Trauern Kinder anders als Erwachsene? Welche Rolle spielt die Glaubensvermittlung bei der Trauerbewältigung? Ist es sinnvoll, Informationen auszusparen? Und sollte man das Kind zur Beerdigung mitnehmen? Unsere Expertinnen Monika Mehringer von der Beerdigungspastoral im katholischen Dekanat Rosenheim und Stefanie Penker, Fachreferentin Kinderpastoral, geben Antworten – und haben Tipps für Eltern, wie sie ihre Kinder gut begleiten können, wenn ein naher Angehöriger gestorben ist.
Bitte keine Verniedlichungen: Wenn Ihr Kind Fragen zum Tod oder Sterben hat, nehmen Sie sich Zeit und geben aufrichtige Antworten.
Trauern Kinder anders als Erwachsene?
Die Trauer eines Kindes wie auch seine Möglichkeiten zur Verarbeitung unterscheiden sich sehr von der Trauer von Erwachsenen. Dabei ändert sich die Auseinandersetzung mit dem Lebensende im Laufe der Kindheit. Dies hängt entscheidend von der Entwicklung der Kinder und ihrer Wahrnehmung von Zeit ab.
Kleine Kinder leben im Hier und Jetzt. Für sie ist jeder Abschied endgültig, auch wenn beispielsweise ein Besuch geht. Kinder zwischen drei und vier Jahren entwickeln ein Bewusstsein für Zeiten und realisieren, dass Menschen sterben und menschliches Leben einen Anfang und ein Ende hat. Sie begreifen, dass in der Regel ältere Menschen sterben. Wenn jemand gestorben ist, können sie sich vorstellen, dass diese Person auch wiederkommt oder immer noch da ist. Im Grundschulalter beginnt ein Verständnis vom Tod als endgültiges Ereignis, das dem eines Erwachsenen ähnlich wird.
Erstaunlich ist, wie schnell Kinder von der Beschäftigung mit ihrer Trauer zu freudvollen Themen wechseln. Für Beobachter völlig unvermittelt, gehen sie zu anderen Spielen oder Themen über. Kinder haben ein Gespür dafür, wann sie eine Pause von traurigen Themen brauchen.
Was hilft Kindern, den Tod zu begreifen?
Hilfreich ist das offene Gespräch über den Tod. Es ist wichtig, die Tatsachen zu benennen, ohne dafür beschönigende, irreführende oder verniedlichende Begriffe zu verwenden. So beschreibt Margot Eder, Gemeindereferentin und Referentin für spirituelle Bildung in der KiTa (i.R.), folgenden Dialog zwischen dem dreieinhalbjährigen Philipp und seiner Mutter:
„Mama, Hundemamas können sterben.“ – „Ja.“
„Sie sind dann nicht mehr da.“ – „Genau“
„Wo geht das Hundebaby dann hin?“ – „Was meinst Du?“
„Zu seiner Oma. Das mach ich auch mal.“
Es ist erleichternd, dass Philipp für sich hier eine Lösung findet: Wenn seine Mama stirbt, kann er zur Oma gehen. Das ist für begleitende Erwachsene oft konfrontierend und hart, aber Kinder können oft viel einfacher klar benennen, wie der Sachverhalt ist. In dieser Situation ist es wichtig, dem Kind seine Lösung und seine Einsicht zu lassen. Wenn es mehr wissen möchte und ihm das Thema wichtig ist, wird es mit einer neuen Frage wiederkommen.
Normalerweise beziehen Kinder das Thema „Tod“ nicht auf sich, sondern sie beobachten, dass andere, oft kranke oder alte Menschen sterben müssen. Damit erklärt sich zunächst, dass Kinder das Lebensende emotional distanzierter „studieren“. Sind die Kinder jedoch direkt vom Tod einer nahen Bezugsperson betroffen, ändert sich ihre Beziehung und ihre Beschäftigung mit dem Tod.
Gemeinsames Gedenken: Kinder wollen erfahren, wie man mit dem Tod umgehen kann und mit welchen Ritualen Erwachsene Abschied nehmen. Auf den Friedhof oder ans Grab zu gehen, hilft ihnen Abschied zu nehmen.
Sollen wir unser Kind zur Beerdigung mitnehmen?
Im Bilderbuch „Die besten Beerdigungen der Welt“ von Ulf Nilsson und Eva Eriksson erfahren die Leserinnen und Leser, wie Kinder sich mit Beerdigungen beschäftigen. Tote Tiere, die sie am Wegrand finden, mit einem selbst erfundenen Ritual zu beerdigen, kann zu einem häufigen Spiel werden. Kinder verarbeiten im Rollenspiel ihre Erfahrungen und Gedanken zum Tod. Das Spiel entwickelt sich mit den neuen Erkenntnissen immer weiter.
