Lob ist gut, Ermutigung ist besser Wenn Kinder ermutigt werden, fühlen sie sich ernst genommen und geliebt

Loben, loben und nochmals loben – das war lange die Devise in der Erziehung. Inzwischen weiß man: Ermutigen ist besser. Denn es stärkt innere Antriebskräfte und macht Kinder weniger abhängig. Tipps für den Familienalltag.
Mutter lacht Kleinkind ermutigend an
Wenn Eltern ihre Kinder ermutigen, stärken sie deren Selbstbewusstsein und helfen ihnen, sich Herausforderungen zu stellen

Für die einen ist alles selbstverständlich. Laufen, schreiben, Fahrradfahren – das alles muss ein Kind doch sowieso lernen. Es soll und will ja „groß“ und lebenstüchtig werden. Wozu also soll ich ihm dafür groß Anerkennung zollen? Genügt es nicht, dass ich ihm dafür Papier und Bleistift und ein Fahrrad zur Verfügung stelle? Motto: Nicht gemeckert ist genug gelobt!
 
Klar, darüber sind wir heute hinaus. Wir wissen: Kinder, deren Fortschritte und Leistungen von den Eltern als pure Selbstverständlichkeit hingenommen werden, fühlen sich nicht wahrgenommen und nicht anerkannt. Offensichtlich kommt es auf ihre Leistungen nicht an – oder sind es möglicherweise gar keine? So oder so: Warum sollen sie sich dann noch anstrengen?
 
Also brechen die anderen bei jedem Bleistiftstrich ihrer Kinder in Verzückung aus. Vielleicht ist ihnen ja tatsächlich so zumute; Eltern sind nun einmal stolz auf ihre Kinder und alles, was sie machen. Manchmal dient das alltägliche „Super!“, „Toll!“ und „Klasse!“ daneben auch guten Zwecken: Ich will das Selbstbewusstsein des Kleinen stärken und ihm Mut machen, sich an neue Aufgaben zu wagen. Motto: „Hast du dein Kind heute schon gelobt?“
 
Ermutigung macht Kinder selbstständiger und verantwortungsbewusster

Leider hat auch dieses Dauer-Lob seine Tücken. Kinder haben nämlich ein feines Gespür dafür, ob es ehrlich oder „nur pädagogisch“ gemeint ist. Sie durchschauen bald, wenn es gar keiner Anstrengung und „echten“ Leistung bedarf, diesen permanenten Erguss der Eltern auszulösen, der ohne Wahrnehmung von Unterschieden über ihnen niedergeht.

Bestenfalls fühlen sie sich dann von ihren Eltern geliebt und wertgeschätzt, aber nicht als Individuum mit ganz persönlichen Fähigkeiten wahrgenommen. Und spätestens auf dem Spielplatz oder in der Kita werden sie nachdrücklich darüber aufgeklärt, wie toll ihre Krakel und wie super ihre Sprünge wirklich sind.

Zudem hat zu viel Lob oft noch einen weiteren Nachteil: Es macht abhängig vom Urteil der anderen. Lisa malt die Giraffe nicht, weil sie selbst im Zoo so beeindruckt von ihr war, sondern um dafür das Lob der Oma einzuheimsen. Entscheidend sind nicht Lisas Kreativität und die Mühe, die sie sich beim Malen gibt, sondern Normen, die andere setzen – die Oma, die Schule, „die Gesellschaft“.
 
Aber was hilft Kindern denn nun wirklich? Wie können Eltern ihren Drang unterstützen, sich weiterzuentwickeln und etwas zu leisten?
 
Der Schlüssel dazu heißt „Ermutigung“. „Ein Kind braucht Ermutigung wie eine Pflanze das Wasser“, erkannte schon Rudolf Dreikurs (1897 – 1972). Der Elternkurs „Kess erziehen“ misst dem E von ermutigend sogar so hohen Wert bei, dass er es (zusammen mit dem K von kooperativ und dem S von sozial und situationsorientiert) zu seinem Titel macht; Ermutigung bedeutet danach: Mütter und Väter (und Erzieherinnen und Erzieher) nehmen ihre eigenen Stärken und die ihrer Kinder in den Blick. Sie fördern die Selbstständigkeit ihrer Kinder und sorgen dafür, dass sie möglichst viel Verantwortung für sich selbst übernehmen und die Folgen ihres Handelns tragen.
Im alltäglichen Umgang mit Kindern benutzen viele die Begriffe „Lob“ und „Ermutigung“ zwar deckungsgleich. Und in manchem Lob, das Eltern ihrem Nachwuchs zollen, steckt auch eine gute Portion Ermutigung – wenn sie ihm zum Beispiel auch für den vorletzten Platz beim Wettrennen auf die Schulter klopfen und ein Eis spendieren. Den entscheidenden Unterschied macht die Haltung, die dahinter steht:
 
