Ein Stück Heimat in der Fremde Integration in der französischsprachigen Katholischen Gemeinde München

Die französischsprachige Katholische Gemeinde München bietet Neuankömmlingen mit einer offenen Kultur, lebendigen Familiengottesdiensten und einer starken Gemeinschaft eine spirituelle Heimat. Gemeindemitglied Mark Hitti weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig diese Nähe ist.
Mark Hitti und sein Sohn Marius
Mark Hitti beim Getränkeausschank im Pfarrsaal der französischsprachigen Katholischen Gemeinde München – neben ihm sein Sohn Marius.
Es ist Sonntag, kurz vor halb elf. Die Klosterkirche St. Anna im Münchner Lehel füllt sich. Nicht nur die Bankreihen sind besetzt, sondern es werden auch viele zusätzliche Stühle benötigt. Mark Hitti bringt sie herbei und stellt sie in einem bemerkenswerten Tempo auf. Als Mitglied des Pfarrgemeinderats der französischsprachigen Gemeinde Münchens ist er für organisatorische Fragen zuständig. Auch bei den Stühlen packt er mit an.
Die Kirche ist nun gut gefüllt. Viele Familien mit kleineren Kindern sind darunter, Menschen aus Europa, Asien, Afrika. Sie eint als Band die französische Sprache. Der Chor, der sich oben bei der Orgel versammelt hat, probt noch Gesänge, dann ziehen die beiden Priester Marc Grosstephan und Philippe Phemo Lufumba mit den Ministranten ein. Im Familiengottesdienst dürfen Kinder die Lesungstexte vortragen und die Fürbitten sprechen. Auch in der Predigt sind die Kinder gefragt und sie antworten spontan.
 
Menschen sammeln und vereinen

Nach dem Gottesdienst folgen viele Gemeindemitglieder der Einladung zum Apéro im benachbarten Pfarrsaal. Hier gibt es Wasser, Saft und Knabbereien für alle und für die Erwachsenen auch ein Glas Wein. Mark Hitti ist mittlerweile mit einigen anderen für die Ausgabe der Getränke zuständig und die beiden Priester haben sich unter die Gemeinde gemischt. Wer neu ist, wird sofort von einem Gemeindemitglied angesprochen und integriert. Hier bleibt niemand allein. „Das ist unsere Aufgabe. Wir sammeln und vereinen die Menschen, die zu uns kommen“, erklärt Pfarrer Marc Grosstephan. Etwa ein Drittel der Gottesdienstbesucher lebt nur zwei, drei Jahre in München. Sie wurden von ihren Firmen zur Arbeit hierhergeschickt, oder sie sind hier für ein Studium und gehen dann wieder. „Für sie ist die französischsprachige Gemeinde ein Stück Heimat“, so der 61-jährige Priester, der aus dem Elsass stammt und deshalb sowohl perfekt Französisch als auch Deutsch spricht.
 
Pfarrer Marc Grosstephan
Pfarrer Marc Grosstephan
Andere französischsprachige Katholiken kommen neu nach München und wollen hier länger bleiben. Und ein Teil kommt und bleibt für lange Zeit. „Für sie alle sind wir eine Art Auffangnetz, das ihnen dabei hilft, hier anzukommen und sich zu orientieren“, so Pfarrer Grosstephan. Hier sei es wichtig, dass sie von erfahreneren Gemeindemitgliedern willkommen geheißen würden. Mark Hitti ist ein solcher Katholik. Der 43-Jährige bringt selbst eine doppelte Migrationsgeschichte mit. Der gebürtige Libanese zog mit seiner Familie nach Frankreich, als er zehn Jahre alt war. Dort lernte er seine spätere Frau kennen, die allerdings schon früh nach München umzog, wo sie Lehrerin am Oskar von Miller Gymnasium Deutsch und Französisch unterrichtet. „Aus Liebe zu ihr bin ich ebenfalls hierher umgezogen, damit wir eine Familie gründen und zusammenleben können“, lächelte Mark Hitti verschmitzt. Zwölf Jahre ist das mittlerweile her.
 
