Vorbemerkung: Beim folgenden Geistlichen Impuls handelt es sich um einen Beitrag von Josef Mayer für die Münchner Kirchenzeitung (Gedanken zu einer Anfrage)
MKZ-Frage: Zu Genesis 1,27 heißt es „Gott schuf den Menschen nach seinem Abbild“. Was bedeutet das eigentlich? Doch wohl nicht, dass Gott aussieht wie ein Mensch oder handelt wie ein solcher? Oder etwa doch ...
Josef Mayer: Bei dieser Frage lohnt es sich die Übersetzung von Martin Luther zu Rate zu ziehen. Bei ihm lesen wir zu Genesis 1,26f.: „Und Gott sprach: „Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht. Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und er schuf sie als Mann und Weib.“ Dabei bitte ich ausdrücklich darum, sich nicht an der Übersetzung „Weib“ zu stoßen. Diese ist allein zeitbedingt. Unabhängig davon würde es sich lohnen, dem Verständnis von Mann und Frau in den Schöpfungsberichten ein eigenes Statement zu widmen. Aber zurück zu der von Ihnen eingangs gestellten Frage:
Mit der lutherischen Textversion lassen sich einige Dinge verdeutlichen, die im Hinblick auf die Beantwortung Ihrer Frage sehr hilfreich sind. Nach dem ersten Schöpfungsbericht ist der Mensch das einzige Wesen, das Verantwortung übernehmen kann. Das zeichnet ihn gegenüber allen anderen Kreaturen aus. Er ist eine besondere Schöpfung, da Gott in und durch den Menschen in der Schöpfung weiterwirkt. Dabei soll sich der Mensch nicht als „Krone der Schöpfung“ gebärden, sondern vielmehr als Repräsentant Gottes auf Erden wirken und für ein gutes Zusammenleben im Sinne des Schöpfers sorgen. Dieser Auftrag, sich zu kümmern und die ihm Anvertrauten zu behüten, bezieht sich sowohl auf die Menschen untereinander als auch auf alle anderen Lebewesen.
Der Mensch ist „zum Bilde Gottes geschaffen“. Das heißt: Jeder einzelne Mensch hat vor Gott und den anderen Menschen seinen eigenen Wert, den er unter keinerlei Umständen jemals wieder verlieren kann. Der dafür eingeführte Begriff der „Gottebenbildlichkeit“ hat zusätzlich eine ethische Komponente: nämlich die Würde und das Recht auf Freiheit des Menschen zu begründen. Die Berufung auf diese Ebenbildlichkeit verankert unantastbare Menschenwürde und –rechte in Gott selbst. Das besondere dabei ist, dass im Unterschied zu anderen Kulturen in der jüdisch-christlichen Tradition die Würde der Gottebenbildlichkeit nicht nur dem König oder der Königin, sondern allen Menschen zuerkannt wird.
Bei der Formulierung „Gott schuf den Menschen nach seinem Abbild“ oder besser mit Martin Luther „zum seinem Bilde“ geht es in keinem Fall um Aussehen oder Äußerlichkeiten, die Gott und Mensch verbinden. Es geht allein um das besondere Ansehen, um die Innerlichkeit und die Haltung, in welcher der Mensch seine alltäglichen Aufgaben und Aufträge an der Schöpfung erfüllt. Durch sein mitmenschliches und mit-geschöpfliches Handeln wird Gott in der Welt sichtbar und spürbar.
Josef Mayer, Petersberg