(Münchner Kirchenzeitung vom 03.12.2017)
Seit viele von uns elektronische Kalender führen, können wir ganz unkompliziert nachschauen, auf welchen Tag unser runder Geburtstag in neun Jahren fällt oder wann die Kinder oder Enkel volljährig werden. Natürlich denken manche von uns dabei etwas sorgenvoll, ob wir das auch wirklich noch erleben und was bis dahin wohl noch alles geschieht. Ja, es ist uns durchaus bewusst, dass wir endlich sind und dass es einmal eine Zeit ohne uns geben wird. Unsere individuelle Zeitspanne ist begrenzt. Wenn wir nicht gerade lebensbedrohlich erkrankt sind, verdrängen wir diesen Gedanken meist sehr erfolgreich und lassen uns deswegen nicht gleich in eine depressive Stimmung fallen. Das ist gut so! Denn selbstverständlich dürfen wir als Christinnen und Christen das Leben gelegentlich unbeschwert genießen, sollen Spaß haben und Freude weitergeben. Die Verkündigung und die Erlebbarmachung der Frohen Botschaft ist schließlich unser Kerngeschäft. Folgerichtig kritisiert Papst Franziskus in seinem Apostolischen Schreiben: „Es gibt Christen, deren Lebensart wie eine Fastenzeit ohne Ostern erscheint.“ (EG, 6) Da hat er Recht.
Aber es gibt andererseits auch Christen, die vergessen bisweilen, dass in jedem Leben einmal der Karfreitag kommt. Sie sehen einen zentralen Lebenssinn darin, möglichst viele Güter anzuhäufen und Reichtum zu vermehren. Bis zu einem gewissen Maß ist das keineswegs verwerflich. Aber wenn aus legitimem Gewinnstreben und aus verständlicher Vorsorge unlautere Schlitzohrigkeit oder gar Betrug im großen Stil wird, ist die Grenze überschritten. „Oh, wie schön ist Panama“, heißt das nette Bilderbuch von Janosch. Ob die Schlupfloch- und Oasensucher sich da mal nicht täuschen? Warum nicht gleich in himmlische Sphären gehen? Paradise Papers scheinen die ideale Lösung zu sein, einen Mehrwert an Lebensfülle, eine Steigerung an Lebensqualität zu erreichen. Oder vielleicht doch nicht?
Vor ein paar Wochen habe ich einen interessanten Zeitungsartikel über die mehr oder weniger schlauen Möglichkeiten gelesen, wie Superreiche ihr Geld in trockene Tücher bringen können. Am selben Tag hat mich dann aber das Tagesevangelium regelrecht elektrisiert. Es handelte von dem reichen Kornbauern, der beabsichtigte seine alten Scheunen abzureißen, um größere zu bauen, weil er sonst seine enorme Ernte nicht unterbringen konnte. Er wollte einen großen Vorrat haben, der für viele Jahre reicht. Sein Plan war, sich dann auszuruhen, lecker zu essen und zu trinken und sich seines Lebens zu freuen. „Da sprach Gott zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wir man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann das gehören, was du angehäuft hast? So geht es einem, der nur für sich selbst Schätze sammelt, aber bei Gott nicht reich ist.“ (Lk 12,20f)
Damit sind sicherlich nicht nur die gierigen anderen gemeint. Wir müssen uns schon auch an die eigene Nase fassen. Nicht Neid, sondern individuelle Umkehr ist in diesen Tagen gefragt. Kann die stade Zeit, kann der Kerzenschein in dunkler Nacht zum Nachdenken anregen oder haben der Kommerz, die grelle Beleuchtung und der Lärm des Alltags längst die Oberhand gewonnen? Im Advent schauen wir nicht zurück, um dem historischen Jesus zu gedenken oder uns von der sentimentalen Verniedlichung der Geburt das Herz erwärmen zu lassen. Wir schauen nach vorne und erwarten die Ankunft unseres Herrn. Aber wir wissen eben nicht, wann er kommt. Dieses Datum haben wir nicht in unseren Kalendern.