Etwa jeder fünfte Haushalt in München wird von einem alleinerziehenden Elternteil geführt, etwa 90 Prozent davon sind Frauen. Und dennoch haben viele von ihnen das Gefühl, mit ihrer Situation alleine dazustehen. Zuhören, ernst nehmen, Rat anbieten – im Haus Dorothee im Münchner Stadtteil Berg am Laim können die Väter oder Mütter Kraft tanken und sich austauschen.
Jeden Freitag treffen sich Alleinerziehende mit ihren Kindern beim "Offenen Treff" im Haus Dorothee. Begleitet wird das Angebot von der pädagogischen Mitarbeiterin Dagmar Grallath (hinten).
Gabriel möchte mehr Banane haben. Der 18 Monate alte Blondschopf patscht energisch mit seinen Babyhändchen auf den Tisch. Aber es gibt keine Banane mehr. Apfel? Schnuller? Schnuller! Gabriel gluckst, strahlt mit großen Augen seine Mama an und lässt sich langsam von ihrem Schoß auf den Teppichboden gleiten. Zu dem bunten Parkhaus und den Autos. Alles gut! Gabriels Mama lächelt erleichtert. Und wendet sich wieder den anderen Müttern zu.
Es ist Freitagnachmittag. Wie jede Woche treffen sich im Haus Dorothee in München alleinerziehende Mütter – selten auch mal ein Vater – mit ihren Kindern zum "Offenen Treff". Sechs Frauen sind gekommen, alle mit Babys oder Kleinkindern. Die Mamas sitzen um den Tisch, es gibt Kaffee und Tee, die Kinder spielen in dem schlicht, aber gemütlich eingerichteten Raum, der an einen Kita-Gruppenraum erinnert, oder im Nebenzimmer. Es wird geredet, es wird gelacht. Einige der Frauen kennen sich und waren schon häufiger hier, andere sind zum ersten Mal dabei. „Hast du den Krippenplatz bekommen?“, „Wie klappt es mit dem neuen Job?“, „Der Pulli steht dir übrigens sehr gut!“. Worüber Mütter eben sprechen.
Dankbar für die Angebote
Eine der Frauen ist Melanie H., die Mutter von Gabriel. Sie kennt das Haus Dorothee seit ihrer Schwangerschaft. Ihre Hebamme hatte sie auf das Angebot aufmerksam gemacht. Melanie H. war zu dieser Zeit bereits vom Vater ihres Kindes getrennt. „In der ersten Phase nach der Geburt hatte ich große Probleme, eine postnatale Depression“, erzählt sie. „Da hätte ich eigentlich jemanden gebraucht.“ Doch obwohl sie von den Angeboten wusste, fand sie keine Kraft, telefonisch um ein Gespräch zu bitten oder zum wöchentlichen Baby-Treff zu kommen. Erst als die pädagogische Mitarbeiterin der Begegnungsstätte, Dagmar Grallath, bei ihr anrief, um zu fragen, wie es ihr gehe, gelang ihr der Schritt: Etwa drei Monate nach der Geburt ihres Sohnes nahm Melanie H. zum ersten Mal wieder an einem der Freitagnachmittagstreffen teil – und ist seitdem regelmäßiger Gast im Haus.
„Ich habe mich am Anfang so alleine gefühlt“, sagt die junge Frau. „Als ich hergekommen bin, habe ich gesehen, dass es andere Leute gibt, denen es genauso geht.“ Dagmar Grallath habe ihr zugehört, sie ernst genommen, ihr praktische Ratschläge gegeben. Melanie H. würde sich wünschen, dass viel mehr Alleinerziehende in München vom Haus Dorothee erfahren – und von seinen Angeboten profitieren können.
Wichtige Auszeit: Während die Kinder spielen, können ihre Mütter sich unterhalten.
