Gabriele Männer ist über 50 Jahre alt, als sie sich wieder der Kirche annähert. Heute bezeichnet sie das Gotteshaus in ihrem Heimatort Reichersbeuern als „zweites Wohnzimmer“. Schließlich engagiert sich die 70-Jährige als Seniorenbeauftragte im Pfarrgemeinderat, als Mesnerin bei Trauergottesdiensten, als Hospiz- und Trauerbegleiterin sowie als Kriseninterventionshelferin beim Roten Kreuz.
Gabriele Männer setzt sich für Menschen in herausfordernden Situationen ein.
„Mein Mann sagt: Das war immer schon in dir drin. Es hat bloß Zeit gebraucht, bis es rausgekommen ist“, erzählt Gabriele Männer. Die 70-Jährige aus Reichersbeuern im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen bezeichnet sich als „Spätzünderin“. Ein Zeitungsbericht bringt die Steuerfachangestellte auf die Idee, sich in ihrer zweiten Lebenshälfte im Kriseninterventionsdienst des Roten Kreuzes zu engagieren. Dieser wird zum Beispiel gerufen, wenn die Polizei eine Todesnachricht überbringen muss. Beim Lesen des Artikels ist Männer instinktiv klar: „Ich kann das“, weil sie die nötige Ruhe mitbringe, aber auch Humor besitze und keine Angst vor grusligen Situationen oder schlechten Gerüchen habe. Immerhin sei sie eine „Metzgerstochter“ – ihre Eltern betrieben 28 Jahre das Gasthaus zum Altwirt in ihrer Heimatgemeinde.
Für die ehrenamtlichen Kriseninterventionshelfer werden Einkehrtage im Kloster St. Ottilien angeboten. Männer nimmt daran teil und führt ein Gespräch mit einem der Missionsbenediktiner, das zu einem Türöffner für ihr weiteres Leben wird. Auf ihre Frage, ob sie sich auch in fortgeschrittenem Alter noch Gott zuwenden könne, erhält sie die für sie überraschende Antwort: „Es ist immer der richtige Moment. Du kannst immer kommen und du wirst immer aufgenommen und aufgefangen.“
Nach und nach nähert sich Männer wieder der Kirche an. Heute nennt sie das Gotteshaus in Reichersbeuern ihr „zweites Wohnzimmer“ – „man kann fast sagen, ich bin ein bisserl hoamkomma“ –, auch wenn sie bei der Institution Kirche durchaus Reformbedarf sieht. Männer liest in der Bibel. Sie besucht an Festtagen den Gottesdienst und betet auch allein für sich. Zum Beispiel, wenn die Hospizbegleiterin von einem ihrer Besuche bei Sterbenden nach Hause kommt. Oder einfach in der freien Natur. Oder wenn ihr bis zum Beginn eines Trauergottesdienstes noch Zeit bleibt, nachdem sie als „Beerdigungsmesnerin“ alles für diese Feier vorbereitet hat.
Die Rentnerin erfährt durch ihr ehrenamtliches Engagement viel Dankbarkeit und Wertschätzung. Es fallen Sätze wie „Herrgott, das hat mir jetzt gutgetan, dass ich mit dir reden habe können“ oder „Ich hätte nicht gewusst, was ich gemacht hätte, wenn du nicht da gewesen wärst“.
Vielleicht bald „Kommunion-Oma“
Zugleich kann sie in diesen unentgeltlichen Tätigkeiten ihren „Glauben leben“, wie das Motto des am 24. November endenden Bistumsjubiläums „1300 Jahre Korbinian“ lautet: „Wenn ich kein Christ wäre, könnte ich diese Ehrenämter nicht machen. Ich glaube nicht, dass ich das alles so hinbringen würde, wenn ich nicht irgendwo tief in mir an was glauben würde.“ Zwar betrachtet sie ihren Glauben vor allen Dingen als persönliche Angelegenheit zwischen sich und Gott. Dennoch fühlt sie sich heute in der Gemeinschaft der Gläubigen getragen – gerade, wenn sie selbst einmal Hilfe braucht.
Der zweifachen Großmutter ist es deshalb ein Anliegen, ihre Enkel stärker an den Glauben und die Kirche heranzuführen, als es ihr bei ihrer Tochter möglich war. Sie besucht mit dem sechsjährigen Elias und dessen vierjährigem Bruder Leander den Kindergottesdienst und macht sie mit christlichen Bräuchen wie der Speisensegnung an Ostern vertraut. Und sie könnte sich vorstellen, die Buben wie damals ihre Tochter auf die Erstkommunion vorzubereiten – als „Kommunion-Oma“ sozusagen.
Dass ihre Ehrenämter hauptsächlich mit dem Älterwerden und Sterben zu tun haben – sie ist auch eine der Seniorenbeauftragten im örtlichen Pfarrgemeinderat und hat eine Ausbildung zur Trauerbegleiterin absolviert, wird als solche aber kaum angefragt –, lässt sich ebenfalls erklären. Die „Altwirts-Gabi“ hat bereits als junge Frau ihren sterbenden Vater begleitet – „in den letzten Monaten wollte er nicht mal was essen, wenn ich nicht da war“. Und sie war mit 22 Jahren einmal selbst dem Tod sehr nah, als sie auf dem Heimweg vom Schwimmen von einem Auto angefahren wurde. Die Folgen der zahlreichen Knochenbrüche spürt sie bis heute. Dennoch blickt sie voller Dankbarkeit auf ihr Leben: „Wenn ich nach Hause komme von einem schweren Einsatz, stehe ich vor meiner Wohnung und sage: Lieber Gott, danke schön, dass es mir so gut geht.“
Text: Karin Hammermaier, Redakteurin beim Sankt Michaelsbund, November 2024
Pfarrverband Gaißach-Reichersbeuern
Dorf 16
83674 Gaißach
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Manfred Wurzer, Pfarrer, Pfarrverbandsleitung
Pater Adrianus Nugroho