(Münchner Kirchenzeitung vom 18.03.2018)
Mehr als früher müssen wir uns als Kirche gegen andere Sinn- und Gemeinschaftsangebote behaupten können. Vieles ist nicht mehr so selbstverständlich, wie wir das in Erinnerung haben. Aber die Notwendigkeit zum Wandel muss nicht immer per se schlecht sein, auch wenn es anstrengend ist. Die reflektierte Entscheidung für etwas verlangt dem Menschen mehr ab als bloßes Schwimmen mit dem Strom oder den Protest gegen etwas.
Deshalb sollten wir alle … uns unsere Eigenmotivation für das kirchliche Ehrenamt nicht ausreden lassen – nicht von den Alten und nicht von den Jungen, nicht von den Frommen und nicht von den Distanzierten, nicht von den Klerikern und nicht von denjenigen, die Kirche grundsätzlich für merkwürdig oder überflüssig halten.
Ich finde, es ist trotz aller Umfragen legitim, auch in der Jetztzeit das Glas halbvoll zu sehen. Ich bin froh, dass meine eigene Familie so hinter mir steht, denn ich bin es leid, mich auch noch dafür rechtfertigen zu müssen, dass ich so viel Zeit und Energie in das kirchliche Ehrenamt stecke. Ich bin doch nicht doof. Deshalb sage ich in Abwandlung eines berühmten Satzes ganz bewusst: Hier stehe ich, ich könnt auch anders.
Wenn es Ihnen genauso geht, dann lassen Sie sich nicht von allgemeinen Stimmungen runterziehen: Es ist gut, dass Sie sich engagieren! … Wir sind doch nicht im Auftrag des Pfarrers oder des Bischofs unterwegs, sondern wir sind wie die Pfarrer und die Bischöfe gemeinsam im Auftrag des Herrn unterwegs …
Die Jugend hat uns heute Vormittag deutlich gemacht, dass wir uns ändern müssen, wenn wir bleiben wollen, was wir sind – die Kirche Jesu Christi. Manchmal müssen wir uns selber aus der Lethargie befreien, überflüssigen Ballast abwerfen und alte Zöpfe abschneiden. Es braucht Klugheit und Beharrungsvermögen, wenn wir Bewährtes in die Zukunft tradieren und gleichzeitig Innovatives zulassen wollen. Miteinander sind wir auf einem guten Weg.
Ja, ich wehre mich dezidiert gegen die Behauptung: „Früher war alles besser.“ Im Hinblick auf Kirche sind zwar konstruktive Kritik und ernste Klage berechtigt, aber ich habe einfach keine Lust mehr auf dieses ständige Gejammere. Damit sind wir doch nicht attraktiv. Auf diese Weise „kauft“ uns doch keiner, vor allem nicht die eigene Jugend, die befreiende Heilsbotschaft ab …
Wer Autos verkaufen will, der stellt doch auch die Stärken seines Produkts in den Mittelpunkt und sagt nicht, so toll wie beim Modell des Konkurrenten haben wir es leider nicht hinbekommen. Jammern und Kirche-Sein scheinen fast ein symbiotisches Verhältnis eingegangen zu sein – und das seit Jahrzehnten. Damit aber bekommen wir keine zusätzlichen Leute in die Kirche und wir vergraulen auch die, die noch dabei sind.
Ich war etwa 16 Jahre alt, Oberministrant, Lektor, Pfarrjugendleiter bei der KLJB und gewähltes Pfarrgemeinderatsmitglied. Ich war also wie viele damals klassisch sozialisiert. Eigentlich war meine kirchliche Welt in Ordnung, dennoch wurde gejammert, allerdings auf allerhöchstem Niveau. Bereits in dieser Zeit sind wir zusammen mit dem Kaplan und einem Theaterstück durch die Pfarreien unseres Dekanates in Niederbayern getingelt. Das Stück hieß: „Kirche auf dem Lande, gibt’s Dich noch?“
Und heute, nach nunmehr 38 Jahren, stelle ich fest: Ja, Kirche auf dem Lande, die gibt es tatsächlich noch, auch in Oberbayern. Und Kirche gibt es – Gott sei Dank – auch noch in der Großstadt, obwohl dort das Pflaster heißer und das Eis dünner ist.
Auszug aus dem Bericht von Professor Hans Tremmel vor der Frühjahrsvollversammlung 2018. [Weiter]