Die
Münchner Straßenambulanz ist jetzt seit genau 20 Jahren jede Woche zwei bis drei Abende unterwegs, um ein niederschwelliges medizinisches Angebot an den Mann oder die Frau auf der Straße zu bringen.
Ins Rollen kam das Projekt bei einer Geburtstagsfeier, dem 500. von Johannes von Gott, dem Ordensgründer der Barmherzigen Brüder. Aus diesem Anlass suchten die Brüder 1995 nach einem „Geschenk“, einem Zeichen in unserer Zeit, das dem Gründer gefallen würde. Er selbst hatte die Kranken und Hilfsbedürftigen von der Straße aufgesammelt und sie auf seine Schultern geladen, um sie in seine Herberge, später in sein Krankenhaus zu bringen. Die Straßenambulanz tut dies mit den Mitteln, die uns gegenwärtig zur Verfügung stehen: einem Krankenwagen, Ärzten und Krankenpflegern, aktueller Medizin und viel Engagement.
Frater Karl Wiench in der Straßenambulanz mit einem Patienten.
Im Erkennen, dass die Menschen auf der Straße in ihrer Notlage nichts Anderes sind oder fühlen als ich selbst, hat sich mir ein Wort Jesu ganz neu erschlossen: „Der Gesetzeslehrer antwortete: Der, der barmherzig an ihm gehandelt hat. Da sagte Jesus zu ihm: Dann geh und handle genauso!“ (Lk 10,37)
Es ist neben vielen anderen Dingen bei uns die Regel, dass wir die Menschen, die zu uns kommen, mit ihrem Namen ansprechen. Das ist für die meisten unserer Patienten das einzige Mal am Tag, in der Woche oder seit sehr langer Zeit, dass sie respektvoll mit Namen angesprochen werden. Auch dadurch bekommt die Behandlung eine persönliche Note, eine Hilfe, die anders wirkt als die Medizin, eine Tiefe, die einen Hinweis gibt auf das Mehr, das jeden Menschen ausmacht.
Schenkend und selbst noch mehr beschenkt gehe ich jetzt seit nunmehr 14 Jahren jede Woche in diesen Dienst am Nächsten. Vergangene Woche kam während unserer Behandlungstour eine Frau zu uns, der wir vor fast zehn Jahren geholfen haben und die inzwischen in geordneten Bahnen lebt. Sie brachte uns aus Dankbarkeit eine Decke als Gabe für jemanden, der sie brauchen kann. Das war so ein Moment, in dem mir ganz klar wurde: Jetzt bin ich ihr Nächster geworden. Mit dieser Freude geht unser Geschenk an den heiligen Johannes von Gott ins dritte Jahrzehnt.
Text: Frater Karl Wiench, Krankenpfleger
Mehr über Frater Karl Wiench und seinen Einsatz bei der Münchner Straßenambulanz lesen Sie im Artikel der Münchner Kirchenzeitung (4/2017) - hier auch im Download.