Der Bedarf ist da. Etwa jeder fünfte Haushalt in München wird von einem alleinerziehenden Elternteil geführt, etwa 90 Prozent davon sind Frauen. Und dennoch haben viele von ihnen das Gefühl, mit ihrer Situation alleine dazustehen. „Ich komme mir oft blöd vor. Bei den anderen Eltern ist immer ein Mann dabei“, gesteht Mignon S., eine schmale, kleine Frau mit Pferdeschwanz. „Ich kenne niemanden, der auch alleinerziehend ist.“
Ihr Sohn ist drei Jahre alt. Seit etwa einem halben Jahr kommt sie fast jeden Freitag ins Haus Dorothee. Melanie H. ergänzt: „Wenn andere Mütter mir sagen, sie fühlen sich manchmal wie Alleinerziehende, ist das für mich der blanke Hohn.“ Manchmal sei sie ein wenig neidisch auf die Mütter, die „einen Mann zu Hause haben“, sagt sie leise. "Die wissen gar nicht, wie gut sie es haben.“
Kissen und Musik: Auch Entspannung und Bewegung gehören zum Angebot im Haus Dorothee.
Alle Themen kommen auf den Tisch
„Das ist eine Oase hier, die Frauen können Kraft tanken“, beschreibt Dagmar Grallath den Offenen Treff. „Sie werden gesehen und wertgeschätzt, jede so, wie sie gerade ist.“ Und sie können sich austauschen – und neben den üblichen Elternthemen offen über alles sprechen, was gerade Alleinerziehende bewegt. Ob Sorgerechtsfragen oder finanzielle Schwierigkeiten, der Scheidungskrieg, die Wohnungs-, Job- oder Krippenplatzsuche oder die neue Beziehung. Alles darf auf den Tisch.
Dagmar Grallath hört zu, denkt mit und wirft hier und da einen Kommentar oder eine Information ein – die die Mütter dankbar annehmen.
Noch mehr Spielsachen im Nebenraum: Das Haus ist so ausgestattet, dass Eltern und Kinder sich wohlfühlen.
Zwei der Frauen haben sich inzwischen in den Nebenraum zurückgezogen. Dort haben sie ihre Töchter im Blick, die einen Puppenwagen mit allerhand Fahrgästen und Decken beladen, und können sich zu zweit unterhalten. Die Mütter am Kaffeetisch beobachten währenddessen gespannt und belustigt, wie die kleine Ines versucht, mit viel Mühe ihren dicken Windelpopo in die Luft zu recken. „Das ist alles Körpererfahrung“, schmunzelt Dagmar Grallath. Langsam strecken sich die Ärmchen der Kleinen, erst ein wenig, noch ein Stück – dann plumpst das Baby auf den Bauch. Ines Mutter lacht in die Runde. Und die anderen Mütter lachen mit.
Alleinerziehende Mütter und Väter haben aufgrund ihrer besonderen Situation spezielle Bedürfnisse. Im Haus Dorothee finden sie passende Angebote und eine Atmosphäre, die zum Austausch und zum Entspannen einlädt.
- ein breites Spektrum an Themen, die Alleinerziehende bewegen
- eine Vielfalt an Angeboten von Begleitungen bis zu gemeinsamen Wochenenden
- Offenheit, Zugewandtheit
- Zeit für sich selbst
- Begleitung und Beratung in rechtlichen, pädagogischen und systemischen Fragen
- schöne, helle, aufgeräumte Räume
- frischer Kaffee
- Beratung und Begleitung bei Trennung und Scheidung
- feste Strukturen und Abläufe
- Trauerbegleitung bei Todesfällen
- beste Betreuung der Kinder während der Veranstaltungen
- Wertschätzung für jede und jeden, so wie sie oder er gerade ist
- Vernetzung, Austausch mit anderen
Text: Christina Tangerding, freie Redakteurin, April 2018
Alleinerziehendenseelsorge
Schrammerstraße 3
80333 München
Telefon: 089 2137-1236, 089 2137-1491
alleinerziehende(at)eomuc.de
Fachbereichsleiterin:
Susanne Ehlert, Gemeindereferentin
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Angebote:
• Thematische Wochenenden, Ferienmaßnahmen u. a. Gruppenangebote
• Regionale Begegnungstage, Initiierung und Begleitung von Treffpunkten
• Einzelbegleitung
"Haus Dorothee"
Begegnungsstätte für Alleinerziehende
St. Michael-Str. 88
81671 München
Telefon: 089 / 668708
Fax: 089 / 74793881
Leiterin der Begegnungsstätte:
Regina Knoblich
Pädagogische Fachkraft:
Dagmar Grallath
Angebote:
• Treffpunkt, Kurse, Beratung und Begleitung