Liebe Mitchristinnen und Mitchristen,
angeregt zu dieser Besinnungsidee hat mich der etwas andere Kirchenführer der KLB, der heuer in der Reihe der Werkblätter unter dem Titel „Seht Gottes Zelt auf Erden“ erschienen ist. Als Grundlage für meine Ausführungen nehme ich die Basilika am Petersberg. Vieles kann auf direkt auf die eigene Pfarrkirche übertragen werden. Wie wäre es einmal mit so einem Einstieg in die Pfarrgemeinderatssitzung? Nun aber zu den Gedanken, die mir beim Durchgang durch die Petersbergbasilika gekommen sind:
Beginnen möchte ich bei der Kirchentüre: Wie bin ich heute in diese Kirche eingetreten? Ist mir bewusst, dass die Kirchentüre am Petersberg, wie bei allen frühen Kirchen üblich, nach Innen auf geht? Was sagt mir die symbolische Botschaft, bei Gott darf ich mit der Tür ins Haus fallen – ER hat immer Sprechstunde? Dass Kirche heutzutage vielfach nach Außen geöffnet werden müssen, hat rein versicherungsrechtliche Gründe ...
Wenn ich in Gedanken etwas weiter gehe, dann stehe ich vor dem Weihwasserbecken. Es ist der Ort der Erinnerung an meine Taufe. Welche Menschen kommen mir in den Sinn? Wem verdanke ich letztlich, dass ich getauft und in den Glauben eingeführt worden bin?
Ich gehe weiter und komme bei meiner Kirchenbank an. Ich bin nun nicht nur in Gedanken, sondern ganz bewusst an dem Ort, den ich heute in dieser mir sehr lieb gewordenen Kirche eingenommen habe: Wie bin ich heute da? Was bewegt mich innerlich? Welche Dinge möchte ich vor Gott abladen? Welche Freuden möchte ich mit ihm teilen?
Nun gehe ich in Gedanken zur Orgel, der Königin der Instrumente. Unsere Organistin Gabi Gratzl (vielleicht ist ja so ein Orgelspiel im Rahmen einer Besinnung dieser Art durch ihren Organisten / ihre Organistin ebenfalls möglich) wird ein kurzes meditatives Stück spielen, das ich einfach auf mich wirken lasse ....
Kurzes Orgelspiel durch Gabi Gratzl
Nun frage ich mich: Was für eine Rolle spielt die Musik in meinem Leben? Wie sehe ich Musik im Gottesdienst?
Ich wandere in Gedanken weiter und komme zum Kreuzweg: Ich bedenke die Einbrüche, die ich in meiner Lebensgeschichte erfahren habe. Auch denke ich an all die Menschen, die zur Zeit unter einer schweren Situation zu leiden haben. Ich gehe die Kreuzwegstationen entlang und mache schließlich Halt unter dem Kreuz: Inwiefern hat der Gekreuzigte mir schon weiter geholfen? Wann war er die Quelle der Kraft für mich?
Nun wende ich mich den Säulen und Pfeilern zu – sie stehen wie in anderen Kirchen die Apostelleuchter für die zwölf Apostel als die Gründungspersonen der christlichen Glaubensgemeinschaft. Aber sie stehen auch für viele Menschen, die auf meinem Lebensweg zu Trägerpersonen geworden sind. Ich lasse nun Menschen lebendig werden, die für meinen ganz persönliche Glaubensweg bedeutsam waren. Ich erinnere mich an sie in Dankbarkeit.
Nun wende ich mich in Gedanken dem Ambo zu. Es ist – wie mein Heimatpfarrer immer zu sagen pflegte – „der Tisch des Wortes“. Reichlich wird mir von diesem Ort aus das Wort Gottes serviert. Sonntag für Sonntag höre ich drei Texte aus der Heiligen Schrift. Ich frage mich: Was hat mich dieses Mal besonders angesprochen? Was nehme ich als persönliche Bereicherung mit hinein in den Tag?
Ich wandere weiter und komme gedanklich beim Altar, dem Tisch des Brotes und des Weines, des Alltags und der Freude zu stehen: Ich erinnere mich an die Lebensgabe Jesu und frage mich: Wo brauche ich zur Zeit die Erfahrung der Nähe dieses liebenden Gottes am allermeisten? Wofür kann heute die Gabe des Lebens Jesu, mit der ich mich in der Kommunion verbinde, auf besondere Weise Nahrung sein?
Der letzte Weg führt zu den herausragenden Lichtern in der Basilika, nämlich zur Osterkerze und zum ewigen Licht. Beide Lichter erzählen in je eigener Weise von der bleibenden Präsenz Gottes unter den Menschen. Während das ewige Licht daran erinnert, dass Gott in unserem heiligen Haus präsent ist – wie er in jedem Tempel, jeder Synagoge, jeder Moschee, ja in jedem Gotteshaus präsent ist, verkündet die Osterkerze das Leben, das nicht einmal im Tod an seine Grenze kommt. Sie ist die bleibende Zeugin der Auferstehung mitten im Tod. Wenn ich zu diesen Lichtern gehe, dann lasse ich lebendig werden, was in mir am absterben oder schon abgestorben ist ... Ich blicke auf das, was geht bzw. schon gegangen ist, in der Hoffnung, dass Neues wird bzw. werden wird: Wo ist bei mir persönlich Neues am wachsen? Wo bedarf es in Staat, Kirchen und Religionen neuer Entwicklungen? Wo bricht schon Neues auf – ohne richtig ernst genommen zu werden?
Mit diesen letzten Gedanken mache ich mich auf den Rückweg zu meinem Platz. Ich spüre noch einmal das, was gut getan hat und nehme es mit in den vor mir liegenden Tag / Abend / in die Feier der Eucharistie ...
Josef Mayer, Petersberg