Schulden, Scham und Beratung Wie die Schuldnerberatung der Caritas Menschen auf dem Weg in die Schuldenfreiheit unterstützt

Wenn Schulden zu einer erdrückenden Belastung werden und den Alltag bestimmen, dann ist es angezeigt, sich Hilfe zu holen. Die Schuldnerberatung der Caritas ist ein kompetenter Ansprechpartner, der auch bei der Kommunikation mit Banken, Gläubigern und Gerichten sowie rechtlichen Fragen unterstützt.
 
Schild mit der Aufschrift "Caritas: Schuldner- und Insolvenzberatung Mitte"
"Den Betroffenen die Angst nehmen"
Tatjana Ivanovic* war schon einmal höher verschuldet als heute. Damals, rund um das Jahr 2000, erzählt sie. Über 100.000 Euro Schulden. Eine Privatinsolvenz mit anschließender Restschuldbefreiung und über 20 Jahre später sitzt sie erneut in der Schuldenfalle. Immerhin sind es nicht wieder 100.000 Euro, sondern „nur“ 23.000 Euro. Auf die Frage, wie die aktuelle Schuldensituation entstanden ist, bleibt sie vage. Mehrere Jobverluste des Gatten und zu hohe laufende Kosten nennt sie als Ursache.
 
Die 50-Jährige ist wahrhaftig nicht die einzige Person in Deutschland, die Schulden hat. Einer Hochrechnung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform zufolge waren im letzten Jahr 5,6 Millionen Privatleute in Deutschland überschuldet. Von “Überschuldung“ spricht man, wenn weder vorhandenes Vermögen noch erwartete Einnahmen eines Schuldners dessen bestehende Verbindlichkeiten abdecken. Auch wenn sich die Zahl nach vielen Menschen anhören mag, waren es trotz Corona-Pandemie und Inflation so wenig wie noch nie seit Beginn der Auswertung.
 
Leicht hatte sie es Tatjana Ivanovic noch nie im Leben. Ihre Schulzeit ging nur bis nur 9. Klasse, dann verließ sie die Schule ohne Abschluss und brachte mit 17 Jahren ihr erstes Kind zur Welt. In Berlin brachte sie noch ein weiteres Kind zur Welt, ehe sie mit ihrem Mann nach München zog. Heute kann sie zwar lesen, schreiben fällt ihr aber schwer.
 
In München ging es der Familie dann einige Zeit gut. Zwei weitere Kinder kamen dazu. Ihr Mann arbeitete selbstständig, verdiente viel Geld und gab dieses anschließend aus. Für „Frauen und Spiele“, sagt Ivanovic. „Wie das halt ist im Leben: Wenn man zu früh heiratet, spinnt der Mann irgendwann rum (lacht). Aber ich stand immer brav hinter ihm.“

Eine große Belastung im Alltag

Obwohl sie „zu früh“ geheiratet hat, ist sie heute immer noch mit ihrer Jugendliebe zusammen. Ihr Mann hat mittlerweile zwei Herzinfarkte hinter sich, bei denen er zwar erfolgreich wiederbelebt, jedoch einige Zeit nicht mit Sauerstoff versorgt wurde. Ivanovic kümmert sich um ihn jeden Tag. Sie könne ihn nicht lange allein lassen, weil er sonst zu nervös werde, erzählt sie.
 
Schulden zu haben, bestimmt für betroffene Menschen den Alltag. Anstatt mit der Freundin ins Café zu gehen, hebe Ivanovic sich die 20 Euro für Kaffee und Kuchen lieber für die Kinder auf. Obwohl diese mittlerweile erwachsen sind, benötigen sie nach wie vor finanzielle Unterstützung. Eine Waschmaschine, die im Angebot war, konnte sich Ivanovic neulich aufgrund eines negativen Schufa-Eintrags online nicht kaufen. Auch die Wohnungssuche werde aufgrund des Schufa-Eintrags erschwert. Die Schulden belasten.
 
Anonymisierte Frau in Beratungssituation
"Kommen, wenn es bereits an allen Ecken und Enden brennt"
Die Inflation, die hierzulande zwischenzeitlich bei über 8 Prozent lag, sorgt zwar nicht initial für Schulden, wirkt aber bei Menschen wie Ivanovic wie ein Brandbeschleuniger: „Wenn das Geld für Miete und Essen genug ist, dann reicht das völlig. Aber jetzt sind die Kosten fürs Essen so teuer geworden. Nicht mal das, was immer billig war, ist jetzt noch billig.“ Aus der Schuldenfalle ist ein Hamsterrad geworden, aus dem jeder Ausweg schwer ist. Helfen soll da die Schuldnerberatung der Caritas, die Ivanovic seit einem Jahr in Anspruch nimmt.
 
