(Münchner Kirchenzeitung vom 25.12.2016)
Wie sollte eine wirklich gute Geschichte beginnen? Am besten mit dem ersten Wort. Was aber, wenn das erste auch das letzte ist? Wenn die Geschichte gar nicht mehrere Wörter braucht? Wenn dieses eine Wort ausreicht, um alles zu sagen, was zu sagen ist? Wenn dieses eine und einzige Wort so wirkmächtig ist, dass alles Bisherige und Zukünftige sich in ihm vereint? „Ausg‘red is“, sagt der Bayer, wenn der Konversation nichts mehr hinzuzufügen ist, weil bereits alles offen gelegt und entschieden wurde und weil jedes weitere Wort zu viel wäre.
Genauso ist es mit der Selbstoffenbarung Gottes, die der Evangelist Johannes am Beginn seines Evangeliums so beschreibt: „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst.“
Zugegeben – vertrauter, verständlicher, heimeliger und netter ist die Weihnachtsgeschichte bei Lukas, die wir in der Christmette hören. An sie denken wir, wenn wir Schaufensterdekorationen betrachten, unsere Krippe ins Wohnzimmer stellen oder die Weihnachtslieder singen. Johannes kommt dagegen schon arg abgehoben und philosophisch daher. Aber letztlich ist es dieselbe Botschaft von der Menschwerdung: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit“ (Joh 1,14).
Mit Jesus Christus ist die Offenbarung Gottes abgeschlossen. Da kommt nichts mehr, keine zusätzlichen Prophezeiungen in esoterisch-elitären Zirkeln, keine geheimbündlerischen Sonderweissagungen. „Ausg‘red is!“ Wir warten vergeblich, wenn wir auf etwas und nicht auf IHN warten. Mit ihm ist das Reich Gottes bereits mitten unter uns (Lk 17,21). Wir vergessen das nur allzu oft. Da ist es gut, dass wir uns das zentrale Geheimnis unseres Glaubens, das gewissermaßen die Klammer darstellt zwischen Weihnachten und Ostern, in jeder Eucharistiefeier in Erinnerung rufen: „Deinen Tod, oh Herr, verkünden wir und Deine Auferstehung preisen wir, bis Du kommst in Herrlichkeit.“ Selbst nach der Weihnachtszeit leben wir im Advent und warten auf seine Wiederkehr. Er ist Alpha und Omega, der Anfang und das Ende der gesamten Schöpfung.
Auch wenn es manchem in diesen emotional aufgeladenen Zeiten nicht gefallen mag – Gott ist nicht Jude oder Katholik, nicht Europäer oder Afrikaner, nicht Protestant oder Muslim geworden, sondern Mensch. Mit dem fleischgewordenen Sohn Gottes dürfen alle Menschen ihn Vater nennen. Bei der Eröffnung der Diaspora-Aktion wurde im Münchner Dom gesungen: „Gott liebt diese Welt. Er wird wiederkommen, wann es ihm gefällt, nicht nur für die Frommen, nein, für alle Welt!“ (Gotteslob, 464,7)
Einerseits wird uns Christen damit nichts genommen. Anderseits sind wir in eine besondere Weltverantwortung gerufen, denn „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht“ (Joh 1,9). Helfen wir mit, dass die Welt den menschgewordenen Gott erkennen kann. Erleuchten wir die ganze Welt mit seinem Friedenslicht. Überwinden wir die engen nationalen und religiösen Grenzen in der Zuversicht: Gott steht zu seinem Wort – an alle.