Seit 1971 gibt es im Erzbistum München und Freising Pastoralreferentinnen und -referenten. Anlässlich des jetzt nachgeholten 50-jährigen Jubiläums berichten mit Hans Fellner, Reinhard Hintermayer und Andreas Beer ehemalige und aktive Rektoren des Ausbildungszentrums im Interview über die Ausbildung im Wandel der Zeit.
Angehende Pastoralreferentinnen und -referenten: "Die Kirche braucht diesen Beruf mehr denn je"
Anlässlich des heuer nachgeholten 50-jährigen Jubiläums der Pastoralreferenten-Ausbildung im Erzbistum haben wir mit drei Ausbildern gesprochen.
Hans Fellner war von 1979 bis 1991 Rektor im Ausbildungszentrum (ABZ) und von 1991 bis 2010 Fachbereichsleiter für Pastoralreferenten und stellvertretender Personalreferent für die Pastoralen Dienste im Erzbischöflichen Ordinariat München (EOM).
Reinhard Hintermayr war ab 1990 mehrere Jahre Pastoralassistent und -referent in der territorialen Seelsorge, ab 1998 stellvertretender Ausbildungsleiter, von 2007 bis 2010 Rektor des ABZ und ist seit 2010 Diözesanreferent und Leiter der Abteilung Pastoralreferenten/-innen im Ressort Personal des EOM.
Andreas Beer ist seit 2017 Rektor im Ausbildungszentrum und war zuvor als Anleiter in Pfarreien mit der Ausbildung junger Kolleginnen und Kollegen beschäftigt.
Seit 1971 gibt es im Erzbistum München und Freising Pastoralreferenten. Was macht den Beruf aus?
Reinhard Hintermayr: Ein volltheologisches Studium, verbunden mit einer seelsorglichen Ausbildung, ist Zulassungsbedingung. Die Ausbildung ist davon geprägt, die theologischen Erkenntnisse persönlich anzueignen, geistlich zu durchdringen, lebenspraktisch zu verstehen und pastoral umzusetzen. Davon ausgehend nennt die Dienstordnung vier Schwerpunktsetzungen: Erstens die theologische Kompetenz in alle Aufgabenbereiche einbringen, zweitens insbesondere an der Schnittstelle von Kirche und Gesellschaft arbeiten, drittens immer mit dem Fokus auf die geistliche Begleitung der Menschen. Viertens werden Pastoralreferentinnen und -referenten häufig zu Führungsaufgaben herangezogen.
Hans Fellner: In der Ausbildung wird viel Wert gelegt auf eine hohe Qualität der Verkündigung der Frohbotschaft in vielfältigen Formen wie Religionsunterricht, Katechese, Bibelgespräch, seelsorgliche Begleitung oder Gottesdienst für die unterschiedlichsten Lebenssituationen der Menschen von der Geburt bis zum Sterben. Der Pastoralreferent ist für mich aufgrund seines „Laie-Seins“ ein Bindeglied: ein Theologe, eine Theologin aus dem Volk – mit dem Volk – für das Volk.
Herr Fellner, nachdem die Ausbildung zunächst im Priesterseminar angesiedelt war, wurden Sie 1979 erster Leiter im neuen Ausbildungszentrum (ABZ). Wie haben Sie die erste Zeit erlebt?
Hans Fellner: Es war spannend – eine Aufbruchzeit mit vielen Hoffnungen und manchen Ängsten. Es galt, das Bewährte in der gemeinsamen Ausbildung der Bewerber für den Priesterberuf und der Kandidatinnen und Kandidaten für den Beruf des Pastoralassistenten - so hieß er damals noch - weiterzuführen und dazu eigene Akzente für die Ausbildung und Berufseinführung der „Pastis“, wie sie sich selber nannten, zu entwickeln.
Dazu diente auch das neue ABZ im Studentinnenheim „Sophie-Barat-Haus“, das im Mai 1979 durch Kardinal Ratzinger eröffnet wurde. Für mich war dies ein Zeichen, dass die Erzdiözese diesem Beruf durchaus eine längere Zukunft ermöglichen wollte. Die Zusammenarbeit mit der Leitung des Priesterseminars war von Anfang an sehr gut, ein ehrlicher Umgang auf Augenhöhe. Unter den Studierenden des Priesterseminars und des ABZ war der Umgang nicht immer spannungsfrei, es gab Vorurteile und Schubladendenken - Stichwort: „Kleriker versus Laien“. Es war eine wichtige Aufgabe, durch gemeinsame Veranstaltungen den gegenseitigen Respekt vor den unterschiedlichen Lebensformen und spirituellen Ausdrucksformen zu fördern.
Wie hat sich der Beruf im Laufe der 50 Jahre verändert, auch im Zusammenspiel mit anderen pastoralen Berufen?
