Angehörige von Menschen mit Demenz sind oft großen emotionalen und körperlichen Belastungen ausgesetzt. Im Glauben und in der Gemeinschaft mit anderen können sie neue Kraft schöpfen. Für sie hat Dr. Maria Kotulek, Fachreferentin für den Bereich Demenz im Erzbistum München und Freising, ihren IKS-Kurs („Informativ, kommunikativ, spirituell“) entwickelt. Erstmals werden dort die spirituellen Bedürfnisse der Angehörigen in den Mittelpunkt gestellt*. Wir haben mit ihr über das wirklich Neue an dem Kurs gesprochen, über die Bedeutung der Spiritualität im Leben vieler Angehörigen – und worauf diese besonders achten sollten.
Pflege von Angehörigen mit Demenz kann zermürben. Doch es gibt Unterstützung.
Frau Dr. Kotulek, Kurse und Gruppen für Angehörige von Menschen mit Demenz gibt es viele. Was ist neu an Ihrem IKS-Kurs?
Dr. Maria Kotulek: In unserem Kurs stehen die Angehörigen im Mittelpunkt, nicht die Demenz oder die zu Pflegenden. Denn wir wissen inzwischen: Je besser es dem Angehörigen geht, desto besser geht es auch dem Menschen mit Demenz. Im Kurs können sich die Betroffenen mit Gleichgesinnten austauschen, erfahren Wertschätzung und hören, wie es den anderen ergeht. Sie erkennen, dass sie mit dieser Erfahrung nicht allein sind. Und ganz wichtig: Im Kurs lernen die Angehörigen, dass sie sich auch Zeit für sich nehmen dürfen und müssen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.
Wer kann den Kurs anbieten?
Dr. Maria Kotulek: Das Kurskonzept richtet sich an in der Gemeindearbeit Tätige, die den betroffenen Angehörigen in dieser schweren Lebenssituation beistehen wollen – ich denke dabei an Sozialpädagogen, Gemeindemitarbeiter, Seelsorger. Der Kurs greift Themen wie Trauer und Abschied, der Umgang mit Schuldgefühlen und Vereinsamung, Glaube und Spiritualität auf. In den fünf Treffen kommen dann aber in erster Linie die Teilnehmer zu Wort, Vorträge oder lange Monologe des Leiters sind nicht vorgesehen.
Welche Rolle spielen Spiritualität bzw. Religiosität in Ihrem Kurs und in der täglichen Pflege?
Dr. Maria Kotulek: Eine große Rolle. Die Spiritualität zieht sich als durchgehendes Element durch den gesamten Kurs. Es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass sich die Pflege verbessert, wenn die Angehörigen ihre eigenen spirituellen Bedürfnisse berücksichtigen und befriedigen können. Ein zufriedener, in sich ruhender Mensch überträgt dieses Wohlbefinden auf den zu Pflegenden. Die Spiritualität spielt dabei eine wichtige Rolle. Untersuchungen zeigen, dass ihre Bedeutung im Laufe der Pflege bei vielen Betroffenen sogar noch eher zu- als abnimmt.
Sie haben den IKS-Kurs im Kontext von Spiritual Care entwickelt. Was bedeutet das genau?
Dr. Maria Kotulek: Spiritual Care möchte die spirituellen Bedürfnisse und Ressourcen der Menschen aufnehmen und freilegen – die der zu Pflegenden, aber auch der Angehörigen selbst. Damit ist eine besondere Haltung gemeint, die dem anderen und sich selbst entgegengebracht werden soll. Sie sieht im anderen ein Geheimnis, mit dem sie ihn in Berührung bringen will. Die Seelsorge geht noch einen Schritt weiter: Sie sucht mit dem anderen nach einer Deutung für sein Leben und bietet die christliche an: Gott. Aus der Begegnung mit ihm soll der Mensch Kraft für seinen weiteren Weg schöpfen.
Sich von der Pflege nicht einnehmen lassen, sondern auch immer Zeit für sich nehmen. Das trägt zu innerem Ausgleich bei.
Sie haben schon viele Angehörige auf diesem schwierigen Weg begleitet. Gibt es etwas, worauf sie besonders achten sollten?
Dr. Maria Kotulek: Ja - auf sich selbst! Sie sollten sich täglich Zeit für sich nehmen – so schwer das auch manchmal fällt. Eine halbe Stunde kann da schon ausreichen, etwa um allein eine Tasse Kaffee zu trinken und sich zurückzulehnen. Dann kann der zu Pflegende ruhig auch mal vor dem Fernseher sitzen und zum Beispiel eine Tiersendung anschauen. Trotz der enormen Belastung dürfen sich die Angehörigen nicht ganz aufgeben, sondern müssen auch an sich denken. Sonst halten sie die Belastung auf Dauer nicht durch.
*„Seelsorge für Angehörige von Menschen mit Demenz“, Vandenhoeck & Ruprecht, 2017
Interview: Christian Horwedel
Demenz
Schrammerstr. 3
80333 München
Fachreferentin:
Dr. Maria Kotulek