Aktiv auf Neue zugehen

Der Datenanalytiker, der nicht nur Französisch und Deutsch spricht, sondern auch Englisch und libanesisches Arabisch, hat sich nach seiner Ankunft in München zunächst in deutschsprachigen Gemeinden umgesehen und auch die Messe der maronitischen Christen in arabischer Sprache besucht, wo er auch bis heute angedockt ist. „Aber es hat mir etwas gefehlt, was ich hier in der französischsprachigen Gemeinde gefunden habe“, erinnert sich Mark Hitti. Dass die Menschen aktiv auf Neue zugehen und dass hier wirklich große Teile der Weltkirche versammelt sind. Deshalb fing er an, sich hier selbst intensiver zu engagieren und nun seinerseits Neue willkommen zu heißen. 2022 wurde er in den Pfarrgemeinderat der französischsprachigen Gemeinde gewählt. „Ich will ein Vorbild für meine Kinder sein. Sie sollen sehen, dass es sich lohnt, ehrenamtlich im kirchlichen Kontext aktiv zu werden“, ergänzt der Vater von Marius und Adèle.
 
Marc Grosstephan und Mark Hitti im Pfarrsaal
Marc Grosstephan und Mark Hitti im Pfarrsaal
Eine ehrenamtliche Aktion für die Gemeinde ist Mark Hitti noch besonders lebhaft in Erinnerung: Als ein Gemeindemitglied gestorben war, konnten viele Angehörige nicht zur Beisetzung nach München anreisen, weil der Weg zu weit und die Flüge zu teuer gewesen wären. „Da kam uns die Idee, dass wir die Beisetzung online übertragen könnten und ich habe dazu einen Youtube-Kanal eingerichtet. Das hat auch gut funktioniert. Für die Angehörigen war es eine große Erleichterung zu sehen, dass ihr Verwandter hier wertgeschätzt war und in Würde bestattet wurde“, berichtet er stolz.
 
Für alle nach ihren Bedürfnissen da

Die Katholiken, die hierherkommen, sind ziemlich verschieden, auch was ihren soziokulturellen Hintergrund angeht, erklärt ergänzt Pfarrer Marc Grosstephan. So gibt es Gemeindemitglieder, die bei multinationalen Großkonzernen beschäftigt sind und deshalb sehr gut verdienen. Und es gibt neu angekommene Migranten aus Afrika, die wenig besitzen und mit der Bürokratie deutscher Behörden zu kämpfen haben. „Es ist aber nicht so, dass jeder Franzose, Belgier oder französischsprachige Schweizer wohlhabend wäre und dass jeder Afrikaner arm wäre. Es gibt unter allen alles. Wir sind in unserer Gemeinde für alle Menschen nach ihren Bedürfnissen da. Und wo es nötig ist, vermitteln wir auch Hilfen, handhaben das aber sehr diskret“, ergänzt Pfarrer Grosstephan.
Familiengottesdienst in der Kirche St. Anna
Familiengottesdienst in der Kirche St. Anna
Um ihn haben sich mittlerweile schon wieder verschiedene Teilnehmer des Apéro geschart. Eine Familie will ihren neugeborenen Sohn taufen lassen. Man sieht dem Pfarrer an, wie sehr es ihn freut, dass seine lebendige Gemeinde jung bleibt. Schnell ist ein Termin für das Taufgespräch gefunden. Dann meldet sich schon eine Frau mittleren Alters, die auch aus dem Elsass stammt und von Pfarrer Marc Grosstephan wissen möchte, wo sie in München ein französischsprachiges Brevier finden kann. Er lädt sie ein bis zum Schluss zu bleiben, dann will er ihr eines von seinen überlassen. Und schließlich bittet ihn ein jüngerer Mann aus dem Senegal um Übersetzungshilfe bei einem Formular. „Mark, kannst du hier bitte helfen? Oder deine Frau?“, verweist er an Mark Hitti weiter, der nach einem kurzen Blick auf das Formular meint: „Das ist etwas für meine Frau. Sie spricht viel besser ‚Behördendeutsch‘ als ich.“

Ein ganz normaler Sonntag in der französischsprachigen Gemeinde neigt sich dem Ende zu. Die Menschen haben Heimat erfahren, Nähe und Wärme erlebt und, wo es nötig war, auch konkrete Unterstützung. Gut zu ahnen, was die fremdsprachigen Gemeinden in der Erzdiözese alles leisten.

Text: Gabriele Riffert, freie Redakteurin, November 2024

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