Die Ehe-, Familien- und Lebensberatung der Erzdiözese München und Freising feiert 2020 ihr 50-jähriges Jubiläum – mitten in der Corona-Krise! Für uns ist das ein willkommener Anlass, mit der Diplom-Psychologin Anjeli Goldrian ein Gespräch zu führen: über die bevorstehende Advents- und Weihnachtszeit, die Kraft des Glaubens – und was wir in diesen schwierigen Zeiten nicht vergessen sollten.
Frau Goldrian, werden wir in diesem Jahr wie gewohnt Advent und Weihnachten feiern können?
Anjeli Goldrian: Eher nicht. Die Adventszeit und Weihnachten werden in diesem Jahr etwas anders gefeiert werden als sonst. Damit die Kontakt-Beschränkungen nicht zu einem Kontakt-Abbruch führen, ist von jedem von uns Kreativität und Mitgefühl gefragt.
Was können wir tun, damit es trotzdem ein schönes, friedliches und besinnliches Fest wird?
Anjeli Goldrian: Alle Familienmitglieder und Verwandte sollten sich im Vorfeld darüber austauschen, wie es ihnen in Bezug auf Corona geht und was sie sich für das Weihnachtsfest wünschen. Daraus könnte ein Pool an Ideen entstehen, was an Weihnachten alles möglich ist, ohne ein zu hohes Risiko eingehen zu müssen oder die Corona-Regeln zu brechen. Wenn die Familie zum Beispiel an einem Ort lebt, könnte sie sich analog zum Osterfeuer zum Weihnachtsfeuer im Garten treffen, Weihnachtslieder singen, Lichter anzünden, Geschenke und Lebenswünsche austauschen – und anschließend wieder getrennt nach Hause gehen. Wenn eine Familie weiter auseinander lebt, kann man auf die gute alte Form des Briefeschreibens zurückgreifen oder Päckchen und Fotos verschicken, damit der andere weiß: Ich denke an ihn. Natürlich kann man sich auch per Zoom oder Skype am Abend virtuell verabreden oder sich gemeinsam den festlichen Gottesdienst auf der Facebook-Seite des Erzbistums anschauen.
Worauf müssen sich die Menschen in diesem Jahr einstellen?
Anjeli Goldrian: Weihnachten wird in diesem Jahr schlichter, leiser, bescheidener und auf diese Weise vielleicht sogar besinnlicher werden als sonst. Es wird keine Weihnachtsmärkte geben, keine überfüllten Geschäfte, kein Last-Minute-Geschenke-Stress, nicht mehr so viele Reisen quer durchs Land. Wir alle sind dazu aufgefordert, zu Hause zu bleiben. Ich sehe das auch als Chance. Wir sind Jesus, der in einem Stall auf die Welt gekommen ist, damit näher als sonst. Das diesjährige Weihnachten ist eine gute Möglichkeit, darüber nachzudenken, was uns wichtig ist und worauf es wirklich ankommt. Das geht in der Weihnachtshektik sonst eher unter.
Diplom-Psychologin Anjeli Goldrian von der Ehe-, Familien- und Lebensberatung des Erzbistums freut sich auch in diesem Jahr auf Weihnachten - auch wenn alles etwas anders sein wird.
Nicht jeder wird sich darüber freuen. Für viele Menschen wird es ein einsames Weihnachtsfest werden.
Anjeli Goldrian: Aus diesem Grund dürfen wir die vielen Alleinstehenden, die einsamen und alten Menschen nicht vergessen, die in diesem Jahr besonders hart auf sich selbst zurückgeworfen sind. Wir sollten uns um sie kümmern – mit Briefen, Päckchen, Plätzchen oder Anrufen.
Kann der Glaube über diese schwierige Zeit hinweghelfen?
Anjeli Goldrian: Für gläubige Menschen ist das Gebet in dieser Zeit besonders kraftspendend und von zentraler Bedeutung. Vor allem die Kranken und einsamen Menschen finden im Glauben Trost und Geborgenheit. Aber auch Familien können durch christliche Rituale über das etwas andere Weihnachtsfest 2020 hinweggetröstet werden. Rituale geben Halt und schaffen Hoffnung auf die Überwindung der Krise. Es gibt kein anderes Fest, bei dem man es sich so schön machen kann. Das Bild vom Christkind in der Krippe war uns nie näher als in diesem Jahr und birgt in sich die Chance auf mehr Mitgefühl für alle notleidenden Menschen – Obdachlose, Kranke, Alte, Geflüchtete, Einsame. Wir sollten uns die Zeit für sie nehmen und ihnen etwas Gutes tun.
Text: Christian Horwedel, freier Mitarbeiter
Ehe-, Familien- und Lebensberatung
der Erzdiözese München und Freising
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Leiterin: Margret Schlierf