Was wäre, wenn...die Weihnachtsgeschichte 2000 Jahre später geschehen würde? Vier Professionen, die damals eine Rolle spielten - Wirt, Schäfer, die Sterndeuter und eine Hebamme -, verraten jeweils vor den vier Adventssonntagen ihren Bezug zum Weihnachtsfest. Im dritten Part begegnen wir dem Hirten Bonaventura Lohner.
Hirte Bonaventura Lohner muss an Weihnachten arbeiten
Herr Lohner, würde Maria in der Natur in einer Schutzhütte oder einem Viehstall ihr Kind gebären, welchen Rat würden Sie dann ihr und ihrem Mann geben? Wie könnten Sie vor Ort helfen?
Bonaventura Lohner: Ich würde helfen. Ich denke, auch die Hirten damals haben auf ihre Art und Weise geholfen: Sei es durch Bestand, ein gutes Wort oder die Nähe zu der werdenden Mutter. Sicher, der Hirte ist keine Hebamme, aber er ist auf andere Weise Geburtshelfer in seiner Herde. Genau das ist das Wichtigste, dass man jemandem Mut zuspricht, mit dabei ist und nicht allein lässt. Oft ist ein Wort oder das Halten der Hand mehr wert als Geld oder Kommerz.
Was würden Sie (als Experte) an der Weihnachtsgeschichte ändern wollen und warum?
Bonaventura Lohner: Ich würde die Kälte, die manche ausstrahlen, gerne ändern. Eine Mutter kurz vor der Geburt abzuweisen, halte ich für ein hartes Stück. Was mich an der Weihnachtsgeschichte berührt, ist, dass Jesus zuerst zu den Ärmsten der Ärmsten der damaligen Zeit, den Hirten, gekommen ist. Das ist eine Riesenaufwertung für den Beruf des Hirten, der heute immer mehr in der Kritik steht oder auch politisch unter Druck gesetzt wird.
Werden Sie an Weihnachten arbeiten?
Bonaventura Lohner: Ich werden an Weihnachten arbeiten. Meine Tiere gehören versorgt.
Hat Weihnachten einen Einfluss auf Ihre Arbeitstätigkeit?
Bonaventura Lohner: Sicherlich hat Weihnachten auch Einfluss auf meine Arbeitstätigkeit: Einfach zur Ruhe kommen. Sich in den Stall setzen. Die Tiere beobachten. Oft kommen sie auf einen zu und stupsen einen an. Das ist der innere Frieden und die Ruhe. Der Umgang mit den Tieren ist für mich keine Arbeit, sondern eine Bereicherung in meinem Leben.
Ihre schönste Erinnerung an Weihnachten?
Bonaventura Lohner: Immer wieder, wenn meine Kinder mit leuchtenden Augen vor dem Christbaum stehen. Dann wird einem bewusst, wie wertvoll es ist, Kinder auf dieser Welt zu haben und wird an seine eigene Kindheit erinnert.
Was ist heuer Ihr größter Weihnachtswunsch?
Bonaventura Lohner: Mein größter Weihnachtswunsch ist dieses Jahr der Frieden in der Ukraine oder in anderen Spannungsgebieten weltweit und auch die Verständigung der Völker untereinander. Und vor allem auch, dass die Sorge unserer Berufskollegen der Weidetierhalter und Almbauern endlich Gehör finden und ernst genommen werden. Zum Beispiel die Angst vor Wolf, Bär oder Luchs. Ich möchte unsere politisch Verantwortlichen bitten, dass wir unsere Tiere auch weiterhin schützen und die Natur erhalten können.
Text: Pauline Erdmann, Volontärin beim Sankt Michaelsbund, Dezember 2022