Die Aktionswoche Inklusive Pastoral lädt ein, aktiv zu werden und erste Schritte zu einer Pastoral für Menschen mit und ohne Behinderung zu gestalten. Markus Lentner, Abteilungsleiter Pastoral Menschen mit Behinderung, erläutert im Interview Intention und Inhalte der Aktionswoche.
Online-Redaktion: Herr Lentner, erstmals veranstaltet die Pastoral Menschen mit Behinderung die
Aktionswoche Inklusive Pastoral – was erhoffen Sie sich davon?
Markus Lentner: Die Aktionswoche möchte Türöffner für das Thema Inklusion sein, mehr Bewusstsein dafür schaffen und vor allem konkrete Verbesserungen anstoßen. Über Inklusion zu reden ist gut, aber oft ändert sich dadurch wenig, weil es zu anstrengend und aufwendig ist und viele andere Themen dringend sind. Mein Anliegen ist, dass wir konkrete Schritte hin zu einer inklusiven Kirche, einer noch inklusiveren Pfarrei machen. Da geht es um mehr, als nur eine Rampe an eine Kirchentreppe zu bauen. Dafür braucht es ein Bewusstsein, was Inklusion bedeutet und dass ich Teil der Lösung sein möchte.
Online-Redaktion: Welchen Personenkreis möchten Sie erreichen?
Markus Lentner: Wir laden alle ein, die Inklusion in Kirche gestalten wollen: Seelsorgerinnen und Seelsorger, Interessierte aus dem Pfarrgemeinderat oder der Verwaltung. Auch der Diözesanrat wird auf die Aktionswoche hinweisen.
Online-Redaktion: Was erwartet die Besucher der Aktionswoche?
Markus Lentner: Elf Veranstaltungen, die mich einladen, Inklusion zu erleben und meinen Horizont zu erweitern: Es wird drei inklusive Gottesdienste geben, bei denen praktisch erlebbar ist, wie Inklusion umgesetzt wird und was davon für die eigene Pfarrei eine gute Anregung sein kann.
Dann wird es Workshops geben zur Reflexion meiner religiösen Sprache zu Gebeten und Bibeltexten in Leichter Sprache und zum barrierefreien Bauen. Bei Letzterem wollen wir einige gute Beispiele in diesem Bereich zeigen und auch auf unseren
„Sonderetat Barrierefrei“ hinweisen, der barrierefreie Umbauten unterstützt. Weiterhin kann man noch zwei inklusive Kirchenführungen besuchen.
Auf dem Podium im Kulturzentrum Giesinger Bahnhof werden wir diskutieren, was wir als Gesellschaft und in der Kirche noch brauchen und weshalb wir in der Umsetzung noch nicht so weit sind. Als Fachleute aus Kirche und Gesellschaft diskutieren Dr. Thomas Hagen, Hauptabteilungsleiter Lebensumstände und Lebenswelten im Erzbistum, Oswald Utz, Behindertenbeauftragter der Stadt München, Dr. Rita Brunnengräber-Zimmer, Dekanatsratsvorsitzende Dekanat München-Giesing, und Birgit Knoblach, Gleichstellungsbeauftragte und Geschäftsführerin Giesinger Bahnhof.
Als „Service-Bonus“ gibt es spirituelle Impulse „Fünf Tage – Fünf Sinne“ zum Download und eine Neuauflage der beliebten Zuspruchkarten in Leichter Sprache. Darüber hinaus findet sich auf unserer
Homepage ein breites Angebot an Arbeitshilfen und Materialien.
Online-Redaktion: Wo stehen wir Ihrer Ansicht nach als Kirche in Sachen Inklusion?
Markus Lentner: Uns geht es als Kirche nicht anders als der Gesellschaft insgesamt: Es gibt mehr Erfolge, als man auf den ersten Blick zu erkennen glaubt, und doch ist noch viel zu tun. Und das verwundert nicht, denn das Thema Inklusion ist nicht sexy, es ist oft nicht leicht und damit gewinnt man keine Wahlen. Dafür entstehen schnell Unsicherheiten, unangenehme Fragen nach der eigenen Vergänglichkeit und Konfrontation mit Leid und Schmerz – Themen, die wir gerne verdrängen.
Das kann ich gut verstehen. Dennoch dürfen wir nicht ignorieren, wie wir mit den 8 Prozent unserer Gesellschaft, die mit einer Behinderung leben, umgehen und wie wir berechtigte Teilhabe ermöglichen. Als Kirche sollte uns das nicht schwer fallen: Jesus von Nazareth war jemand, der auf alle Menschen zugegangen ist, für Teilhabe gesorgt hat und sich gerade den Menschen gewidmet hat, die niemand haben wollte.
Online-Redaktion: Wie kommen Ihnen Defizite in der Inklusion im Raum der Kirche zu Ohren?
Markus Lentner: Erfreulicherweise sind es oft Engagierte aus Pfarreien, die eine konkrete Situation verbessern wollen. Aber auch unsere Seelsorger in den Einrichtungen werden vereinzelt angesprochen, und da geht es dann oft um ganz konkrete Probleme: Jemand kommt in die Kirche nicht herein oder versteht den Gottesdienst akustisch nicht. Ich glaube, dass wir da bessere Zugänge schaffen müssen. Es braucht mehr Einladungen, mehr offene Türen.
Da müssen wir einen Bewusstseinswandel herbei führen: Es geht nicht darum, dass wir auf behinderte Menschen warten, um ihnen dann eine Rampe zu bauen oder Gebärdendolmetscher beauftragen. Sondern die Frage muss doch umgekehrt lauten: Wenn wir die Rampe haben, lädt das nicht automatisch gehbehinderte Menschen ein? Wenn man die Frage aus der Perspektive von Betroffenen betrachtet, dann wird deutlich, warum das Thema Inklusion kein Thema ist. Klar sind keine behinderten Menschen in meinem Gottesdienst – weil sie es eben nicht herein kommen oder sich auch nicht wohl fühlen. Wenn wir uns aber nicht öffnen, signalisieren wir: So wie du bist, bist du uns hier nicht willkommen.
Gleiches Thema, anderes Beispiel: Wenn eine Familie mit lebendigen Kindern in den Gottesdienst geht und dort schief angesehen wird, wird die Familie wahrscheinlich nicht wieder kommen. Wenn stattdessen zu hören ist: „Schön, dass ihr heute hier bei uns seid und wir eure Kinder hören können“ oder sogar eine Spielecke in der Kirche einrichtet wird, dann signalisiert das eine ganz andere Haltung. Diese Bandbreite gilt es bei der Inklusion zu beachten.
Online-Redaktion: Dringen Sie mit solchen Gedanken wirklich durch oder bleibt das Thema manchmal im Sinne einer Aufhübschung der Corporate Identity hängen?
Markus Lentner: Unsere Erzdiözese hat vor kurzem die Inklusionsvereinbarung öffentlichkeitswirksam bekräftigt, die gilt es weiter mit Leben zu füllen. Ich glaube, das geht am besten, wenn es konkret und persönlich wird. Die Aktionswoche kann dazu ein Beitrag sein: Eine persönliche Aufforderung, einen ersten, konkreten Schritt zu tun, damit Inklusion noch mehr Wirklichkeit wird.
Pastoral Menschen mit Behinderung
Schrammerstraße 3
80333 München
behindertenseelsorge(at)eomuc.de
Abteilungsleiter:
Markus Lentner