Bauen, Kaufen, Mieten, Wohnen - gerade auf dem Gebiet des Erzbistums München und Freising sind die Herausforderungen auf dem Wohnungsmarkt mit fehlendem Wohnraum und steigenden Kosten immens. Im Interview schildern die Geschäftsführer Stefan Geissler und Bernd Weber, wie sich das Katholische Siedlungswerk positioniert und formulieren auch Erwartungen an die Politik.
Modellprojekt des Katholischen Siedlungswerks in Grafing zum nachhaltigen und klimaneutralen Bauen mit Holz
Herr Geissler, wie nehmen Sie derzeit die Situation auf dem Bau- und Wohnungsmarkt im Großraum München wahr?
Stefan Geissler: Es gibt eine aktuelle Prognose, dass die Bevölkerungszahl in Bayern bis 2040 um 3,9 Prozent anwachsen wird. Für die Landeshauptstadt München rechnet man bis dahin sogar mit 14,1 Prozent mehr Einwohnern, das entspricht einem Zuwachs von über 220.000 Personen. Die hohe Nachfrage nach Wohnraum im Großraum München bleibt also auf absehbare Zeit bestehen.
Zugleich bricht die Neubautätigkeit derzeit fast völlig ein, denn steigende Baukosten, höhere Zinsen und immer höhere Anforderungen machen das Bauen erheblich teurer. Die damit möglichen Renditen sind mittlerweile so gering, dass viele Mitbewerber Neubauprojekte streichen. Das bedeutet, dass Wohnraum fehlt und die Mieten absehbar weiter steigen werden.
Herr Weber, mit welchen Herausforderungen kämpft Ihre Branche derzeit besonders stark?
Bernd Weber: Die Politik verkündet, alles wird einfacher. Die Realität ist aber, dass alles komplizierter wird. Bei Neubauprojekten müssen äußerst hohe energetische Standards umgesetzt werden, um überhaupt noch öffentliche Fördergelder zu erhalten.
Im 14-Punkte-Plan der Bundesregierung vom September 2023 heißt es: „Bau von bezahlbarem Wohnraum für alle vereinfachen und beschleunigen“. Das ist richtig und wichtig. Die vereinfachte und schnellere Baurechtschaffung, die dabei sehr helfen würde, soll aber erst am 31. Dezember 2026 in Kraft treten. Das ist viel zu spät.
Stefan Geissler: Zugleich werden im Staccato-Tempo neue Verordnungen und Gesetze zum Bauen erlassen. Häufig - wie zuletzt beim Gebäudeenergiegesetz - geht der Gesetzgeber dabei drei Schritte vorwärts und dann wieder zwei Schritte rückwärts. Das fordert alle Beteiligten extrem. Von Planungssicherheit kann hier leider keine Rede sein.
Eine weitere Herausforderung ist die anstehende Klimatransformation: Unsere 3.000 Wohneinheiten sind zu zwei Dritteln gasversorgt. Wir wollen langfristig weg von fossilen Brennstoffen und setzen dort, wo keine Fernwärme möglich ist, auf Wärmepumpen- und Hybridsysteme. Damit werden wir unseren CO2-Fußabdruck von derzeit etwa 5.000 Tonnen pro Jahr bis 2050 auf nahezu null bringen. Um hier planvoll vorzugehen, haben wir eine „Klima-Roadmap“ entwickelt. Dort ist festgelegt, wann wir welche Heizzentrale anpacken, wann wir welche Fassaden sanieren und so weiter. Wir werden hier rund 0,2 Milliarden Euro in unseren Bestand investieren müssen.
Stefan Geissler (l.) und Bernd Weber
Was wäre an Sofortmaßnahmen nötig, damit die Bauwirtschaft zum Weiterbauen motiviert ist?
Stefan Geissler: Wichtig wären zunächst zinsgünstige Kredite für Bauprojekte, die bezahlbaren Wohnraum schaffen. Daneben brauchen wir eine radikal andere Bodenpolitik mit erkennbarer Vorfahrt für bezahlbares Wohnen.
Dann könnte helfen, die Anforderungen an Neubauten zu hinterfragen und zu vereinfachen. Hier hilft auch der Blick ins europäische Ausland. So wird zum Beispiel in den Niederlanden der Lärmschutz zwischen Gewerbe und Wohnen wesentlich flexibler gehandhabt, wenn das die beteiligten Parteien wünschen. Das ermöglicht neuen Wohnraum, der bei uns so nicht möglich wäre.
