Ein Klinikaufenthalt ist für die Patient:innen psychisch herausfordernd. In München sind Ehrenamtliche in der Krankenhausseelsorge deshalb in ihrer Freizeit für diese und ihre Angehörigen da.
Krankenhausseelsorgerin Sieglinde Langenegger in der Krankenhauskapelle im Klinikum rechts der Isar
Sieglinde Langeneggers Dienst beginnt mit einer kleinen, roten Kerze. Behutsam stellt sie das Opferlicht auf den Kerzenständer in der Krankenhauskapelle im Klinikum rechts der Isar. Danach setzt sie sich kurz an runden Tisch, der durch ein Kreuz in vier Felder geteilt wird. Dutzende Kerzen wurden hier heute schon von Patienten und Mitarbeiter entzündet. Sie werfen sanftes Licht auf ein Marienbild. „Vor jeder Schicht bete ich hier zur Mutter Gottes um Geduld und gute Antworten für meine Gespräche – dafür, dass ich mich auf die Patienten gut einlassen kann“, erklärt die 62-Jährige.
Einmal in der Woche kommt Sieglingde Langenegger in das Uniklinikum. Ehrenamtlich. Seit drei Jahren arbeitet sie in der ökumenischen Krankenhausseelsorge. Jeder der Ehrenamtlichen hat eine eigene Station. Sieglinde Langenegger ist auf der Chirurgie eingesetzt. „Dort geh ich von Zimmer zu Zimmer und biete Gespräche an – und viel wichtiger noch: Zuhören.“ Ein Aufenthalt im Krankenhaus ist immer eine belastende Situation für die Behandelten, aber auch für ihre Angehörigen. Meistens sind es Krebspatienten, mit denen sie spricht.
Was sie in einem Zimmer erwartet, weiß die ehrenamtliche Seelsorgerin nie. Manchmal erschrecken die Patienten bei ihrem ersten Besuch. „Die denken, es geht ihnen so schlecht, dass die Ärzte gleich die Seelsorgerin vorbeischicken.“ Dann erklärt Sieglinde Langenegger, dass sie jede Woche in allen Zimmern vorbeischaut. Das beruhigt. Mit ihr sprechen muss trotzdem niemand. „Die meisten Patienten sind aber ganz dankbar, wenn ich da bin und ihnen kurz zuhöre.“
Claudia Zierer koordiniert den Dienst von Sieglinde Langenegger. Sie ist Pastoralreferentin im Klinikum rechts der Isar. Neben ihr arbeiten noch vier weitere hauptberufliche Seelsorger im katholischen Team. Dazu zwei evangelische. Die rund zehn ehrenamtlichen Klinikseelsorger sind für die Hauptamtlichen eine große Unterstützung. „Wir würden das Pensum sonst gar nicht schaffen“, betont Claudia Zierer. Über 50.000 stationär oder teilstationär Behandelte zählt das Uniklinikum jedes Jahr, dazu mehr als eine viertel Million ambulant behandelte Patienten. Darüber hinaus kümmern sich die Klinikseelsorger:innen auch um die Angehörigen.
Wichtiger aber noch als die quantitative Unterstützung sind für Claudia Zierer die persönlichen Qualitäten, welche die oft in ganz anderen Berufen tätigen Ehrenamtlichen mitbringen. „Das eröffnet den Patienten andere Perspektiven und macht das Angebot der Klinikpastoral bunter und vielfältiger.“ Viele Patient:innen würden dadurch offener für seelsorgliche Betreuung. Dass da jemand kommt, der seine Freizeit damit verbringen möchte, einem zuzuhören, wird von fast allen Patient:innen mit Respekt gewürdigt – auch von kirchenferneren. Ehrenamtliche Klinikseelsorger:innen haben in vielen Münchner Krankenhäusern deshalb eine lange Tradition.
Das Ritual von Sieglinde Langenegger vor jedem Dienstbeginn
Die gemeinsame, ökumenische Ausbildung kann grundsätzlich jeder absolvieren, der Mitglied einer Kirche ist. Rentner:innen genauso wie Student:innen. Das Ehrenamt ist laut Claudia Zierer auch mit Berufstätigkeit kompatibel oder Familie. Aktuell absolvieren 14 Neue die sechsmonatige Ausbildung. Zunächst stehen Theorieeinheiten zur Gesprächsführung und zur Spiritualität auf dem Lehrplan. Außerdem trainieren die angehenden ehrenamtlichen Seelsorger:innen, wie sie in Kontakt mit den Patient:innen treten, sich vorstellen und an ein Bett herantreten. Für Außenstehende klingt das manchmal banal, trotzdem ist fundamental wichtig, als Klinikseelsorger:in ein Gefühl für Nähe und Distanz im Umgang mit Patienten zu entwickeln, weiß Claudia Zierer. Die Ziele: Sich sicher fühlen in Situationen, die andere Besucher:innen am Krankenbett eher verunsichern. Die richtigen Worte finden – oder schweigen und zuhören.
Im zweiten Teil der Ausbildung werden die Ehrenamtlichen von einem Mentor in die praktische Arbeit im Krankenhaus eingeführt. Parallel gibt es kontinuierlich Supervision. Am Schluss müssen sich beide Seiten sicher sein, dass ein Ehrenamtlicher der selbständigen Arbeit im Krankenhaus gewachsen ist. Dann aber arbeitet das Team auf Augenhöhe, „auch wenn es natürlich Unterschiede zwischen Ehren- und Hauptamtlichen gibt“, erklärt Claudia Zierer. So leisten Ehrenamtliche keine Rufbereitschaft und werden auch nicht auf der Intensiv- oder Palliativstation eingesetzt.
Sieglinde Langenegger kommt meist nachmittags gegen drei. Nach Mittagessen und einer kurzen Pause haben die Patienten Lust auf das Gespräch mit ihr. Wie lange es dauert, weiß sie aber nie. An Tagen mit wenig Gesprächsbedarf ist sie innerhalb einer dreiviertel Stunde durch alle Zimmer durch. Manchmal führt sie mit jedem einzelnen Patienten ein langes Gespräch. „Dass das nicht davor absehbar ist, musste meine Mann auch erst einmal lernen“, lacht die 62-Jährige. Aber gerade das sei ja das Schöne. Dass sie, wenn sie vor ihrem Dienst ihre Kerze in der Krankenhauskapelle anzündet, nie weiß, was auf sie wartet. „Aber dann habe ich so lange Zeit, wie gebraucht werde.“
Text: Korbinian Bauer, Redakteur beim Sankt Michaelsbund, Dezember 2024
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