  • Lob bezieht sich auf eine abgeschlossene Leistung, ein fertiges Bild: die erledigten Hausaufgaben, ein aufgeräumtes Zimmer, einen gelungenen Kuchen.
  • Ermutigung würdigt dagegen schon den Prozess, die Anstrengung, die zu der angestrebten Leistung führen soll: die Bereitschaft des Elfjährigen, sich an die ungeliebten Mathe-Hausaufgaben zu setzen, die Ausdauer des Zweijährigen, die eingestürzten Bauklötze auch ein drittes und viertes Mal wieder aufzutürmen.
Der wesentliche Vorzug von Ermutigung ist: Sie hängt nicht von Ergebnissen ab. Sie hilft Kindern deshalb gerade dann, wenn sie es am meisten brauchen, nämlich bei Schwierigkeiten und Misserfolgen. Eltern können das auch selbst erfahren: Was brauchen Sie dringender – das Lob des Chefs, wenn der Auftrag erledigt und der Kunde zufrieden ist? Dass Sie da eine reife Leistung abgeliefert haben, wussten Sie doch selbst schon! Oder die Ermutigung der Kollegin „Du kriegst das hin! Der erste Teil sieht doch schon prima aus!“, wenn Sie selbst mit Ihrer Arbeit hadern und nicht weiterkommen?

Allerdings setzt das Ermutigen ein Stück mehr Aufmerksamkeit der Eltern voraus als das Loben. Ein Lob holen sich Kinder oft selbst: „Schau mal Mama, das hab’ ich gemalt!“ Ermutigung dagegen erfordert eine aktive Wahrnehmung: Ich muss sehen, was mein Kind macht, seine Möglichkeiten kennen, die Schwierigkeiten einschätzen, die es dabei bewältigen muss, und erkennen, wie es ihm damit geht. Erst auf dieser Grundlage kann ich es angemessen ermutigen: „Das ist ein schwieriges Puzzle, toll, dass du dich da herantraust. Und du bist schon ganz schön weit gekommen; den Rest schaffst du bestimmt auch noch.“ Oder: „Okay, diese Textaufgabe ist auch ziemlich kniffelig. Aber die anderen hast du prima gelöst; das gelingt dir immer besser. Ich bin stolz, dass du so ausdauernd daran arbeitest.“
 
Dieses genaue Hinschauen zahlt sich aus. Umso „ehrlicher“ kommt die Ermutigung nämlich bei den Kindern an, anders als ein schnelles „Schön!“ oder auch „Das schaffst du schon!“ (Denn auch eine solche rein formale „Ermutigung“ kann dazu dienen, Kinder schnell abzufertigen.) Und umso nachhaltiger wirkt sie:

  • Die Kinder fühlen sich ernst genommen, mit ihren Stärken und Schwächen anerkannt und geliebt.
  • Sie wissen, dass sie sich auch Fehler und Misserfolge erlauben dürfen.
  • Durch das Zutrauen der Erwachsenen in ihre Fähigkeiten entwickeln sie Selbstvertrauen und den Mut, sich an neue Aufgaben zu wagen.
Übrigens: (Selbst-)Ermutigung tut auch uns Erwachsenen gut. Denn der Blick auf die eigenen Stärken und positiven Eigenschaften legt ein gutes Fundament für ein starkes Selbstwertgefühl. Und die eigenen Schwächen und Fehler verlieren ihre herunterziehende Kraft, wenn ich sie als gegeben akzeptiere, sie zu meiner Persönlichkeit gehören und da sein dürfen. Und umso weniger gerate ich in die Versuchung, sie in meinen Kindern zu bekämpfen.
 
Sabine Maria Schäfer ist Erziehungsberaterin und systemische Familientherapeutin. Sie ist verheiratet und hat einen Sohn.


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