Schließlich wäre wichtig, die Preisentwicklung bei Rohstoffen durch die Bundesregierung im Blick zu behalten. In den letzten Monaten hatten wir etwa einen enormen Preisanstieg beim Holz durch die hohe Auslandsnachfrage. Die Lage hat sich zwar wieder etwas beruhigt. Hier würden wir uns eine temporäre Marktregulierung wünschen, die die heimische Wirtschaft unterstützt.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Mietpreise?
Stefan Geissler: Die Entwicklung der Mietpreise hinkt der Entwicklung der Grundstückswerte, Kaufpreise, Bau- und Sanierungskosten weit hinterher. Das kann jeder nachvollziehen, der eine Immobilie in München besitzt. Der Handlungsspielraum für die Wohnungswirtschaft wird damit auch ohne Mietmoratorien geringer. So nachvollziehbar wie der Ruf nach günstigen Mieten erscheint: Die gewaltigen Anstrengungen der Klimatransformation können nur Hand-in-Hand im Trio Öffentliche Hand/ Wohnungswirtschaft/Mieter gestemmt werden.
Engagiert sich das Katholische Siedlungswerk München beim Bau von Wohnungen für Familien?
Stefan Geissler: Unser Unternehmenszweck ist die Schaffung und Erhaltung von nachhaltigem Wohn- und Lebensraum für breite Bevölkerungsschichten, insbesondere für Familien. Wohnraum für Familien zu schaffen, war immer schon und bleibt auch künftig ein Schwerpunktthema für uns.
Bernd Weber: Wir haben zum Beispiel bei unserer Wohnanlage in der Siglstraße in München die Anzahl der familienfreundlichen Wohnungen bewusst erhöht. Bei unserer Wohnanlage in Großkarolinenfeld im Landkreis Rosenheim haben wir das Thema „Mehrgenerationenwohnen“ aufgegriffen: Kleine Wohnungen für Studenten, familienfreundliche Wohnungen und seniorenfreundliche Wohnungen sind hier unter einem Dach vereint. In allen neuen Wohnanlagen werden auch große und familiengerechte Wohnungen umgesetzt.
Wie stehen Sie zum Thema „Mietmoratorium“?
Bernd Weber: Das Katholische Siedlungswerk München hat auf Mieterhöhungen im Zeitraum von 2019 bis 2022 freiwillig verzichtet. Wir praktizieren weiterhin die freiwillige Selbstverpflichtung, Mieten innerhalb von fünf Jahren maximal um zehn Prozent zu erhöhen.
Die Durchschnittsmiete im Wohnungsbestand des Katholischen Siedlungswerks München beträgt derzeit 9,10 Euro pro Quadratmeter und Monat. Im Neubaubereich schöpfen wir die marktmöglichen Mietpreise grundsätzlich nicht aus.
Bauen Sie auch für einkommensschwache Personen?
Stefan Geissler: Ja, denn das entspricht unserer Satzung, in der die Förderung des kirchlich-sozialen Wohnungsbaus verankert ist. Wir machen das nicht nur dann, wenn es für ein neues Baurecht von der Stadt zwingend vorgegeben wird, sondern auch freiwillig, zum Beispiel bei unserem neuen Projekt in Berg am Laim: Dort bauen wir 40 Prozent der Wohnungen für Personen mit Wohnberechtigungsschein. Insgesamt haben wir rund 20 Prozent geförderte Wohnungen in unserem Bestand.
Bernd Weber: Ein gutes Beispiel hierfür sind auch unsere beiden Clearinghäuser in der Plinganser- und der Leipartstraße in München mit einem besonderen Nutzungskonzept: Die Angebote zur Integration durch Arbeit wenden sich an langzeitarbeitslose Menschen, die bei der Suche nach einer Arbeit auf dem allgemeinen Stellenmarkt benachteiligt sind. Der Katholische Männerfürsorgeverein als Träger der Einrichtung fördert die Integration durch Arbeit in Form von Arbeitstraining und Arbeitstherapie.
Text: Gabriele Riffert, Freie Autorin, November 2023
Katholisches Siedlungswerk München GmbH
Adolf-Kolping-Straße 4
80336 München
Geschäftsführer:
Stefan Geissler und Bernd Weber