Wer Sorgen hat, kann die Nummer der Telefonseelsorge wählen. Für alle, die nicht gern telefonieren, gibt es seit einiger Zeit jedoch zusätzlich auch Online-Beratungen per E-Mail oder Chat. Eine ehrenamtliche Mitarbeiterin der Münchner Telefonseelsorge gibt Einblicke in ihre ehrenamtliche Arbeit, bei der sie auch hilft, „Empfindungen und Gefühle in Worte zu fassen“:
Die Münchner Telefonseelsorge nutzt zur Beratung verschiedene Kommunikationsmittel: nach wie vor das Telefon und immer häufiger auch den Online-Chat.
Gerade die genannten Online-Angebote sind es, die immer stärker nachgefragt werden, zum einen, weil während der Corona-Pandemie viel Beratungsbedarf besteht, zum anderen, weil jüngere Hilfesuchenden oft weniger gern telefonieren. Die Hauptgruppe bildet hier die Altersgruppe der 20-29-Jährigen, danach folgt die der 30-39-Jährigen und schließlich die der 14-19-Jährigen. Nachgefragt werden die Chats vor allem von jungen Frauen. Diese treffen bei der
Münchner Telefonseelsorge auf – oft ebenfalls noch recht junge – ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Eine von ihnen ist Theresia, eine 36-jährige Mutter, die im Hauptberuf Angestellte einer Softwarefirma ist. Theresia hat für diesen Beitrag Einblicke in ihre ehrenamtliche Tätigkeit gegeben, für die sie, wie alle ihre Kolleginnen und Kollegen der Telefonseelsorge, unter einem Decknamen arbeitet, unter dem sie auch hier zu Wort kommen soll.
Das Spektrum ist vielfältig, das Theresia in den von ihr betreuten Chats begegnet, angefangen bei Problemen mit den Eltern wegen Liebeskummer bis hin zu den Themenkomplexen „Ängste“ und „depressive Verstimmungen.“ Wie kann man hier als ehrenamtliche Mitarbeiterin helfen? „Das Wichtigste ist zunächst einmal, dass ich da bin und mir die Zeit nehme, dass ich zuhöre, mir das Anliegen erzählen lasse – und das stets mit großer Wertschätzung“, stellt Theresia fest. Häufig wendeten sich Ratsuchende auch an die Telefonseelsorge, weil sie Ablenkung von ihrem Alltag bräuchten, in dem sie Ängste quälten oder in dem sie sich mit ihren Sorgen nicht ernstgenommen fühlten. „Das, was wir leisten, ist, dass wir Gefühle und Empfindungen in Worte fassen, für die die Ratsuchenden noch gar keine Worte haben“, erklärt die Online-Seelsorgerin und führt weiter aus: „Wir geben dem Ratsuchenden Impulse, das Problem auch aus einer anderen Perspektive zu sehen, so dass er möglicherweise andere Aspekte als bisher wahrnehmen kann.“
Gefühle und Empfindungen in Worte fassen - das fällt vielen beim anonymen Schreiben leichter.
Die Ehrenamtlichen der Münchner Telefonseelsorge erfahren dabei viel Unterstützung seitens der hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese haben von vorneherein viel Druck von den ehrenamtlichen Seelsorgern genommen, erläutert Theresia, „indem man uns ganz klar gesagt hat, dass wir keine Probleme lösen und keine Therapeuten ersetzen, dass wir die Verantwortung für die Probleme der Ratsuchenden nicht übernehmen können.“ Das nämlich braucht es gar nicht. Theresia bekommt für ihre Präsenz während der Chats, wie sie sagt, so oft ein „Vielen Dank, dass Sie für mich da waren, dass Sie sich für mich Zeit genommen haben“ zurück – ein Feedback, das ihr spiegelt, dass sie in ihrem Ehrenamt genau am richtigen Platz ist.
Die Chat-Termine der Telefonseelsorge werden im Gegensatz zu den Telefonaten deutschlandweit vergeben, und zwar für 15, 30, 45 oder 60 Minuten. Gerne übernimmt Theresia die halbstündigen Chats, für sie bieten diese ein optimales Zeitfenster, um sich einem Chat-Partner und seiner Geschichte zu widmen. In der Regel bleibt es auch bei diesem einen Termin, nur sehr selten verabredet sich Theresia zu einem Folgechat mit demselben Gegenüber. Auf diese Weise steht Theresia im Moment während ihrer Elternzeit ein- bis zweimal wöchentlich für eineinhalb Stunden zur Verfügung und damit für etwa zwei, drei Chats pro Termin. Vor der Babypause arbeitete sie neben ihrem Vollzeitjob an einem Abend für die Telefonseelsorge drei bis vier Stunden pro Woche.
Alle ehrenamtlichen Mitarbeitenden der Münchner Telefonseelsorge werden in einer intensiven Ausbildung auf ihre Aufgaben vorbereitet. Der Kurs dauert ein Jahr und findet im Schnitt an einem Wochenende im Monat statt. Danach schließen sich Hospitationen an, bei denen die angehenden Telefonseelsorger bei erfahrenen Ehrenamtlichen die Arbeitspraxis kennenlernen. Theresia hat den Lehrgang 2016 absolviert. Sie erinnert sich noch heute gerne daran, was sie auch über sich selbst und die eigene Person gelernt hat, ging es zu Beginn des Kurses doch zunächst einmal um die Fragen: „Wer bin ich?“, „Wo sind meine Probleme, wo die Baustellen in meinem Leben, die in einem Gespräch plötzlich präsent werden können?“ Ein zentraler Inhalt des Kurses war das Thema „Gesprächsführung“, und Theresia erklärt warum: „Unser Leitspruch lautet: ´Der Ratsuchende ist der Experte für das Problem, und wir sind die Experten für das Gespräch und seine Struktur´“.
Nach erfolgreichem Abschluss des Lehrgangs werden die Ehrenamtlichen kontinuierlich bei ihrer Tätigkeit begleitet, und das ist nicht zuletzt deswegen von hoher Bedeutung, weil alle Mitarbeitenden der Telefonseelsorge einer Schweigepflicht unterliegen, selbst dem engsten Umfeld gegenüber. Somit sind es drei Säulen, die Theresia Halt geben und ihr Ehrenamt mittragen: Eine stabile familiäre Umgebung, die professionelle Supervision, die regelmäßig angeboten wird, und schließlich der Austausch mit den anderen ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen.
Theresia ist es dabei ein besonderes Anliegen, die stete Unterstützung durch die hauptamtlichen Mitarbeitenden der Münchner Telefonseelsorge zu betonen, bei denen man „einfach merkt, dass sie nicht irgendeinen Job machen, sondern mit ganzem Herzen bei uns und der Sache sind“, und Theresia fährt fort: „Beispielsweise haben uns die Hauptamtlichen unter den Corona-Bedingungen schnell ermöglicht, dass wir Ehrenamtler uns jederzeit über Zoom-Konferenzen treffen können.“ Freilich, ein vollständiger Ersatz für das persönliche, menschliche Miteinander kann, soll und will auch das nicht sein, so Theresia. Deshalb freut sie sich schon auf jenen Moment, „wenn wir uns wieder ungezwungen zu einem Ratsch in nettem Ambiente mit Kaffee und kleinen Snacks treffen können, die Ehrenamtlichen gemeinsam mit den Hauptamtlichen der Münchner Telefonseelsorge.“
Text: Dr. Christiane Schwarz, Stabsstelle Kommunikation, Januar 2021
Telefonseelsorge München
Leiter: Alexander Fischhold