Reinhard Hintermayr: Das Berufsbild orientiert sich nicht mehr am Priesteramt, alle Berufe schätzen einander in ihren jeweiligen Spezifika und Gemeinsamkeiten. Pastoralreferenteninnen und -referenten arbeiten sich nicht mehr so sehr daran ab, was man nicht darf, sondern entfalten eigene attraktive Schwerpunkte. Weiters ist der Anteil von Frauen in der Berufsgruppe stetig gewachsen und beträgt inzwischen exakt 50 Prozent. Pastoralreferentinnen bringen zusammen mit den Gemeindereferentinnen die Erfahrungen und Positionen von Frauen in den inneren Verkündigungsdienst ein.
Schließlich lässt sich eine Schwerpunktverschiebung im Einsatz beobachten von der Territorialseelsorge hin zur Seelsorge mit speziellen Zielgruppen und Themenfeldern. Professor Paul Zulehner hat schon 2006 den Pastoralreferenteninnen und -refrenten attestiert, dass sie gut darin sind, neue pastorale Begegnungsfelder mit den Menschen in unserer pluralen Gesellschaft zu entwickeln.
Welche Veränderungen gab es in der Ausbildung?
Andreas Beer: Eine große Veränderung der letzten Jahre war die Verkürzung der Ausbildungszeit nach dem Studium von fünf auf drei Jahre. Waren es bisher, mit dem Studium von zehn Semestern und oft noch einem Freijahr, um weitere Erfahrungen zu sammeln, insgesamt also zehn bis elf Jahre bis zur Aussendung und dem unbefristeten Vertrag, sind es heute noch etwa acht Jahre. Eine wichtige Neuerung ist auch, dass nach der Studienzeit alle pastoralen Berufsgruppen zusammen in die Berufsausbildung einsteigen und die ersten Jahre zusammen auf dem Weg sind.
Reinhard Hintermayr: Wichtig war auch, als vor rund 20 Jahren die strukturelle Unterordnung des ABZ unter das Priesterseminar aufgelöst wurde. Ab da gab es zwischen den beiden Häusern eine Kooperation auf Augenhöhe und weiterhin intensive Gemeinsamkeiten in der Ausbildung. Das hat der Entwicklung einer eigenständigen Identität für den Beruf Pastoralreferentin und Pastoralreferent gutgetan.
Versucht man heute in der Ausbildung, aktuelle gesellschaftliche Tendenzen zu berücksichtigen und abzubilden, für die im kirchenrechtlich strenger reglementierten Priesteramt weniger Spielraum besteht? Stellen die Pastoralreferenten also in gewisser Hinsicht die „liberale Seite“ der Amtskirche dar?
Andreas Beer: In jedem Fall versuchen wir, eine Schnittstelle zur Gesellschaft zu sein und über den binnenkirchlichen Raum hinaus zu denken und zu wirken. Da unsere Berufsgruppe sehr bunt und verschieden ist und auch die Lebensformen divergieren, haben wir viele Anknüpfungspunkte, ob als Singles, Verheiratete oder Familienväter und -mütter. Nicht so klar auf eine festgelegte und tradierte Rolle wie die Priester festgelegt zu sein, macht es bisweilen schwierig, birgt aber auch die Chance, neue und kreative Wege zu gehen und vieles auszuprobieren.
Was bedeutet der Beruf im Hinblick auf die Rolle der Frau in der katholischen Kirche?
Andreas Beer: Menschen können an Pastoralreferentinnen erleben, dass Frauen ausgezeichnet als Seelsorgerinnen wirken. Sie tragen zur Vielfalt in der Verkündigung bei, bringen als Predigerinnen auch eine weibliche Perspektive in die Auslegung des Evangeliums ein, wirken bei Beerdigungen und in der Trauerarbeit, zeigen Führungsstärke. Letztlich wird erlebbar, wie sehr wirksame Seelsorge an der einzelnen Person und ihrer Authentizität hängt. Es bleibt zu hoffen, dass die Rolle der Frauen weiter ausgebaut wird.
Was macht den Beruf attraktiv?
Andreas Beer: Die Vielfalt der seelsorglichen Aufgaben. Von der Katechese im Kindergarten, dem Schulunterricht, der zum Staunen und Entdecken einlädt, zur Jugendfreizeit mit Spaß und Action, über die Gestaltung und Leitung von Gottesdiensten, dem Beistand und Trost in Trauer und Krankheit – ein buntes Feld an Aufgaben, an Lebensaltern und Lebensstationen, die Sinn und Freude an der eigenen Tätigkeit wirksam werden lassen.
Reinhard Hintermayr: Junge Menschen suchen heute oftmals einen Beruf, der Sinn und existenzielle Bedeutung hat. Das bietet unser Beruf in hohem Maß. Pastoralreferentinnen und -referenten arbeiten eigenverantwortlich in ihren Aufgabenbereichen. Sie haben ein riesiges Spektrum an Entwicklungsmöglichkeiten in den diversen Einsatzfeldern der Pastoral, aber auch im Blick auf Führungsaufgaben. Nicht zuletzt ist der Beruf mit Einsatzmöglichkeiten in Wohnortsnähe, Teilzeitangeboten und Sonderurlaub zur Kindererziehung oder zur Pflege familienfreundlich.
