Wenn es zwischen Alt und Jung nicht rund läuft So hilft die bäuerliche Familienberatung

Die bäuerliche Familienberatung der Erzdiözese München und Freising begleitet Menschen aus der Landwirtschaft in Krisen und bei persönlichen Problemen.
 
Bergpanorama: Das Leben auf dem Land bietet viele Entfaltungsmöglichkeiten und persönliche Freiheit. Aber die Arbeit in der Landwirtschaft kann auch sehr anfordernd sein und Probleme verursachen
Bergpanorama: Das Leben auf dem Land bietet viele Entfaltungsmöglichkeiten und persönliche Freiheit. Aber die Arbeit in der Landwirtschaft kann auch sehr anfordernd sein und Probleme verursachen
Wenn Menschen unterschiedlichen Alters auf einem Hof leben, kann das eine Bereicherung sein – und zu Spannungen führen. Peter Bartlechner, Leiter der bäuerlichen Familienberatung der Erzdiözese München und Freising, kennt die Herausforderungen: Schulden, familiäre Konflikte, Hofübergaben und psychische Belastungen.

„Wenn auf einem Hof mehrere Generationen einer Familie leben und arbeiten, dann ist das schön, wenn das Miteinander funktioniert. Aber leider ist dies nicht immer der Fall, weil Landwirte oft unter enormen Druck stehen“, erklärt Peter Bartlechner und ergänzt: „Die positiven Beispiele bekommen wir kaum zu sehen, weil wir nur dorthin gehen, wo es nicht so gut läuft.“ Der 57-jährige Sozialpädagoge leitet seit viereinhalb Jahren die bäuerliche Familienberatung der Erzdiözese München und Freising. Vorher war er zehn Jahre lang Berater in der Münchner Insel, der Krisen- und Lebensberatung der beiden großen christlichen Kirchen im Zentrum der Landeshauptstadt.
 
Über die bäuerliche Familienberatung:

Das Angebot ist kostenlos. Die Beratung erfolgt in der Regel auf dem Hof. Die bäuerliche Familienberatung kennt auch bei Bedarf geeignete Programme, die Hilfesuchende unterstützen. Etwa eine Selbsthilfegruppe,  Kommunikationskurse für Paare oder Begleitung bei der Stressreduktion. Im Jahr 2023*  wurden 634 Personen durch das Angebot der bäuerlichen Familienberatung erreicht.

*Die Zahlen für 2024 lagen Anfang 2025 noch nicht vor.

Weitere Informationen und Kontaktdaten finden SIe auf der Website der bäuerlichen Familienberatung.
 
„An Themen gibt es in der bäuerlichen Familienberatung nichts, was es nicht gibt“, fasst er kurz zusammen, um dann einige Beispiele zu nennen: Viele Landwirte haben zum Beispiel ihre Höfe modernisiert und dafür Schulden aufgenommen, die sie nun tilgen müssen. Andere sind Nebenerwerbslandwirte, die mit der Doppelbelastung zweier Arbeitsplätze nicht mehr zurechtkommen. Oft geht es um familiäre Konflikte, etwa dass der Umgangston zwischen Ehepartnern durch die viele Arbeit lieblos geworden. Auch Suchterkrankungen sind immer wieder ein Thema. Während ältere Männer zur Flasche greifen, sind Jüngere oft von Online-Spielen abhängig. Nicht zuletzt geht es auch um psychische Erkrankungen.

Zu viel Arbeit und familiäre Konflikte

„Bei der Hofübergabe gibt es ebenfalls oft Probleme“, weiß Peter Bartlechner aus seiner Beratungserfahrung. So will die jüngere Generation Verantwortung übernehmen und neue Akzente setzen, aber die Älteren können und wollen sich nicht davon verabschieden, dass sie bestimmen, wie der Hof geführt wird. „Aber es kommt auch vor, dass die Jungen zwar auf dem Hof wohnen, ihn aber gar nicht übernehmen wollen, weil sie andere Berufe gelernt haben, in denen sie das Wochenende über frei haben und Urlaub machen können. Für sie ist es nicht verlockend, zusätzlich in der Landwirtschaft zu arbeiten. Das ist für die Älteren oft nur schwer zu ertragen“, erklärt Bartlechner, der immer wieder Hofübergaben begleitet.
 
Peter Bartlechner leitet die bäuerliche Familienberatung der Erzdiözese München und Freising
Peter Bartlechner von der bäuerlichen Familienberatung
Selbst wenn die Übergabe gut vorbereitet wird, kann es trotzdem zu Konflikten in den Familien kommen. „Ich denke zum Beispiel an eine Austragsbäuerin, die sich zunächst mit ihrer Schwiegertochter gestritten hat, weil diese Geranien mit einer anderen Farbe auf den Balkon des Hauses gepflanzt hat. Und dann konnte die junge Frau auf einmal gar nichts mehr recht machen und die Situation hat sich immer weiter aufgeschaukelt“, erinnert sich Peter Bartlechner.

