Wer sucht, der findet: In den Magazinen des Archivdepots des Erzbistums werden Archivalien sicher aufbewahrt. Noch bequemer gestaltet sich die Suche im digitalen Archiv, in dem mittlerweile mehr als sechs Millionen Seiten historischer Dokumente kostenlos abgerufen werden können.
Die Spannung in der Gruppe ist spürbar, als Dr. Roland Götz eine der ältesten Urkunden zeigt, die im Archivdepot der Erzdiözese München und Freising in Neufahrn aufbewahrt wird: Eine Stiftungsurkunde von St. Peter in München aus dem Jahr 1284. Sorgfältig entfaltet sie der stellvertretende Direktor von Archiv und Bibliothek des Erzbistums und achtet dabei darauf, dass die angefügten Siegel ordentlich zum Liegen kommen. Die Anwesenden sind beeindruckt. Solche Augenblicke gehören zu den besonderen Momenten von Archivführungen. Die Urkunde ist wie viele andere Dokumente aus dem Depot bereits digitalisiert und steht allen Interessierten online zur Verfügung. Wenn man weiß, wie man danach suchen muss.
19 Frauen und Männer wollen genau das lernen oder noch besser lernen. Sie durchlaufen eine Ausbildung in sieben Modulen zum Archivlotsen beziehungsweise zur Archivlotsin. Beim Start der Ausbildung haben sie von den „Grundlagen des Archivwesens“ erfahren. In einer Folgeveranstaltung erhalten sie online Hinweise zur Recherche im Digitalen Archiv des Erzbistums. Für das dritte Ausbildungsmodul, dem Besuch vor Ort im Archivdepot der Erzdiözese in Neufahrn, haben sie eine Hausaufgabe bekommen.
„Wir mussten vorab Unterlagen aus dem Archiv bestellen, die zu unseren Forschungsinteressen passen“, berichtet eine Teilnehmerin. Nach der Führung durch die verschiedenen Gebäudeteile des Archivdepots liegen dann auch alle bestellten Archivalien auf Arbeitstischen bereit. Es wird still, nun wird konzentriert gesichtet und gelesen. Anschließend gibt es die Möglichkeit, Fragen zu stellen.
Dr. Roland Götz, stellvertretender Direktor von Archiv und Bibliothek des Erzbistums (2.v.re.), erklärt den zukünftigen Archivlotsen den Aufbau des Archivdepots
Schriftliche Quellen besser nutzen
„Ich bin total begeistert von der Ausbildung“, sagt Karin Kroiss. Die 54-jährige Heilpraktikerin lebt in Gerblingshausen, das zur Gemeinde Oberhaching im Landkreis München gehört. Sie interessiert sich für Heimat- und Familienforschung. Aus privatem Ansporn erstellt sie gerade eine Fotoausstellung zur jüngeren Geschichte der Gemeinde. Das Interesse für Historisches liegt bei ihr in der Familie. Ihr Vater war auch schon als Heimatforscher aktiv. „Die Ausbildung hilft mir, Zuordnungen besser zu verstehen und schriftliche Quellen finden und nutzen zu können“, berichtet sie. Zum Seminar hat sie sich gemeinsam mit ihrem Mann Heinz angemeldet. Zu zweit können sich die Eheleute gut über das Erlernte austauschen.
Die Gründe, an der Archivlotsen-Ausbildung teilzunehmen, sind ganz unterschiedlich, weiß Dr. Roland Götz. Das Spektrum reiche von Menschen, die sich zum ersten Mal strukturiert mit dem Thema Archivrecherche beschäftigten, bis hin zu Personen, die hauptberuflich zum Beispiel für ein Gemeindearchiv tätig sind. Spezielle Voraussetzungen sind für die Teilnahme nicht erforderlich. „Der Austausch untereinander ist sehr lebendig, alle können voneinander lernen“, so Dr. Götz.
Stephan Ametsbichler ist Musikredakteur beim Bayerischen Rundfunk und mit dem Recherchieren nach Schlagworten, Sachgebieten und Themen gut vertraut. Privat erforscht er die Baugeschichte der Pfarrei Glonn im Landkreis Ebersberg. „Für mich war das Schwierigste, die alten Schriftstücke zu lesen, denn früher hat man oft so geschrieben, wie man gesprochen hat“, berichtet er. Die Ausbildung zum Archivlotsen bezeichnet der Medienprofi als „sehr gut strukturiert“ und „gewinnbringend“. „Ich habe früher in Archiven oft etwas eher zufällig entdeckt. Diese Ausbildung hilft mir dabei, dass ich jetzt noch besser suchen und schneller etwas finden kann“, zieht er sein persönliches Resümee.
Karin Kroiss beim Sichten von bestellten Archivalien. Im Herbst wird sie die Abschlussprüfung zur Archivlotsin absolvieren
Lotsen wirken als Multiplikatoren
Die letzte Veranstaltung in der Ausbildungsreihe hat „Vermittlungskompetenz“ zum Thema. Die Teilnehmenden sollen laut Dr. Götz befähigt werden, „als Multiplikatoren für andere zu wirken“. Das bedeutet: Die Archivlotsinnen und Archivlotsen sollen sich nach bestandener Prüfung als Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner bereithalten. Es ist vorgesehen, dass ihre Namen und Kontaktdaten über eine Homepage greifbar sind. Wenn sich jemand beispielsweise für Ahnenforschung interessiert und nicht weiß, wie er dazu das Digitale Archiv der Erzdiözese nutzen kann, kann er sich an Archivlotsen aus der näheren Umgebung wenden. Ziel ist es außerdem, künftig auch Lehrkräfte kirchlicher Schulen anzusprechen, damit sie in ihren Klassen zeigen, wie man in Archiven recherchiert.
Karin Kroiss freut sich auf den Abschluss, auch wenn sie vor der Prüfung im Herbst noch etwas aufgeregt ist. Sie ist sehr zufrieden, dass sie für ihre Fotoausstellung bereits manches spannende Exponat finden konnte. Etwa ein Zeitschriftenartikel aus dem „Music Express“ vom Mai 1977. Darin wird der 1981 verstorbene berühmte Reggae-Musiker Bob Marley am Rande seiner „Exodus“-Tournee beim Fußballspielen im Garten von Schloss Kreuzpullach gezeigt. Als sie das voller Stolz erzählt, wird spürbar, dass sie für die Heimatforschung sogar noch mehr brennt als vorher. „Gern gebe ich später das Erlernte als Archivlotsin an andere weiter“, nickt sie.
Text: Gabriele Riffert, Freie Redakteurin, August 2022
Sie möchten zur Familien-, Orts- oder Pfarrgeschichte forschen? In der Fülle der Archive mit ihren komplexen Recherche-Möglichkeiten, Quellen und bestehenden Online-Hilfsangebote ist es oft nicht ganz einfach, den besten Weg für die Beantwortung der eigenen Forschungsfragen zu finden. Hier unterstützen die vom KBW Miesbach und der Erzdiözese München und Freising speziell ausgebildeten und zertifizierten Archivlotsinnen und -lotsen als kompetente Begleiterinnen und Begleiter für Ihre Recherche und Forschung!
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