Für Kinder sind Friedhöfe und Aussegnungshallen mit Särgen interessant. Sie sind neugierig und wollen erfahren, wie man mit dem Tod umgehen kann und mit welchen Ritualen Erwachsene Abschied nehmen. Deshalb kann es sinnvoll sein, Kinder zu einer Beerdigung mitzunehmen; gerade dann, wenn jemand beerdigt wird, der weder mit dem Kind noch mit der Mutter oder dem Vater eine enge Beziehung hatte, wie etwa ein Nachbar oder eine Bekannte.
Wenn ein naher Angehöriger gestorben ist und das Kind in einer Einrichtung (Krippe, Kindergarten, Schule) betreut wird, ist es wichtig, dass die Bezugspersonen dort über den Todesfall informiert werden, damit auch sie mit dem Kind angemessen umgehen können.
Verbunden mit dem Verstorbenen: Kinder gehen mit dem Tod oft ganz pragmatisch um und können Sachverhalte klar benennen. Dabei kommen oft auch theologische Fragen und biblische Bilder auf, über die Sie mit Ihrem Kind sprechen können.
Welche Rolle spielt die Glaubensvermittlung bzw. religiöse Erziehung bei der Trauerbewältigung?
Die kleine Schwester starb plötzlich im Januar. Als dann Wochen später das Osterfest gefeiert wurde, war für den dreijährigen Martin klar: „Wenn da die Toten auferstehen, kommt meine Schwester auch wieder!“
Die Bibel, religiöse Bilder und Traditionen geben auf die Frage, was nach dem Tod kommt, Denkanstöße und Impulse. Diese Bilder geben Möglichkeiten an die Hand, weiterzudenken und sich mit der Frage „Was passiert nach dem Tod?“ philosophisch und theologisch zu beschäftigen. Der christliche Betende weiß sich mit den Verstorbenen verbunden: Die Gemeinde hat sich von Beginn an um die Gräber ihrer verstorbenen Mitglieder versammelt, um mit ihnen gemeinsam Eucharistie zu feiern. Für sie bilden Lebende und Tote eine Gemeinschaft.
Neben dem oben genannten Bild der „Auferstehung“ gehören die Rede vom „Himmel“, dem „Wohnen“ bei Gott und das „Hochzeitsmahl“ zu den biblischen Bildern. Dabei nehmen Kinder den Himmel oft wörtlich und es ist gut, die Vorstellung des Lebens bei Gott mit eigenen traumhaften Bildern anzureichern, um den Kindern die hoffnungsvollen Aussagen der Bibel zu übersetzen: „Da gibt es immer genug zu essen.“ „Dort kann man endlos Fußball spielen.“
Bei der Frage „Was kommt nach dem Tod?“ sind Erwachsene mit einer philosophischen Frage konfrontiert. Gemeinsam werden überlieferte Bilder („Himmel“) gedeutet: Die Deutung der Worte und der Vorstellungen muss sich im Laufe des Lebens mit Leben füllen und es ist wichtig, dass Kindern gewährt wird, selbst weiterzudenken.
Welche Informationen spart man besser aus? Grundsätzlich können Antworten Kinder überfordern. Das geschieht vor allem, wenn Erwachsene Dinge erklären, die gar nicht gefragt wurden. Deshalb ist es sinnvoll, wie in obigem Beispiel bei Philipp, lieber zurückzufragen, ob das Kind für seine Frage schon eine Idee von einer Antwort hat. Dabei helfen die Regeln für das
"Theologisieren mit Kindern“.
Wichtig ist, dass Emotionen von Erwachsenen Kinder nicht „erdrücken“. Kinder spüren die Emotionen von Erwachsenen und verlieren Sicherheit, wenn Erwachsene anders sind als sonst und sie das nicht einordnen können. Für kleine Kinder kann es verstörend sein, wenn Erwachsene etwas nicht lösen können und ohnmächtig erscheinen. Schwierig ist für Kinder, wenn sie sich von den Bezugspersonen verlassen fühlen und keine Aufmerksamkeit mehr bekommen (Wobei es sehr nachvollziehbar ist, dass Erwachsene in dieser Ausnahmesituation sehr mit sich selbst beschäftigt sind). Deshalb nützt es Kindern, wenn man erklärt, was geschehen ist und warum man traurig ist.
Texte: Monika Mehringer, ehem. Fachreferentin Kinderpastoral, jetzt Beerdigungspastoral im katholischen Dekanat Rosenheim, Gemeindereferentin, und Stefanie Penker, Fachreferentin Kinderpastoral im Erzbischöflichen Jugendamt, Gemeindereferentin, Juli 2024