Welche Eigenschaften und Fähigkeiten sollte man mitbringen, wenn man Pastoralreferentin oder -referent werden möchte?
Andreas Beer: Unerlässlich ist sicher die eigene Kraft, die man aus dem Glauben zieht. Auch wenn eigene Zweifel und „trockene Zeiten“ notwendig dazugehören, werden Menschen spüren, ob man als Seelsorger aus dem Glauben lebt. Theologie ins Heute und die Sprache der Menschen übersetzen zu können, gern und offen auf andere zugehen zu können, sich als Suchender, nicht als Wissender zu verstehen und das Staunen nicht zu verlernen – das sind wesentliche Fähigkeiten.
Reinhard Hintermayr: Wesentlich gehört dazu, aus der Erfahrung zu leben: „Es ist gut, dass es mich gibt. Gott liebt mich und alle Menschen ohne Wenn und Aber.“ Nur so können wir dazu beitragen, dass „Glaube, Hoffnung und Liebe in den Menschen geweckt und gestärkt werden“, wie es in der Aussendungsliturgie heißt. In einem gesellschaftlichen Umfeld, in dem (Selbst-)Optimierung und die eigenen Kompetenzen im Mittelpunkt stehen, braucht es für die Seelsorge auch das Selbstbewusstsein, sich in den Dienst zu stellen.
Bis 2009 stieg die Zahl der Pastoralreferenten im Erzbistum kontinuierlich an – seitdem ist sie gesunken, warum?
Hans Fellner: Grund für den Rückgang waren sicher die strikten Sparmaßnahmen zu Beginn der Jahrtausendwende, die in allen Diözesen zu rigiden Begrenzungen in der Zulassung zu diesem Beruf führten. Da fragten sich natürlich Abiturientinnen und Abiturienten, ob es sich rentiert, ein Studium aufzunehmen. Mittlerweile haben sicher auch andere, kircheninterne Vorgänge manche junge Menschen vor einem kirchlichen Dienst abgeschreckt.
Wie sehen Sie den Beruf im Hinblick auf die Zukunft: Sind Sie zukunftsfähig aufgestellt?
Andreas Beer: Wir stehen vor großen Herausforderungen. Zum einen sinkt die Zahl derer, die aktiv ihren Glauben leben. Menschen tun sich zunehmend schwer, an einen personalen Gott, an Auferstehung, an ein Leben nach dem Tod zu glauben. Zentrale Glaubensinhalte brechen weg und müssen auch neu in unsere Zeit übersetzt werden, damit junge Menschen Zugang finden. Nur so findet sich auch Nachwuchs, der sich mit ganzem Einsatz dem Evangelium widmet und das zum Beruf, zur Berufung machen will. Natürlich sind auch die Skandale, der Missbrauch und der Vertrauensverlust in die Kirche für viele hinderlich, sich einen hauptberuflichen Weg in dieser Institution vorstellen zu können.
Reinhard Hintermayr: Ich schließe mich an: Der Glaubwürdigkeitsverlust schadet dem Glauben, aber auch der Kirche als Arbeitgeberin. Es braucht eine ehrliche und tiefgreifende Umkehr bei all den Themen des Synodalen Wegs. Und selbstverständlich müssen wir permanent für Qualität in Ausbildung, Personalführung, -entwicklung und -einsatz sowie für eine gute Bezahlung sorgen. Von 2018 bis 2021 haben wir in der Erzdiözese an vielen Stellschrauben einer Personalstrategie gedreht und uns Know-how von außen geholt. Im Letzten müssen wir aber immer besser Kirche werden: Zeichen und Werkzeug der Liebe Gottes.
Hans Fellner: Kardinal Döpfner hat mir 1973 gesagt: „Der Heilige Geist gibt der Kirche zu jeder Zeit die Dienste, die sie gerade braucht.“ Deswegen hat er auch den Beruf des Pastoralreferenten eingeführt. Ich glaube, dass die Kirche auf ihrem weiteren Weg diesen Beruf mehr denn je braucht. Deshalb wird es auch weiterhin Interessenten dafür geben.
Interview: Joachim Burghardt, Redakteur der "Münchner Kirchenzeitung", Juni 2022
Unterschied zwischen Pastoral- und Gemeindereferenten
Während bei Pastoralreferentinnen und -referenten die Theologie den Beruf prägt, ist es bei Gemeindereferentinnen und -referenten das Hochschulstudium Religionspädagogik und kirchliche Bildungsarbeit. Beide Berufe, ebenso natürlich die ständigen Diakone und die Priester, haben Gemeinsamkeiten, bringen aber von Anfang an besondere Berufscharismen in die Pastoral ein.
Ausbildung Pastoralreferenten/-innen
Franz-Joseph-Str. 6
80801 München
Ausbildungsleiter, Rektor:
Andreas Beer
Ausbildungsleiter:
N.N.
Geistlicher Mentor/geistliche Mentorin:
Joachim Rauch/Silvia Schwaiger