Diözesanrat der Katholiken

Demokratisch gewählte Vertretung des Kirchenvolkes.
Der Diözesanrat repräsentiert mehr als 125.000 ehrenamtlich in Katholikenräten, Verbänden und Initiativen aktive katholische Frauen und Männer. Zu den Aufgaben des Diözesanrats gehört es, das wirtschaftliche, familiäre, gesellschaftliche und politische Umfeld so mitzugestalten, dass der Mensch gedeihen und sich entfalten kann.

Weltgemeinwohl - Schlüssel für eine lebenswerte Welt für alle

Eine Änderung des persönlichen Lebensstils kann einen wichtigen Beitrag für eine lebenswerte Welt liefern. Diese Änderung ist notwendig, aber nicht hinreichend. Es bedarf auch Veränderungen der politischen und wirtschaftlichen Strukturen auf nationaler und globaler Ebene.

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Besonders nach dem Ende des Ost-West-Konflikts setzte sich weltweit ein neoliberales und marktradikales Wirtschaftssystem durch*. Es zeichnet sich insbesondere durch Deregulierung, Liberalisierung und Privatisierung aus. Danach kann nicht die Politik, sondern in erster Linie der (freie) Markt die Probleme der Welt lösen. Dieses Modell, das in Form des so genannten „Washington Consensus“ lange Zeit auch für Internationalen Währungsfond (IWF) und Weltbank u. a. bei der Vergabe von Krediten an zu entwickelnde Länder handlungsleitend war, hat sich aber nicht als zielführend erwiesen. Vielmehr wurden die weltweiten Ungerechtigkeiten und Abhängigkeiten sogar noch verstärkt.

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Wenn Papst Franziskus in seiner Enzyklika Evangelii Gaudium davon schreibt, dass „diese Wirtschaft tötet“, dann hat er vor allem die negativen Auswüchse dieses Ansatzes im Blick. Er richtet sich gegen eine Wirtschaft, die vielfältige „Ausschließungen“ produziert, die den einen unermesslichen Reichtum und Macht zukommen lassen, während andere wie „Müll“ außerhalb der Gesellschaft stehen.

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Papst Franziskus setzt dem in der Tradition der kirchlichen Soziallehre die Fokussierung auf das Gemeinwohl in seiner menschenrechtlichen Lesart entgegen: Es muss um die Garantie der Menschenwürde und der Menschenrechte aller gehen; das Wohl von wirklich allen, nicht nur einiger weniger oder auch einer Mehrheit, muss Leitlinie gesellschaftlichen Handelns  sein. Auch in vielen nationalen Verfassungen wird der hohe Wert des Gemeinwohls betont, ja erscheint letztlich sogar als Existenzberechtigung der Staaten (vgl. auch Gaudium et Spes 74). Deshalb betont Franziskus in Laudato Si’ vehement, dass der Vorrang der Politik gegenüber der Wirtschaft (wieder) hergestellt werden muss. Denn es ist die spezifische Aufgabe der Politik, die Interessen und das Wohl aller gesellschaftlicher Gruppen und Individuen auf gerechte Weise miteinander in Einklang zu bringen und sie „in den Dienst des Lebens [zu] stellen, besonders in den des menschlichen Lebens“ (LS 189). Das gilt auch für den Umgang mit der Umwelt! Eine kapitalistisch organisierte Wirtschaft kann dies schon aufgrund ihrer Eigenlogik des Gewinnstrebens nicht leisten. Der De-Regulierung in den 1980ern und 1990ern müsste nun eine Art Re-Regulierung folgen.

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Schon das II. Vatikanum in den 1960er Jahren hatte dabei im Blick, dass das Gemeinwohl in einer zunehmend vernetzten Welt nicht allein als nationales Gemeinwohl verstanden werden kann, sondern eine weltweite Dimension besitzt und daher „auch Rechte und Pflichten [… umfasst], die die ganze Menschheit betreffen“. (Gaudium et Spes 26 [1965]). Heute gilt dies umso mehr, so dass mit Papst Franziskus eigentlich grundsätzlich von einem Weltgemeinwohl ausgegangen werden sollte, das die gesamte Menschheitsfamilie umfasst und über individuellen oder nationalen Sonderinteressen steht. Ein Weltgemeinwohl, welches im Übrigen auch zukünftige Menschheitsgenerationen beinhaltet und damit Nachhaltigkeitsvorstellungen und die Notwendigkeit einer intergenerationellen Solidarität aufgreift.

*Anmerkung: In dieser Broschüre sollen unter dem nicht eindeutig definierten Begriff „Neoliberalismus“ alle neueren Begriffe wie z. B. Marktradikalismus, Marktfundamentalismus, Turbokapitalismus, Casino-Kapitalismus oder Laisser-Faire-Kapitalismus subsummiert werden.