Das sozial- und umweltethische Programm von Laudato Si’ ist grundgelegt in einem biblisch fundierten Schöpfungsverständnis, das die Enzyklika auch oder vielleicht sogar insbesondere zu einer Enzyklika über Spiritualität werden lässt.
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Nach dem Zeugnis der alttestamentlichen Schöpfungserzählungen ist alles, was uns umgibt, Schöpfung. Gott hat die Welt aus dem Chaos erschaffen und zwar aus Liebe: Die Welt ist „ein von der Liebe des himmlischen Vaters erhaltenes Geschenk“ (LS 220) und sie ist gesegnet: „Gott sah, dass es gut war.“ (Gen 1,25). Der Mensch ist in diese Schöpfung gesetzt als Geschöpf unter Geschöpfen. Mit diesen bilden wir eine „universale Familie […], die uns zu einem heiligen, liebevollen und demütigen Respekt bewegt“, mit der wir „durch unsichtbare Bande verbunden sind“ (LS 89), „eine wertvolle allumfassende Gemeinschaft“ (LS 220). Als Ebenbilder Gottes (Gen 1,27) sind wir als Menschen fähig, diese Beziehungen aktiv zu gestalten. Wir können sie aber auch zerstören und haben dies in der Vergangenheit nicht selten getan. Aus diesem Grund geht es für Franziskus zentral um die „Heilung der Beziehungen des Menschen zu Gott, zu sich selbst, zu den anderen und zur Welt“ (LS 237).
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Denn wenn wir uns dieses Beziehungsgefüge bewusst machen, dann ergibt sich die Ehrfurcht vor allem Leben als Teil der Schöpfung beinahe von selbst. Dann sind wir fähig, in der Begegnung mit anderen Menschen, mit unseren Mitgeschöpfen und mit der Natur als solcher einen Verweis auf die Wirklichkeit Gottes, auf die Heiligkeit von allem was ist, zu erkennen.
Weder die Schöpfungserzählungen noch die Enzyklika Laudato Si’ bleiben allerdings bei einem passivem Bewundern und Bestaunen stehen. Aus der Wahrnehmung der Welt als Schöpfung ergibt sich ein Auftrag an uns Menschen, der in seiner biblischen Formulierung oft als Herrschaftsauftrag interpretiert wurde (vgl. Gen 1,28), tatsächlich aber in erster Linie als Aufforderung zu verstehen ist, „den Garten der Welt zu ‚bebauen’ und zu ‚hüten’ (vgl. Gen 2,15)“ (LS 67). Wir dürfen die Schöpfung nutzen und sogar weiterentwickeln. Denn so wie durch das Wirken des Geistes Gottes als „Fortsetzung des Schöpfungsaktes … aus dem Innern der Dinge immer etwas Neues entspringen kann“ (LS 80), so sind wir Menschen zu kreativer Gestaltung fähig und aufgerufen. Daraus entsteht aber auch die Verantwortung, die „Gesetze der Natur und die empfindlichen Gleichgewichte unter den Geschöpfen auf dieser Welt [zu] respektieren“ (LS 68), anzuerkennen, „dass die anderen Lebewesen vor Gott einen Eigenwert besitzen“ (LS 69) und die Schöpfung, die wir als Leihgabe erhalten haben, an künftige Menschheitsgenerationen weiterzugeben.
Literaturtipp:
Lessenich, Stephan: Neben uns die Sintflut. Die Externalisierungsgesellschaft und ihr Preis, Berlin 2016.