Eine Erzählung des Häuptlings Büffelkind Langspeer
Als wir jenen Herbst den Milchfluss nah an der Grenze von Montana und den nordwestlichen Territorien erreichten, kamen einige weiße Männer in unser Lager, um mit uns einen Vertrag zu schließen; sie wollten unser Land für Dollarscheine kaufen und uns ein Schutzgebiet mit den anderen Indianern geben. Sie sagten, alle Stämme südlich und östlich von uns hätten schon mit den Regierungen der Vereinigten Staaten und Kanadas einen Vertrag geschlossen, lebten nun auf ihren Schutzgebieten und hätten es dort gut. Sie rieten uns auch, unser Umher-streifen aufzugeben und uns an einem Ort niederzulassen. Sie breiteten ihre Dollarscheine auf der Erde aus und sprachen: „Dies sind die Büffelfelle, das Geld der weißen Mannes.“ (Die Indianer hatten beim Tauschen Büffelfelle als Geld verwendet.) Sie sagten: „Die Siouxindianer nennen dieses Geld Masaska – weißes Metall -, weil sie wissen, dass sie es für Münzgeld umtauschen können, mit dem man alles kauft, was der Weiße besitzt. Es hat großen Wert, und ihr müsst es von jetzt an verwenden.“
Unser Häuptling nahm einen der Dollarscheine in die Hand, das Bild eines Mannes mit einem Kahlkopf war darauf. Er betrachtete unsere Krieger, die neben ihm standen, und sprach: „Wir werden dies Stikikikinasi – Kahlkopf – nennen.“ Seit der Zeit heißt der Dollarschein unter den Schwarzfüßen „Kahlkopf“. Nachdem der weiße Häuptling sein ganzes Geld auf der Erde aus-gebreitet und gezeigt hatte, wie viel er uns für die Unterzeichnung eines Vertrags geben würde, nahm unser Häuptling eine Handvoll Lehm, machte einen Ballen daraus, legte den auf das Feuer und röstete ihm. Die Lehmkugel zersprang nicht.
Dann sprach er zu dem weißen Häuptling: „Nun gib mir eine Handvoll von deinem Geld, wir wollen es neben dem Lehm auf das Feuer legen. Was dann am schnellsten verbrennt, hat am wenigsten Wert.“ Der weiße Häuptling sprach: „Mein Geld wird am schnellsten verbrennen, weil es aus Papier ist; also können wir das nicht tun.“
Darauf griff unser Häuptling in seinen Gürtel und holte einen kleinen hirschledernen Beutel voll Sand heraus. Den gab er dem weißen Häuptling und sprach: „Gib mir dein Geld. Ich werde das Geld zählen, während du die Sandkörner zählst. Das, was sich am schnellsten zählen lässt, wird das Mindere sein.“ Der weiße Häuptling nahm den Sand, goss ihn auf seine Handfläche, betrachtete ihn und sprach: „Ich würde nicht lange genug leben, dies zu zählen; du a-ber könntest das Geld rasch zählen.“ „Dann“, so sprach unser Häuptling, „ist unser Land mehr wert als dein Geld. Es wird ewig bleiben. Es wird nicht in den Flammen vergehen. Solange die Sonne scheint und das Wasser fließt, wird dies Land hier sein und wird Menschen und Tieren Leben spenden. Wir können nicht das Leben von Menschen und Tieren verkaufen. Der große Geist schuf es hier für uns, wir können es nicht verkaufen, weil es uns nicht gehört. Ihr könnt euer Geld zählen und es verbrennen, während ein Büffel mit dem Kopf nickt; doch nur der große Geist kann die Sandkörner und die Grashalme auf dieser Prärie zählen. Als Geschenk werden wir euch gern irgendetwas aus unserem Besitz geben, das ihr dann mitnehmen könnt, aber das Land nie.“
zitiert in: Giudo Kreppold, Die Indianer und das weiße Christentum, Augsburg (Pattloch) 1996 (vergriffen), S. 97ff.