Markt Schwaben. Es ist kurz nach 14 Uhr. Im Pfarrsaal von St. Margaret haben die ersten schon Platz genommen, obwohl das Treffen eigentlich erst in einer halben Stunde anfängt. „Zusammen ist man weniger allein“ heißt die Veranstaltung. Zum dritten Mal kommen an diesem Nachmittag verwitwete Frauen und Männer zusammen. Gemeindereferentin und Altenheimseelsorgerin Maria Leutgäb begrüßt als Leiterin jeden persönlich. Wer neu ist, wird von ihr an einen Tisch begleitet und mit denen bekannt gemacht, die dort bereits sitzen. „Die Menschen, die hierherkommen, haben oft sehr lange in einer Beziehung gelebt. Dann ist plötzlich der geliebte Partner, die geliebte Partnerin tot. Das Leben fühlt sich danach total anders an“, hört die Seelsorgerin immer wieder.
Auch nach der ersten Trauerphase bleibt bei vielen das Gefühl des schmerzhaften Verlustes, einer Lücke im Leben, die nur schwer zu füllen ist. „In dieser Gruppe verstehen das alle, weil sie alle dasselbe erlebt haben“, ergänzt Maria Leutgäb. Und hier können sich Möglichkeiten ergeben, mit anderen zusammen weniger allein zu sein.
„Ich kenne hier sehr viele Menschen aus der älteren Generation. Ich bin 1946 geboren, also ein Nachkriegskind. Diejenigen, die heute noch älter sind, haben uns, als wir noch Kinder waren, so viel gegeben. Da will ich etwas zurückgeben. Sie freuen sich, wenn ich dabei bin und Musik mache.“ Musiker Hermann Bogenrieder
Bei Anna Schmid hat das gut funktioniert. Sie hat sich mit anderen verwitweten Frauen aus diesem Kreis zusammengetan. Seither unternehmen sie regelmäßig etwas gemeinsam. „Wir gehen jede Woche ins Café. Wir haben immer viele Themen, über die wir miteinander reden“, beschreibt Anna Schmid die gemeinsamen Aktivitäten. Die 79-Jährige ist seit zwei Jahren verwitwet. Sie hat auch Paare im Freundeskreis, aber das Zusammensein mit ihnen sei anders: „Die können sich nicht vorstellen, wie schlimm es ist, wenn man plötzlich allein ist. Ich selbst hatte davon früher auch keine Ahnung.“ Deshalb ist für sie die Gruppe „Zusammen ist man weniger allein“ und der dort gefundene Freundinnenkreis so wichtig.
Nicht alle sind so kontaktfreudig. Manche brauchen Unterstützung. Deshalb gibt Maria Leutgäb Anregungen, etwa einen gemeinsamen Ausflug zu machen. Beim nächsten Treffen fragt sie nach, was daraus geworden ist. Diesmal regt sie an, sich zum gemeinsamen Mittagessen zu verabreden, bei dem sie selbst auch dabei sein will. Ein älterer Herr meldet sich sofort. Andere wollen dazukommen.
Die drei Treffen pro Jahr im Pfarrsaal sind liebevoll vorbereitet. Mehrere Frauen haben leckere Kuchen gebacken. Es gibt Kaffee, Tee, Wasser und Limonade. Aber das leibliche Wohl ist nicht alles. Maria Leutgäb gibt auch inhaltliche Impulse. Diesmal nimmt sie das Rilke-Gedicht „Herbst“ als Einstieg, in dem das Fallen der Blätter mit der großen Hand Gottes in Beziehung gebracht wird, in die alles hineinfällt. Es wird still im Pfarrsaal, aber nicht zu lange, denn die Seelsorgerin leitet über zum Vertrauen in das Leben, dass jeder und jedem geschenkt ist. Dann hat Hermann Bogenrieder seinen Einsatz: Er singt und begleitet mit seiner Gitarre das Lied „I bin a Schwaberer“. Manche kennen es schon und sind beim Refrain dabei. Später verteilt Bogenrieder Zettel mit den Texten von Liedern Freddy Quinns, bei denen viele freudig mitsingen. Die Stimmung ist gut und man sieht viele strahlende Gesichter. Um halb Fünf brechen die meisten auf und freuen sich schon aufs nächste Mal.
„Zusammen ist man weniger allein“ ist ein Konzept der Abteilung Seniorenpastoral der Erzdiözese München und Freising und im Rahmen des Projekts „neongrün statt beige“ entstanden. Die Einladungskarten zu den Treffen wurden von einer Grafikerin gestaltet und zeigen bunte Luftballons vor einem blauen, sonnigen Himmel. So wird bereits optisch das Signal gegeben, dass das Leben auch nach einem schweren Verlust noch etwas zu bieten hat. Vor dem Start in Markt Schwaben wurde es bereits in Neumarkt St. Veit im Landkreis Mühldorf umgesetzt.
Unter Leitung des Pastoralreferenten und Seniorenseelsorgers Michael Tress, der das Projekt initiiert hat, trifft sich dort regelmäßig eine Gruppe; mittlerweile haben sich auch deren Mitglieder untereinander zu verschiedenen Aktivitäten vernetzt. Weitere Gruppen von „Zusammen ist man weniger allein“ gibt es seit kurzem in Flossing, ebenfalls begleitet von Michael Tress, und in Waldkraiburg unter der Leitung von Seniorenseelsorger Josef Scherr.
Adelheid Widmann leitet die Abteilung Seniorenpastoral im Erzbischöflichen Ordinariat und hat das Projekt mitentwickelt. „Wir verwirklichen dabei den sogenannten diakonisch-mystagogischen Ansatz“, beschreibt sie die Besonderheit des Konzepts. „Das heißt, dass die Seelsorgerinnen und Seelsorger für die Teilnehmenden da sind, dass sie Anteil nehmen und zuhören. Durch Zuhören, Nachfragen und das gemeinsame Reden kann sichtbar werden, was das Geheimnis des jeweiligen Lebens ausmacht und wo möglicherweise Gottes Spuren darin zu entdecken sind.“ Falls gewünscht, bieten die Seelsorgerinnen und Seelsorger auch Orientierung und Hilfe bei Lebens- und Sinnfragen an.
Adelheid Widmann hofft auf viele Nachahmerinnen und Nachahmer für „Zusammen ist man weniger allein“. Je nach Gemeinde können dabei unterschiedliche Akzente gesetzt werden. „Was geschieht, hängt von den Teilnehmenden ab. Das Projekt nimmt die Menschen in ihrem Gestaltungswillen ernst.“
Text: Gabriele Riffert
Seniorenpastoral
Schrammerstr. 3
80333 München
seniorenpastoral(at)eomuc.de
Abteilungsleiterin:
Adelheid Widmann