(Münchner Kirchenzeitung vom 23.12.2018)
Wie jedes Jahr warnt die Polizei im Herbst nachdrücklich vor der Dämmerung. Statistisch gesehen ist das nämlich die Zeit, in der hierzulande die meisten Wohnungseinbrüche stattfinden. Am späten Nachmittag ist es schon dunkel, aber viele Menschen sind noch in der Arbeit, beim Einkaufen, in der Schule oder einfach unterwegs. Bewegungsmelder, elektrisch gesteuerte Lichtquellen und wie von Zauberhand sich senkende Rollläden sind hilfreich, aber kein vollkommen ausreichender Schutz. Professionelle Einbrecher verstehen ihr kriminelles Handwerk. Und selbst das Tageslicht scheuen sie nicht. Was sie aber möglichst vermeiden, ist die Begegnung mit den Hausbewohnern. Denn das ist für beide Seiten äußerst unangenehm.
Das Thema passt aus verschiedenen Gründen sehr genau in die Adventszeit. Schließlich kannte bereits die Zuhörerschaft Jesu die mehr oder weniger berechtigte Angst vor Dieben und Einbrechern. Und wie die heutige Polizei gibt Jesus im Matthäusevangelium einen deutlichen Warnhinweis (Mt 24,43): „Bedenkt dies: Wenn der Herr des Hauses wüsste, in welcher Stunde in der Nacht der Dieb kommt, würde er wach bleiben und nicht zulassen, dass man in sein Haus einbricht.“
Recht hat er, der Jesus. Wenn man den konkreten Zeitpunkt wüsste, dann würde Mann sein Hab und Gut beschützen, wie der kleine Kevin, der in dem lustigen Weihnachtsfamilienfilm alle Jahre wieder sein Haus gegen die beiden Schurken mit List, mit Mut und mit dem Glück des Tüchtigen erfolgreich verteidigt. Im realen Leben werden die Mittel allerdings weniger humorvoll eingesetzt als in dem Hollywoodklassiker. Und Notwehr führt gerade in Amerika schnell zu brutaler Selbstjustiz. Davon ist im Evangelium aber nicht die Rede und auch die Rollenzuschreibung ist verblüffend anders als zu erwarten. Denn der „böse“ Dieb, der zur Unzeit kommt, wenn man es nicht erwartet, ist kein geringerer als ER selbst. Es geht nicht um die Verteidigung irdischer Güter, sondern um weit mehr. Es geht um Wachsamkeit, um Aufmerksamkeit, um die Bereitschaft auf das Wesentliche zu achten. Wörtlich heißt es im Evangelium: „Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.“
Wir erinnern an Weihnachten also nicht lediglich an den Sohn Gottes, der vor gut 2000 Jahren in Bethlehem geboren wurde und sich an Himmelfahrt dann aus dem Staub gemacht hat, sodass er uns nicht weiter stört. Der Menschensohn lebt und er stört gewaltig mit seiner Botschaft von der Liebe, die niemanden ausschließt. Diese Botschaft fordert uns heraus, gerade jetzt an Weihnachten. Denn Gott ist Mensch geworden, damit wir alle Brüder und Schwestern werden. Advent ist nicht nur die stade, sondern auch eine Zeit mit bisweilen aufrüttelnder Zukunftsmusik. Die Sinnspitze liegt ja nicht im vergangenen Geschehen. Wir erwarten den, der auf uns zukommt. Hellwach und aktiv sollen wir ihm entgegengehen. Das eigentliche Thema dieses Gleichnisses ist also Aufbruch und nicht Einbruch. Das ist ein passendes Thema für Weihnachten und den Jahreswechsel.
Im Gotteslob (13,5) heißt es am Schluss eines Gebets: „Du Gott des Aufbruchs, sei mit uns unterwegs zu uns selbst, zu den Menschen, zu dir. So segne uns mit deiner Güte und zeige uns dein freundliches Angesicht. Begegne uns mit deinem Erbarmen und leuchte uns mit dem Licht deines Friedens auf allen unseren Wegen.“
Ich wünsche Ihnen frohe Weihnachten und einen bewussten Aufbruch in ein gutes neues Jahr!