„Es geht darum, der Betroffenen als Mensch zu begegnen“
 
Zur Schuldnerberatung zu gehen, empfand Ivanovic nicht als große Hürde. Den Hinweis, dass man dort Hilfe bekommen könne, bekam sie einst von der ihr wohlgesonnenen Heimleiterin des Pflegeheims, bei dem sie angestellt war, nachdem die Heimleiterin mitbekam, wie oft das Konto von Ivanovic gepfändet wurde.
 
Seit über einem Jahr geht Tatjana Ivanovic nun zur Caritas. Die Termine finden unregelmäßig statt, je nach Bedarf. „Es geht erstmal darum, der Betroffenen als Mensch zu begegnen, ihr die Angst zu nehmen“, sagt Ivanovics Schuldnerberaterin Helga Gabler. Sie berichtet, dass ihre Klienten oft erst spät in die Schuldnerberatung kommen, wenn es bereits an „allen Ecken und Enden brennt“. Also beispielsweise bereits eine Räumungsklage im Raum steht, oder der Betroffene nicht mehr weiß, wovon er überhaupt leben soll.
 
Teil der Schuldnerberatung ist zunächst eine Analyse der monatlichen Ausgaben mit dem Ziel der Reduktion aller unnötigen Ausgaben. Hierzu gehören laut Helga Gabler beispielsweise unnötige Versicherungen, überteuertes Tierfutter, exorbitante Handy-Verträge oder überzogene Geschenke. Wenngleich sie als Beraterin nur Vorschläge mache und niemandem etwas aufzwinge, hörten die Betroffenen oft auf ihren Rat.
 
Helga Gabler hilft ihren Klienten bei der Kommunikation mit Gläubigern, Gerichten und Banken. Zur Aufgabe der Schuldnerberaterin gehört auch die rechtliche Aufklärung ihrer Klienten. Schließlich werde von Gläubigerseite aus oft Druck ausgeübt, zum Beispiel mit Haftandrohung. Dabei kann im Normalfall niemand aufgrund von Schulden hinter Gitter kommen. Die Schuldnerberaterin klärt auf, dass es einen Pfändungsschutz für Kontoguthaben in Höhe des Grundfreibetrages von 1.410 Euro pro Monat gibt. Damit wird sichergestellt, dass Verschuldeten nicht alles genommen werden kann.
 
Die Caritas hilft nicht nur Katholiken
 
Wenngleich die Caritas eine katholische Organisation ist, spielt die Konfession bei der Schuldnerberatung laut Helga Gabler keine Rolle. Ob muslimisch, jüdisch oder konfessionslos: Die Caritas hilft allen, die Hilfe brauchen. Tatjana Ivanovic ist hierfür ein passendes Beispiel: Sie ist griechisch-orthodox.
 
Vielleicht haben die Vorzüge der Caritas gegenüber anderen Anbietern aber auch mit dem christlichen Menschenbild zu tun. So schwärmt Tatjana Ivanovic vom menschlichen Umgang bei der Caritas. „Nett fand ich, dass es nicht nur um die Schulden geht, dass ich auch mal etwas von meinen Kindern oder meinem Mann erzählen darf.“ Damit wird laut Helga Gabler eine vertrauliche Atmosphäre geschaffen und gezeigt, dass man trotz der ernsten Themen nicht verbittert sei, sondern auch miteinander lachen könne.

Tatjana Ivanovic ist heute gelassener als früher. Sie hat bereits alles erlebt: Gute und schlechte Zeiten. Die Gegenwart beschreibt sie als weder gut noch schlecht. Hilfreich sei, dass ihr Mann mittlerweile älter geworden sei und „keine Dummheiten mehr mache".
 
Im vergangenen Dezember hat Tatjana Ivanovic beim Insolvenzgericht in München ihre Privatinsolvenz beantragt. Nach drei Jahren bekommt sie, wenn alles nach Plan läuft, Restschuldbefreiung und ist damit schuldenfrei. „Dann bin ich echt froh, dass diese Belastung aus meinem Kopf weg ist.“ Hat ihr die Caritas auf dem Weg in Richtung Schuldenfreiheit weiter geholfen? „Ja, auf jeden Fall!“, ist sie überzeugt.
 
* Name geändert. Der Name ist der Redaktion bekannt.
 
Text: Wanja Oskar Ebelsheiser, Volontär beim Sankt Michaelsbund, Mai 2024

Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle der Caritas München Mitte
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