brauchen.“

Nicht jeder Wunsch kann in den Ferien erfüllt werden

Ganz wichtig sei bei alldem die Kommunikation in der Familie. „Familie bedeutet, dass alle miteinander im Kontakt und im Gespräch sind: Die Eltern miteinander, aber auch die Eltern mit jedem Kind und bei Planungen von Ferienzeiten alle miteinander.“ Dabei ließen sich auch Grenzen von persönlichen Wünschen besprechen, etwa wenn das finanzielle Budget der Eltern und die Wünsche der Kinder nicht zusammenpassten. „Wenn etwas nicht möglich ist, muss man das dem Kind erklären. Wenn die Beziehung gut ist, versteht es das auch, selbst wenn es enttäuscht ist“, ergänzt Agnes Passauer. Auch Ferien sind nicht frei von Konflikten und Frusterlebnissen. Mit dieser realistischen Haltung – und mit bewusster Aufmerksamkeit für kostbare Zeit allein und miteinander – können es trotzdem erholsame und schöne Tage werden.

Als unverzichtbar für Familien sei die Vernetzung mit anderen Eltern. Über die Pfarreien und deren Ferienfreizeiten, sowie über die dortigen Kindergärten und Eltern-Kind-Gruppen könnten Beziehungen wachsen, die lange tragfähig seien.
 
Auf dem Foto sind Mädchen zu sehen, die einen Fußball schießen. In der Mitte schießt die Trainerin einen Ball. Die Mädchen sind bei einem Fußballferiencamp.
Mädchen beim Fußball: Eltern sollten die Bedürfnisse ihrer Kinder im Blick haben.
Zeit alleine zu verbringen führt nicht automatisch zu Einsamkeit

Agnes Passauer kennt auch Befürchtungen von Eltern, wenn ihr Kind allein ist. Diese denken dann, dass sich ihr Kind einsam fühlen könnte, wenn es nicht unter Gleichaltrigen ist. „Es ist ein großer Unterschied, ob jemand eine Zeit lang in den Ferien allein ist, oder ob sich jemand wirklich einsam fühlt“, weiß Agnes Passauer. „Wenn zum Beispiel ein Kind in der Schule sozial gut vernetzt ist, dann ist es nicht einsam, auch wenn es einmal zwei Wochen lang in den Ferien keinen Anschluss zu gleichaltrigen Kindern hat.“ Die Eltern müssten sich hier keine Sorgen machen. Auch nicht, wenn ihr Kind insgesamt weniger soziale Kontakte sucht, weil es viel Zeit für sich braucht. Genauer hinschauen müsse man dann, wenn sich das Kind im Alltag sehr zurückzieht und über längere Zeit gar keine Kontakte pflegt. Dann könne es sinnvoll sein, sich an eine Fachberatungsstelle zu wenden, etwa an die Erziehungsberatungsstellen der Caritas, die flächendeckend in ganz Oberbayern zu finden sind.
 

Wie erkenne ich Einsamkeit bei meinem Kind?


Zwischen Alleinsein und Einsamkeit besteht ein Unterschied, den Eltern aber im Blick haben sollten. Hier gilt: hinschauen, beobachten und im Gespräch bleiben zu den Fragen:

  • Was macht mein Kind nach der Schule?
  • Trifft es noch Freunde?
  • Hat es Hobbies?
  • Sitzt es nur noch zu Hause im Zimmer und hat gar keine Sozialkontakte mehr oder ist es den ganzen Tag in Gruppen (Kita/ Schüle und Hort/ Ganztagsbetreuung) und will einfach am späten Nachmittag und abends nur mal seine Ruhe haben?
 
Auf dem Foto ist Susanne Ehlert zu sehen. Sie leitet die Alleinerziehendenseelsorge.
Susanne Ehlert vom Fachbereich Alleinerziehendenseelsorge

Angebote für Alleinerziehende

Freie Zeit organisieren, den Kontakt zu anderen Kindern fördern, das Budget im Auge behalten – was in Familien mit zwei Elternteilen manchmal in den Ferien schon nicht ganz einfach ist, spitzt sich bei Alleinerziehenden noch einmal zu. Der Fachbereich Alleinerziehendenseelsorge, den Susanne Ehlert leitet, bietet deshalb regelmäßig in den Pfingst- und Sommerferien Reisen für die alleinerziehenden Eltern mit ihren Kindern an. Die Erzdiözese gewährt hierbei Zuschüsse, damit ein gemeinsamer Urlaub nicht allein am Einkommen des verbliebenen Elternteils scheitert.
„Wir bieten dabei sowohl für die Eltern als auch die Kinder ein eigenes Programm. Und wir achten auf regelmäßige Pausen, damit alle zur Ruhe kommen können“, erklärt Susanne Ehlert. So machen Eltern und Kinder gleichermaßen die Erfahrung, dass sie aufeinander und auf ihre jeweiligen Bedürfnisse achten müssen und  dürfen. Auch nach dem Urlaub.

Das Angebot der Alleinerziehendenseelsorge finden Sie hier.
 

Angebote der Erzdiözese für Familien und Eltern


Eltern, Familien und Paare finden im Erzbistum vielfältige Unterstützungsmöglichkeiten, Beratung und Kurse und Freizeitangebote.

Nähere Infos finden Sie hier:

 
Text: Dr. Gabriele Riffert, freie Redakteurin, Juli 2024

Ehe- und Familienpastoral
Schrammerstr. 3
80333 München
Telefon: 089 2137-1244
eheundfamilie(at)eomuc.de
http://www.ehe-und-familie.info

Fachbereichsleiterin:
Agnes Passauer, Pastoralreferentin, Eheberaterin

Fachreferent:
Johannes Sporrer, Pastoralreferent, FamilienTeamTrainer

Fachreferent:innen in den Regionen:
Region München: Cornelia Schmalzl-Saumweber
Region Süd: Peter Glaser, Ulrich Englmaier, Martin Kienast
Region Nord: Cornelia Schmalzl-Saumweber
Referentinnen für Wertorientierte Sexualpädagogik:
MFM-Programm
mfm(at)eomuc.de
Tel. 089 213-77188
Josiane Wies-Flaig, Dipl. Sozialpädagogin
Katja Haberl, Dipl. Sozialpädagogin

NFP/Sensiplan
nfp(at)eomuc.de
Natalie Oel
Tel.: 089 2137-2249
Alleinerziehendenseelsorge
Schrammerstr. 3
80333 München
Telefon: 089 2137-1236, 089 2137-1491
Fax: 089 2137-271236
alleinerziehende(at)eomuc.de
http://www.alleinerziehende-programm.de
Fachbereichsleiterin:
Susanne Ehlert, Gemeindereferentin

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Angebote:
• Thematische Wochenenden, Ferienmaßnahmen u. a. Gruppenangebote
• Regionale Begegnungstage, Initiierung und Begleitung von Treffpunkten
• Einzelbegleitung

"Haus Dorothee"
Begegnungsstätte für Alleinerziehende
St. Michael-Str. 88
81671 München
Telefon: 089 / 668708
Fax: 089 / 74793881
Leiterin der Begegnungsstätte:
Regina Knoblich

Pädagogische Fachkraft:
Dagmar Grallath

Angebote:
• Treffpunkt, Kurse, Beratung und Begleitung