Streit zwischen den Generationen

Irgendwann habe man in der Familie nur noch das Nötigste miteinander gesprochen, bis die junge Bäuerin bei Peter Bartlechner anrief, weil sie dieses Klima nicht mehr ertragen konnte. Meist sind es auch die Frauen, die bei der bäuerlichen Familienberatung anrufen. Natürlich war die Farbe der Geranien nicht der eigentliche Grund für den Konflikt, wie die Beratung ergab. Sondern die Austragsbauern mussten sich erst damit abfinden, dass sie nicht mehr „das Sagen“ hatten.
 
Zwischen den Generationen kann es schon vor der Übergabe Konflikte geben. Pater Bartlechner denkt an eine Familie, in der das junge Ehepaar nur ein einziges Zimmer im Bauernhaus zur Nutzung überlassen erhielt. Das Bad, die Küche und das Wohnzimmer wurden gemeinsam mit den Eltern des Mannes benutzt. Irgendwann waren Jung und Alt so zerstritten, dass das jüngere Paar auszog und im nächsten Ort eine Wohnung anmietete. „Das hat in diesem Fall sogar den Hof gerettet, denn der junge Landwirt arbeitet dort weiterhin und wird auch den Betrieb übernehmen, aber die Generationen werden weiterhin getrennt voneinander wohnen. Und mittlerweile reden alle wieder miteinander“, freut sich Peter Bartlechner.
 
Gut zu wissen: Domberg-Akademie thematisiert Generationengerechtigkeit

Die Domberg-Akademie in Freising hat unlängst in ihrer Online-Reihe „Ethik – einfach spannungsreich“ eine Veranstaltung zur Generationengerechtigkeit durchgeführt. Die Frage, was Kinder ihren Eltern „schulden“, wurde dabei unter philosophisch-ethischen und psychologischen Gesichtspunkten behandelt. Jörg Löschke, Professor für praktische Philosophie an der Universität Stuttgart, stellte dabei die einzigartige Bedeutung der Beziehung zwischen Eltern und deren Kindern heraus und benannte als „Beziehungsgüter“ zwischen beiden Generationen etwa die familiäre Kontinuität, Intimität oder gemeinsame Erlebnisse als Familie. Die Erfüllung von Pflichten der erwachsenen Kinder gegenüber ihren Eltern sei jedoch an die Güte der konkreten Eltern-Kind-Beziehung gebunden.

Die Psychotherapeutin Dr. Andrea Filova wies ergänzend darauf hin, dass Eltern gegenüber ihren erwachsenen Kindern oft hohe Erwartungen haben, gerade was eine spätere Pflege und Versorgung angeht. Erwachsene Kinder sollten für ihre alt gewordenen Eltern greifbar bleiben und sich kümmern, sich aber fachliche Unterstützung holen, etwa durch einen Pflegedienst. Sie rät dazu, dass sich beide Generationen rechtzeitig offen über dieses Thema aussprechen.
 

Zuhören und Fachleute vermitteln

 
Wie hilft die bäuerliche Familienberatung in diesen verfahrenen Situationen? „Oft ist es schon eine Unterstützung für die Betreffenden, wenn man aufmerksam zuhört ohne Zeitdruck“, antwortet der Leiter der bäuerlichen Familienberatung. Dadurch, dass die Begleitung der Familien oder Einzelpersonen auch länger dauern darf, können Probleme umfassend betrachtet werden. Bei der bäuerlichen Familienberatung arbeiten auch 15 Ehrenamtliche, die alle eine systemische Beraterausbildung absolviert haben und zudem die Situation der Landwirtschaft kennen, etwa weil sie selbst einen Hof bewirtschaften. Bei rechtlichen oder finanziellen Fragen vermittelt das Team nach Möglichkeit an externe Fachleute.

Durch dieses umfassende Konzept konnte bereits vielen Menschen in der Landwirtschaft aus ihrer Krise herausgeholfen werden. „Das Schönste an unserem Beruf ist, wenn Familien, die zuvor nicht mehr miteinander geredet haben, wieder gemeinsam an einem Tisch sitzen und einander zuhören“, weiß Peter Bartlechner.

Text: Gabriele Riffert, Freie Redakteurin, Januar 2025

Bäuerliche Familienberatung
Münchner Straße 1
83620 Feldkirchen-Westerham
Telefon: 0151- 12204267
pbartlechner(at)eomuc.de
Leiter: Peter Bartlechner

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