(Münchner Kirchenzeitung vom 22.10.2017)
Nun haben wir den Salat. Der Souverän hat entschieden. Das Wahlergebnis für den Deutschen Bundestag liegt vor. Richtig freuen können sich die wenigsten, vor allem wenn man keinen Salat mag. Aber wie bei jedem Salat hängt viel vom Dressing ab und davon, ob der Salat als Hauptspeise bestellt wurde oder als Beilage. Und gerade seit Ecuador weiß ich, dass man dem schönsten Salat auch misstrauen muss, wenn man nicht weiß, wie er auf den Teller gekommen ist.
Die Frage ist durchaus berechtigt: Wer hat uns diesen Bundestags-Salat eingebrockt? Wichtiger aber finde ich jetzt die Suche nach einer Antwort auf die Frage, wie wir damit umgehen. Wir alle wissen, Demokratie ist kein reines Wunschkonzert und so gehört der Kompromiss, das Streben nach der je besseren Lösung, oft auch die Suche und die Akzeptanz des Minus-Malum, des kleineren Übels, zum System.
Vielleicht ist die Zusammensetzung unserer Volksvertretung 2017 so ehrlich wie selten zuvor. Der bunte Salat spiegelt die Pluralität unserer Gesellschaft wider. Wir sollten uns nicht von den braunen und dunkelroten Streifen im Wähler- und Parteienspektrum erschrecken lassen. Die überwiegende Mehrzahl der im Bundestag vertretenen Abgeordneten sind gute Demokraten. Mit ihnen ist Staat zu machen.
Ich warne dringend davor, jetzt die falschen Schlüsse zu ziehen. Fast 60 % der deutschen Bevölkerung sind nach wie vor Christen. Und viele wissen auch, was das bedeutet. Sie sind nicht Christen gegen andere. Wenn Franziskus sagt, wir sollen an die Ränder gehen, dann kann das natürlich angesichts der Wahlergebnisse auch bedeuten, die Menschen am rechten Rand des Wählerspektrums bewusst aufzusuchen – ihre Sorgen, ihre Abstiegs- und Verlustängste, ihre Interessen und Bedürfnisse, ihre Nöte und ihre Wut, ihre Perspektivlosigkeit, ihre vermisste Wertschätzung und ihre vermeintliche Missachtung anzuhören, auszuhalten und ihnen echte und ehrliche Lösungen anzubieten.
An die rechten Ränder gehen heißt aber nicht, selber fremdenfeindliche und rassistische Parolen zu plärren, nur um Stimmen zu erhalten. Die Kunst wird sein, Wähler nicht einfach auszugrenzen, sich allerdings ganz klar von bestimmten Standpunkten abzugrenzen.
Ich bin der festen Überzeugung, wer den Rechtspopulisten und den frustrierten Protestwählern nach dem Mund redet, wird noch mehr Wähler an rechte Parteien verlieren. Denn diese brauchen nichts zu beweisen und können immer noch eine Schippe drauflegen. (...)
Die populistischen Scharfmacher müssen nun als Abgeordnete ohnehin zeigen, ob sie mehr drauf haben, als Beleidigungen, Provokationen und dumme Sprüche. Konstruktive und von Kompetenz getragene Sachpolitik wird ihnen schwer fallen.
Außerdem bin ich sicher, dass der künftige Bundestagspräsident die Verrohung der Sprache unterbinden und der eklatanten Niveauabsenkung der politischen Kultur Einhalt gebieten wird. Lüge und bewusste Verdrehung der Wahrheit dürfen im Bundestag nicht salonfähig werden.
Wenn der Respekt vor dem politischen Gegner bei einigen Volksvertretern fehlt, dann sollte das Parlament insgesamt zeigen, dass der amerikanische Präsident ein abschreckendes Beispiel und alles andere als ein Vorbild ist. Dies gilt nicht nur für rechte Parteien. Wie sollen wir in den Familien, in der Schule, im Sportverein oder am Arbeitsplatz die Tugenden des Anstandes und des guten Tons hochhalten, wenn selbst ein ZdK-Mitglied als Noch-Ministerin lächelnd ihre Verbalentgleisung wiederholt in die Kameras und Mikrophone posaunt? Da gilt es den Anfängen zu wehren. Einen solchen Stil brauchen wir nicht in der Politik und schon gar nicht in der Kirche.
Gerade in der gegenwärtig aufgeheizten Situation gehört es deshalb zum Auftrag des Laienapostolats, mäßigend zu wirken und eine wertschätzende Debattenkultur zu pflegen. An dieser Stelle danke ich ausdrücklich den christlichen Politikern aller Parteien für ihren bisweilen aufopferungsvollen Einsatz für das Gemeinwohl. Dies gilt insbesondere für die Mandatsträger aus unseren eigenen Gremien. Vergelt´s Gott für Ihre Arbeit!
Auszug aus dem Bericht von Professor Hans Tremmel vor der Herbstvollversammlung 2017. [Weiter]