Damals war es noch ein ganz gehöriges Stigma, wenn man alleinerziehend war“, weiß Gertrud Peuschel, die von Oktober 1973 bis Oktober 1994 für die Arbeit mit alleinerziehenden Müttern und Vätern in der Erzdiözese zuständig war. Mit „damals“ meint sie vor allem die 1970er, aber auch noch die 1980er Jahre. Ledige oder geschiedene Mütter trugen gleichsam einen „Makel“. „Die Schicksale der Frauen haben mich so betroffen gemacht, dass ich am Anfang gedacht habe, ich schaffe die Arbeit nicht“, erinnert sich die 85-jährige Sozialarbeiterin. „Ich kam ja damals aus der Diözese Limburg, wo ich in der Jugendarbeit tätig war. Vergleichbares, vor allem den ständigen Kampf der Frauen ums finanzielle Überleben, kannte ich dort nicht. Doch ich bin dabeigeblieben und habe diese Entscheidung nie bereut.“
Alleinerziehend zu sein, ist kein Stigma mehr, doch die Bedürfnisse sind gleichgeblieben. (Foto: imago images / Westend61)
Peuschel hat die Zeit noch klar vor Augen, als es Unterhaltsvorschuss vom Jugendamt – eine Ersatzleistung, wenn die Väter nichts zahlen – nur bis zum sechsten Lebensjahr des Kindes gab. „Die Frauen mussten immer nur arbeiten, arbeiten, arbeiten. Das war für viele eine sehr belastende Situation“, erklärt die heute 85-Jährige. Die Alleinerziehendenseelsorge der Erzdiözese sei für diese Frauen eine wichtige Anlaufstelle gewesen: Hier gab es Aktivitäten gemeinsam mit anderen in derselben Situation, Kinderbetreuung, stark bezuschusste Ferienfreizeiten für Eltern und Kinder, Beratung und Begleitung. Peuschel arbeitete bereits damals auf gut ökumenische Weise mit evangelischen Kollegen zusammen und vernetzte sich auch geschickt in die Politik hinein.
Gegründet wurde die Alleinerziehendenseelsorge bereits 1969 von Theresia Hauser, die zuvor bereits die Frauenseelsorge in Bayern und der Erzdiözese ins Leben gerufen hatte. Hauser war es auch, die Peuschel vier Jahre später nach München holte.
Susanne Ehlert war erst 30 Jahre alt, als sie in der Peuschels Nachfolge die Leitung der Alleinerziehendenseelsorge Ende 1994 übernahm. Die Situation alleinerziehender Eltern und ihrer Kinder war ihr nicht unvertraut: „Ich hatte eine gute Freundin, deren Eltern sich getrennt haben, als wir noch Jugendliche waren“, erinnert sich die Gemeindereferentin. „Damals habe ich gelernt, dass Alleinerziehende viel improvisieren müssen und dass sich ihr Leben stark verändert, dass sie aber auch die Chance haben, Dinge anders zu machen.“
Die gesellschaftliche Situation von Frauen und Männern, die mit ihren Kindern alleine oder in neuen Patchwork-
Familien leben, hat sich sehr verändert. Da sich vergleichsweise viele Paare trennen, ist es heute längst kein Stigma mehr, alleinerziehend zu sein. „Doch die wesentlichen Bedürfnisse sind gleichgeblieben“, weiß Ehlert: „Sicherheit und bezahlbarer Wohnraum sowie genügend Zeit für das Kind beziehungsweise für die Kinder.“ Es ist auch heute noch schwierig, für die Kinder einen Betreuungsplatz zu finden, der zu den Arbeitszeiten des alleinerziehenden Elternteils passt. Und wer zur Alleinerziehendenseelsorge kommt, muss nach wie vor erst einmal mit der Situation zurechtkommen, dass eine Beziehung zerbrochen ist. „Trennung und Scheidung tun weh“, betont Ehlert.
Die Alleinerziehendenseelsorge ist besonders für Frauen eine wichtige Anlaufstelle. (Foto: imago images / Westend61)
Die Arbeit der Alleinerziehendenseelsorge orientiert sich an den Menschen, die zu ihr kommen. So gibt es zusätzlich zu den früher existierenden Angeboten zum Beispiel eine Gruppe für Mütter, deren Kinder bei den Vätern geblieben sind, sowie eine Gruppe für Väter nach Trennung und Scheidung. Auch Alleinerziehende im Regenbogenkontext finden ihren Platz sowie Patchwork-Familien. Gruppenangebote vermitteln Entspannung und Besinnung. Einmal im Jahr gibt es das Angebot „Trennung bewältigen, Zukunft gewinnen“. Auch ökumenische Gottesdienste werden regelmäßig im Kreis der Alleinerziehenden gefeiert.
Ehlert erinnert sich noch gut an einen Gottesdienst unter dem Motto „Lass gut sein“, der Impulse zur Versöhnung mit der neuen Lebenssituation bot. Daran habe ein getrenntlebendes Ehepaar gemeinsam teilgenommen, um Kraft für den je künftigen Lebensweg zu erbitten. Die beiden kamen auch miteinander, um je einzeln den Segen Gottes zu erbitten. „Wenn ich daran denke, bekomme ich heute noch eine Gänsehaut“, gesteht Ehlert. Auch an die exklusive Audienz bei Papst Franziskus vor zwei Jahren für die Alleinerziehenden aus der Erzdiözese (wir berichteten) denkt sie gerne zurück. Diese Geste habe vielen Mut gemacht und Kraft gegeben.
Text: Gabriele Riffert
Alleinerziehendenseelsorge
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Susanne Ehlert, Gemeindereferentin
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