Sie achten auch bei Ehrenamtlichen darauf, dass keine Menschen, die Kinder und Jugendlichen schaden könnten, in kirchliche Einrichtungen gelangen. Wie kontrollieren Sie das?
Lisa Dolatschko-Ajjur: Indem es bei uns in der Stabsstelle eine Mitarbeiterin gibt, die Einsicht in die erweiterten Führungszeugnisse von Ehrenamtlichen nimmt. Das ist eine verpflichtende Maßnahme für alle ehrenamtlich Tätigen. Nur wenn das Führungszeugnis keinen einschlägigen Eintrag enthält, kann der- oder diejenige bei uns tätig werden.
Sie betonen, dass die konsequente Berücksichtigung der Perspektive Betroffener essentiell für die wirksame Prävention ist. Hat man Betroffenen bisher zu wenig Glauben geschenkt?
Lisa Dolatschko-Ajjur: Diese Frage muss man mit einem ganz klaren Ja beantworten, auch wenn sich in den letzten Jahren bei unseren kirchlichen Strukturen viel verändert hat. Von Seiten der Prävention bitten wir seit Jahren Betroffene darum, unsere Arbeit kritisch zu begleiten. Für uns ist es sehr wichtig, dass wir die Perspektive von Betroffenen mit einfließen lassen.
Es ist unendlich schmerzvoll, was sie erleben mussten. Wenn sie dazu bereit sind, können sie jetzt sagen, was ihnen damals geholfen hätte: Ob es damals zum Beispiel irgendetwas hätte geben können, was den Missbrauch verhindert hätte oder ob bestimmte Strukturen oder Maßnahmen das unermessliche Leid im Nachhinein wenigstens ein klein wenig hätten mindern können. Dazu gehört, dass man den Betroffenen Glauben schenkt und sich zu 100 Prozent mit ihnen solidarisiert.
Missbrauch kann theoretisch für jeden irgendwann ein Thema sein, etwa weil er oder sie etwas beobachtet, was seltsam scheint. Wie kann man sich hier richtig verhalten?
Lisa Dolatschko-Ajjur: Wem im kirchlichen Bereich in der Erzdiözese etwas auffällt, möge sich bitte unbedingt sofort an die
unabhängigen Ansprechpersonen für Betroffene wenden. Alle kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind dazu verpflichtet, jeden Hinweis an diese Ansprechpersonen weiterzugeben. Diese stehen auch für Fragen zur Verfügung, wenn jemand etwas beobachtet hat oder bemerkt, dass eine eigenartige Nähe zwischen Erwachsenen und Minderjährigen besteht.
Sollte die Beobachtung im sonstigen gesellschaftlichen oder innerfamiliären Kontext erfolgt sein, kann man sich zum Beispiel ans Kinderschutzzentrum wenden oder Beratungsstellen wie Wildwasser oder MIM. Mit einer solchen Beobachtung muss und soll niemand allein bleiben.