(Münchner Kirchenzeitung vom 20.03.2016)Ich kann gar nicht oft genug sagen, wie froh und stolz ich bin über das dauerhafte Engagement von so vielen Menschen für Flüchtlinge. Bei allem Gerede über Stimmungsveränderung – die Haupt- und Ehrenamtlichen gerade in Bayern haben kein Strohfeuer der Humanität entfacht, sondern sie sind Dauerbrenner einer teilweise bewusst christlich motivierten Nächstenliebe.
Wir haben es uns nicht gewünscht und würden es um der Menschen willen gerne wieder deutlich zurückfahren, aber was gerade Christinnen und Christen in den Pfarreien, Verbänden, aber auch als Polizisten, Mitarbeitende in Behörden oder in den verschiedenen Helferkreisen und Organisationen leisten, ist eine Form der gelebten Zeugenschaft, wie sie glaubwürdiger und authentischer kaum sein könnte. Dies gilt gewiss auch für jene Politikerinnen und Politiker, die trotz größerer Widerstände in der eigenen Partei und trotz mancher Gefährdung in der Wäh-
lergunst verantwortungsvolle Politik für alle gestalten wollen.
Nicht wenige sogenannte Kirchenferne, Ausgetretene und sogar erklärte Atheisten berichten bei verschiedenen Gelegenheiten, wie beeindruckt sie vom Einsatz der Kirchen sind und dass sie uns das nicht zugetraut hätten. Viele Nichtchristen stehen deshalb inzwischen ganz selbstverständlich an unserer Seite. Manche In- und Ausländer schütteln staunend oder bewundernd oder verärgert oder auch schadenfroh den Kopf über dieses „neue“ Deutschland.
Eigentlich könnten wir auf dieses hilfsbereite Land stolz sein, weil es nicht nur in der Finanzkrise seine Rolle als „Opinionleader“ in Europa annehmen will. Stattdessen wird die menschenrechtlich-humanitäre Orientierung der Flüchtlingspolitik innerhalb der eigenen Regierung kaputtgeredet, die europäische Lösung erschwert und der Nährboden für ausländerfeindliche Ressentiments hierzulande mitbereitet. Der verbale Niveauabsturz im Netz und dann auf der Straße scheint bisweilen keine Untergrenze mehr zu kennen. Dummheit wird allmählich wieder salonfähig und entsprechende Parolen werden von manchen rechtspopulistischen WahlkämpferInnen regelrecht beflügelt.
Wir alle haben keine Patentrezepte und keine schnellen Lösungen parat, aber es ist beleidigend, wenn ich Politiker reden höre, die uns „Kirchenleute“ lächerlich machen wollen, weil wir nach wie vor dezidiert eine humane Flüchtlingspolitik unterstützen. Allerdings sind wir „Kirchenleute“ weder naiv noch blöd. Wir sind alles andere als schwärmerische, gesinnungsethische Utopisten. Wir lassen uns auch nicht in eine frömmelnde Ecke stellen. Tausende Christinnen und Christen in unserem Lande sind es, die Seite an Seite mit allen Menschen guten Willens zeigen, dass wir nach wie vor oder gerade jetzt die Botschaft Jesu Christi ernst nehmen wollen und zwar unter den realen Bedingungen unserer Zeit.
Keineswegs sind wir, da möchte ich der billigen Polemik eines von mir durchaus geschätzten Kommunalpolitikers entschieden widersprechen, so bescheuert, dass wir ins Wasser springen, um Flüchtlinge zu retten, auch wenn wir nicht schwimmen können, weil wir dann angeblich durch die gute Tat schneller in den Himmel kommen. Wir Christen können schwimmen, wir können Rettungswesten verteilen und wir können auch Boote steuern. Aber wir können nicht einfach tatenlos zusehen beziehungsweise die Augen verschließen, wenn vor unserer Nase Menschen ertrinken oder in Laderäumen ersticken. Dabei wissen wir sehr wohl, was Belastungsgrenzen sind und was Polizei, Hilfsdienste, Verwaltung und Flüchtlingsbetreuer bis zur Erschöpfung leisten. Wir können Rechtsgutachten, Statistiken, wissenschaftliche Studien lesen und sie sogar verstehen und interpretieren. Vor allem können wir auch unmittelbar mit den Menschen sprechen, mit Betreuern, Verantwortlichen und natürlich auch mit Flüchtlingen selber. Als Kirche wollen, können und müssen wir unseren Beitrag leisten, um die Gesellschaft auf humanitärem Kurs zu halten.
Auszug aus dem Bericht von Hans Tremmel bei der
Frühjahrsvollversammlung 2016